Unmut und Frust waren jahrelang der Begleiter der Akteure der Freien Szene, das Ringen um Zuschüsse für Projekte, die Suche nach Räumen und Kooperationspartnern. Doch auch, wie die Mittel verteilt wurden, sorgte für Empörung; hier sei zu wenig Fachkenntnis über die Belange der freien Szene im Spiel, lautete lange Zeit der Vorwurf an die Kulturbehörde.
Hinzu kam, dass wegen Haushaltssperre und anderer Verzögerungen einige Projekte immer wieder auf ihr Geld warten und freie Gruppen und Künstler um ihre Existenz bangen mussten. Nun ist aber eine lebendige freie Szene, die abseits der etablierten Institutionen Neues und Frisches entwickelt, unabdingbar für das kulturelle Erscheinungsbild einer Großstadt.
Projektmittel verdoppelt
Was also tun, wenn klar ist: Der Kulturhaushalt wird vorerst nicht wesentlich erhöht, bei Einrichtungen mit einem festen Etat wie dem Theater, den Philharmonikern oder der Stadtbibliothek sind Kürzungen aber aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ohne das Angebot einzuschränken? Im Herbst 2016 konnten Kultursenator und Bürgermeister Carsten Sieling und Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (beide SPD) den Akteuren der Freien Szene etwas mehr Luft zum Atmen verschaffen: Sie stellten den „Solidarpakt für die Freie Szene“ vor.
Dieser sah vor, für 2017 den Topf für Projektmittel auf 700 000 Euro quasi zu verdoppeln – auch mithilfe der Kulturinstitutionen, die über eine institutionelle Förderung verfügen. Den allergrößten Geldbatzen steuerte das Theater Bremen bei, das mit knapp 27 Millionen Euro aus dem 80 Millionen Euro-Kulturetat (Stand: 2016) gefördert wird. 300 000 Euro brachte das Haus am Goetheplatz ein, weil es einen Überschuss erwirtschaftet hatte, das Focke-Museum steuerte als kleinen Beitrag 6000 Euro bei. Dieses Modell soll bis 2020 greifen. Dann kann Bremen mit mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich rechnen, von dem auch die Kulturpolitik profitieren soll, wie Sieling mehrfach andeutete. Freie Projekte könnten dann in langfristig angelegte finanzielle Fördermodelle überführt werden.
Doch es geht bei dem Solidarpakt, übrigens 2016 ein Novum in der deutschen Kommunalpolitik, nicht nur um Geld. Kooperationen, Räume, die mitgenutzt werden können, personelle Unterstützung, Einbindung in Projekte, professionelle Fortbildung sind weitere Bestandteile dieser engeren Verzahnung von etablierter und freier Szene, subsumiert unter dem Schlagwort: geldwerte Leistungen. Um dem Vorwurf zu entgehen, die Kulturbehörde stülpe der Szene etwas über, gab es im Juni 2017 Workshops mit den Beteiligten, um eine erste Bilanz zu ziehen. Nachgebessert wurde danach beispielsweise bei der Besetzung der drei Jurys, die über die Vergabe der finanziellen Mittel entscheiden. Sie sind mittlerweile auch mit regionalen und nicht nur mit überregionalen Fachleuten besetzt. Aber nicht nur strukturell, auch inhaltlich wünschte sich Kulturstaatsrätin Emigholz im Interview mit dem WESER-KURIER weitere Impulse, beispielsweise aus migrantischen Communitys, deren ästhetische Sprache Emigholz mit einem gesonderten Budget innerhalb des Solidarpakts fördern will.