Nicht nur die Natur, auch die Hansestadt unterliegt einer ständigen Verwandlung, nach Goethe, einer Metamorphose. Von daher ist der Titel des neuesten Buches, das das Autoren-Duo Matthias Duderstadt und Harald Rehling jetzt im Kellner-Verlag vorgelegt hat, Programm: "Nichts bleibt wie's ist". Wie bereits im Vorgänger-Band haben der Autor Duderstadt und der Fotograf Rehling bei Streifzügen durch die Hansestadt und vor allem durch das Viertel neben bekannten, auch viele eher verborgene Ecken aufgespürt und Momentaufnahmen eingefangen. Beispielsweise das Heimatviertel in Walle, das der Fotograf einmal kahl und dann wieder mit Blättern belaubt zeigt.
Endlich Frühling
Auch die knorrige Winterskulptur an der Feldstraße/Ecke Herderstraße scheint den Frühling in dichtem Blätterkleid zu feiern. "Nichts bleibt wie es ist", das Zitat, das auch durch die Dichterin Rose Ausländer bekannt wurde, trifft auch auf den Wechsel der Jahreszeiten zu. Auf einen zu kalten, ungemütlichen April folgten zum 1. Mai die ersten frühsommerlichen Tage. Duderstadt, Dozent für ästhetische Bildung und Kunstpädagogik, und Rehling, Presse-Fotograf an der Uni Bremen, kennen sich aus beruflichen Zusammenhängen von der Universität Bremen. Sie haben diesen Wechsel in Vorher-Nachher-Ansichten wie diesen festgehalten: Da ist ein verwaistes Gärtchen zu sehen, bedeckt mit Herbstlaub. Der Kommentar des Autoren, der im Viertel lebt, dazu: "Der Winter soll gehen".

Das Gärtchen im Herbst. Verwaist und der Boden mit Herbstlaub bedeckt.
Wie strahlend dann die Wiedergeburt der unwirtlichen Ansicht im Frühlings-Sonnenschein: Tischchen und Stühle stehen in stattlichem Grün.
Vom Sterben der Schmetterlinge
Das Duo widme sich aber auch generell den Themen Veränderung und Veränderbarkeit, sagt Duderstadt: "Die Frage ist doch, was sich ändert und was man selbst verändern kann." Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert, die beispielsweise dem städtischen Leben oder aber Häusern nach dem Krieg sowie dem Wiederaufbau und den damit verbundenen Änderungen im Stadtbild gewidmet sind. Der Neubau neben der ehemaligen Musikbibliothek am heutigen Friedenstunnel ist nur ein Beispiel. Dass in der Zeitspanne zwischen 2006 bis 2022 die vorhandenen Sozialwohnungen in Deutschland laut Duderstadt auf 1,1 Millionen quasi halbiert wurden, empfinde er als ein gravierendes, politisches Problem.
Ein Kapitel trägt den Titel "Zuhause", ein anderes widmet sich Pflanzen, Insekten und Vögeln. Was Duderstadt besonders traurig macht: das Aussterben der Schmetterlinge, in seinen Augen ein Indikator für den Klimawandel. Bald müssten Kinder ohne Schmetterlinge aufwachsen, sagt er. "Öde, fad, ton- und geräuschlos wäre unser Leben ohne Tiere." Einer seiner Denksätze zum Ausverkauf der Schöpfung, wie er es formuliert: "Ohne Bienen wäre Obst Luxus für Reiche." Wie einen weiteren Kommentar hat er einen Blumenstrauß in Form eines Barockstilllebens arrangiert.
Das Leben ist kein Trauerspiel
Nichts bleibt wie es ist. Dass das Altern, mit Humor genommen, einigermaßen gut zu ertragen ist, zeigt Rehlings Porträt einer lachenden Frau. Duderstadts Kommentar dazu: "Das Leben ist kein Trauerspiel." Das dokumentiert er auch in anderen Vorher-Nachher-Porträts. Zumindest ist das Leben wohl kein Trauerspiel, wenn der Tunnel, der vom Osterdeich zum Weserstadion führt, voll mit Fußball-Fans ist. Der Fotograf zeigt beides: den Tunnel in Betriebsamkeit, aber auch in Stille. Ernsten Themen hat sich der Autor mit seinem Fotografen ebenfalls zugewandt: Menschen, die ohne Obdach vor Reklameschildern in der Obernstraße sitzen. Der Gegenentwurf zu Mode, Marken, Lifestyle und Produkten, wie er sagt.