Wie kriegt man 42 Konzerte unter einen Hut? Thomas Albert schafft es auch beim 34. Musikfest Bremen, ein paar starke rote Fäden durchs Programm zu schießen. Der rührige Intendant, dessen Vertrag gerade frisch verlängert worden ist, hatte vor zwei Jahren unter der Überschrift "Mythos Europa" die jährliche Konzentration auf eine Nation eingeführt. Nach Belgien und den Niederlanden steht diesmal Italien im Zentrum, das Land des Gesangs. "Wir bringen Musik von Monteverdi bis Verdi, von Madrigal bis Oper", kündigte Albert bei der Programmvorstellung an.
Der zweite Aufhänger für die Konzerte vom 19. August bis 9. September ist ein Jubiläum: 300 Jahre ist es her, dass Johann Sebastian Bach Thomaskantor in Leipzig wurde – als vier Wahl. An seine Rivalen Telemann, Graupner und Fasch, die zuerst gefragt wurden und absagten, erinnert denn auch ein Konzert am 29. August in Rastede, an seine Visitenkarte zum Einstand, das Magnificat, eine Aufführung am 6. September in Friesoythe. Den italienischen Einflüssen in seinem Werk spüren einige der fünf Konzerte des Arp-Schnitger-Orgelfestivals und der drei Atelier-Konzerte nach. Aber von vorn.
Die Eröffnung: Das Startsignal gibt wie immer "Eine große Nachtmusik", diesmal an zehn Spielstätten rund um den Marktplatz. Am 19. August kann sich jeder Besucher wie gewohnt bis zu drei Abendkonzerte nach eigenem Geschmack zusammenstellen. Das Thema Europa findet im St.-Petri-Dom beim Ensemble Vox Luminis mit Charpentiers "Eurovisionshymne" seinen Widerhall, das Thema Thomaskantor beim Tölzer Knabenchor in der Liebfrauenkirche mit Motetten der Bach-Familie. In den Innenhöfen erklingen wieder Jazz und Weltmusik, in der Glocke bietet das Budapest Festival Orchestra unter Iván Fischer drei Programme von Monteverdi bis Ligeti.
Große Stimmen: "Sopranistin Olga Peretyatko wollte nach ihrem Vorjahreserfolg als Gilda im ,Rigoletto' unbedingt wiederkommen", verrät Thomas Albert. Jetzt ist sie am 26. August als Leonora dabei, wenn Giuseppe Verdis "Troubadour" konzertant in der Glocke erklingt – wieder unter der historisch kundigen Hand von Jérémie Rhorer. Sopranistin Asmik Grigorian, die 2018 in Salzburg als Salome ihren Durchbruch erlebte, widmet sich am 27. August in der Bremer Glocke russischen Liedern von Tschaikowsky und Rachmaninoff. Den jazzigen Vokalakzent setzt Lisa Simone mit der Bigband des Hessischen Rundfunks am 25. August im BLG-Forum Überseestadt bei "Musikfest goes Overseas", wenn sie Songs ihrer Mutter, der Jazzdiva Nina Simone, anstimmt.
Berühmte Solisten: Zum ersten Mal tritt Stargeigerin Hilary Hahn in Bremen auf – mit Mozarts türkischem Konzert. Begleitet wird sie am 22. August in der Glocke von der Deutschen Kammerphilharmonie unter Omer Meir Wellber, der 2025 in Hamburg den Chefstab von Kent Nagano übernehmen wird. Auch er gibt sein Debüt an der Weser – und spielt als gelernter Akkordeonist im selben Konzert noch eine Uraufführung. Drei Pianisten lassen sich ebenfalls in der Glocke hören. Yulianna Avdeeva, hier bereits 2021 gefeiert, spielt beide Klavierkonzerte Frédéric Chopins auf einem historischen Erard-Flügel (24. August), Daniil Trifonov präsentiert unter Daniel Hardings Leitung das Schumann-Konzert (28. August), und Seong-Jin Cho aus Seoul, Chopin-Preisträger von 2015, stellt sich mit einem klassischen Soloprogramm vor.
Flotte Altmeister: Oper mit Hip-Hop und Akrobatik – darauf lassen sich zwei Legenden der alten Musik ein. William Christie und Paul Agnew, nach langer Pause wieder in Bremen, laden sich am 1. September für Henry Purcells Elfenoper "The Fairy Queen" den Choreografen Mourad Merzouki in die Glocke. Am selben Ort dringt am 8. September der 81-jährige Katalane Jordi Savall, eine Legende der frühen Musik Europas, zu Mendelssohns "Sommernachtstraum"-Musik vor. Philippe Herreweghe, der Meister aus Gent, setzt sich einen Tag vorher in der Großen Kirche Bremerhaven nach bereits drei Plattenaufnahmen erneut mit Bachs h-Moll-Messe auseinander. Und dann nimmt auch noch ein junger Altmeister Abschied: Schlagzeuger Martin Grubinger, die vergangenen zwei Jahre der grandiose Musikfest-Finalist auf dem Marktplatz, zieht sich von der Bühne zurück und gibt seine letzten Konzerte am 29. und 30. August in der Bremer Glocke und der Alten Werft in Papenburg. Das markante Programm: Igor Strawinskys "Sacre du printemps".
Das Finale: Am 9. September endet das Musikfest wie in den Vorjahren open Air auf dem Bremer Marktplatz. Sheléa singt Songs von Aretha Franklin, der Queen of Soul. Wieder ist der Eintritt frei. Apropos Geld: Frühbucher erhalten bis 22. April wieder 15 Prozent Rabatt. Und – was sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen hat – junge Musikneugierige bis 18 Jahre zahlen für jedes Konzert nur sechs Euro.