Der Schwalbenschwanz gilt als einer der schönsten Tagfalter Europas. Viele Menschen sind fasziniert von dem segelnden Flug des großen Schmetterlings. Jochen Kamien von der Ökologiestation Bremen war so begeistert, dass er in den Neunzigern mit anderen versucht hat, die fast verschwundene Art nach Bremen zurückzuholen. Der Rettungsversuch scheiterte. „Wir haben eine größere Anzahl von Raupen aus Süddeutschland freigelassen, aber das hat leider nicht dazu geführt, dass es eine neue feste Population gab.“
Das Insektensterben lässt sich nicht mehr abstreiten. Die Rede ist von einem Verlust von 75 Prozent. „Wissenschaftliche Untersuchungen zu Insekten sind immer noch relativ selten“, sagt Kamien, schlohweißes Haar, in seiner ruhigen Art. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der frühere Lehrer mit Schmetterlingen. Bei seinen Führungen über das weitläufige Gelände der Ökologiestation in Schönebeck gab es bisher immer Gelegenheit, am Dost trinkende Tagfalter zu entdecken. „Aber es werden weniger“, stellt Kamien fest. Schuld seien Klimawandel und industrialisierte Landwirtschaft. Ebenso aber auch Gartenbesitzer, die „Gärten wie Friedhöfe behandeln“.
In vielen Bremer Gärten herrschten Rasenflächen und immergrüner Kirschlorbeer vor. Rasenflächen bezeichnet Jochen Kamien als „Notlandeplätze“ für Insekten – „vor allem wenn sie regelmäßig gemäht werden.“ Und der exotische Kirschlorbeer „nutzt keinem Tier irgendetwas.“ Kamien überlegt kurz, sagt dann: „Es gibt nur einen nicht heimischen Strauch, der in jeden Bremer Garten gehört: Den Schmetterlingsstrauch oder auch Sommerflieder genannt. Buddleia davidii ist wie eine Theke für Schmetterlinge.“
Staubblätter sollen frei liegen
Der 66-jährige Vater einer erwachsenen Tochter spricht aus Erfahrung. In seinem großen Garten im niedersächsischen Landkreis Osterholz-Scharmbeck hat er mit einheimischen Stauden wie Phlox und Stockrosen ein Schmetterlingsparadies geschaffen. Er achtet bei der Wahl der Pflanzen darauf, dass die Blüten ungefüllt sind, also die Staubblätter frei liegen.
Auf welche Pflanzen Schmetterlinge ihre Eier ablegen, ist von Art zu Art unterschiedlich. „Die Raupen der Edelfalter wie Kleiner Fuchs, Landkärtchen und Admiral fressen gern an Brennnesseln. Der Distelfalter, das sagt schon der Name, mag Disteln. Und Kohlweißlinge heißen nicht umsonst so: Die fressen gern an Kohl.“ Weil die Raupen in Herden auftreten, seien sie nicht gerade wohlgelitten. „Früher wurde diese Art im Garten richtig bekämpft. Das ist bestimmt auch heute noch so, aber wer baut heute noch Kohl im Garten an?“
Besonders viele Vorurteile gebe es gegenüber Nachtfaltern, weil sie angeblich Textilien fressen. „Aber unter 1500 Nachtfalter-Arten gibt es nur eine Art, die das tut: die Kleidermotte.“ Alle anderen Nachtfalter ernährten sich von Pflanzen. Auch hier verzeichnet Kamien einen Rückgang: Weil es beispielsweise immer weniger Ligusterhecken gebe, sei auch der Ligusterschwärmer in Bremen kaum noch anzutreffen.
Populationen dünnen im Laufe der Jahre aus
An vielen Orten haben Schmetterlinge ihren natürlichen Lebensraum verloren: „Es gibt kaum Blühstreifen, in denen die Schmetterlinge ihre Eier ablegen können“, sagt Kamien. „Weniger Eier heißt weniger Nachkommen. So dünnen die Populationen im Laufe der Jahre aus.“ Frühes Mähen sorge darüber hinaus für das Sterben des Großen Ochsenauges und des Waldbrettspiels, deren Raupen in den Wiesen überwintern.
Dass ein Temperaturanstieg Auswirkungen auf das Verschwinden der Schmetterlinge haben soll, erscheint auf den ersten Blick paradox: „Schmetterlinge sind wärmeliebende Tiere, in den Tropen sind viel mehr Arten beheimatet als bei uns. Von den weltweit 150 000 Schmetterlingsarten kommen in Mitteleuropa etwa 3000 vor, in Bremen gibt es etwa 35 bis 40 Tagfalterarten“, bestätigt Kamien. Doch die Klimaveränderungen machten den Arten zu schaffen, die sich an das hiesige, kühle Klima angepasst haben. Dies seien etwa Moorbewohner wie der seltene Hochmoor-Bläuling. Mit seinem Verschwinden sei zu rechnen.
Bereits 2012 meldete das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, dass Vögel und Schmetterlinge nicht mit dem Klimawandel mithalten können. Die Temperaturen hätten sich in Europa schneller erhöht als sich beide Tiergruppen anpassen konnten. Kamien rechnet mit weiteren Hiobsbotschaften: „Weil es weniger Schmetterlinge gibt, wird es weniger Vögel geben, weil es keine Nahrungsgrundlage mehr für sie gibt.“
Wer Schmetterlingen helfen will, brauche weder Nisthilfen noch Schmetterlingstränken; nur die richtigen Pflanzen im Garten und auf dem Balkon. Dass sich der Bestand des Schwalbenschwanz' erholt hat, liegt daran, dass in Gärten weniger Umweltgifte eingesetzt werden. Gern nascht er übrigens an der Gartenmöhre.