Bremen. Wer 195 Jahre alt wird, darf sich ein Facelifting gönnen. Sagt Christian Kötter-Lixfeld, Intendant der Bremer Philharmoniker. Das bedeutet: Plakate, Broschüren, das Aboheft und alle anderen Materialien rund um das Orchester sehen ab sofort etwas anders aus als gewohnt. Gleich vier unterschiedliche Grüntöne stehen zur Auswahl, und die Schrift ist nicht immer komplett zu sehen, sondern wird neckisch angerissen. Man muss eben etwas genauer hinschauen bei den Philharmonikern, dann kann man einiges entdecken.
Auf die Neugier ihrer Zuhörer und solcher, die es noch werden wollen und sollen, setzt das Orchester weiterhin. Bevor Kötter-Lixfeld und Generalmusikdirektor Marko Letonja das Konzertprogramm für die Saison 2019/20 am Mittwoch vorstellten, sprachen sie über Formate, die dieses ergänzen. Der „Pausenphiller“, bei dem das Publikum in der noch laufenden Spielzeit drei Mal bei ganz normalen Proben in der Glocke zuhören konnte, hat fast 1000 Menschen angelockt – viel mehr, als man gehofft habe, so Letonja. Ein vierter Termin steht am 21. Juni, 11.45 Uhr, an. Weiterhin großen Zuspruch finde auch die „5nachSechs“-Reihe mit ihrer lockeren After-Work-Atmosphäre. Bestärkt davon, gibt es in der kommenden Saison einen weiteren Appetizer namens „Mittendrin“. Hier können sich Interessierte bei einer Probe zu den Musikern auf die Bühne setzen, quasi irgendwo zwischen Pauken und Trompeten. Am Theater Bremen hat Letonjas Generalmusikdirektor-Kollege Yoel Gamzou etwas ähnliches bereits in den „Familienkonzerten“ mit Grundschülern ausprobiert.
Die Besucherzahlen der Konzerte habe man steigern können, so Christian Kötter-Lixfeld. Er rechnet mit deutlich mehr als 70 000 Zuhörern, wenn das letzte Philharmonische Konzert dieser Saison am 25. Juni verklungen sein wird. Im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 67 000 Besuchern. Mit den diversen musikpädagogischen Angeboten habe man zudem ungefähr 19 000 Kinder erreicht. Dieses Engagement bleibt bestehen: 30 Schulprojekte und Schulkonzerte sind in der neuen Spielzeit geplant.
Der Trend bei den Konzertbesuchern führe weiterhin weg vom klassischen Abo für die zwölf Philharmonischen Konzerte, dem Herzstück des Programms und hin zum Einzelkartenverkauf und zu den diversen anderen Abo-Modellen, von denen das Sonntag(morgen)-Abo und das „5nachSechs“-Abo besonders gefragt seien, bilanzierte der Intendant. Mittlerweile gibt es ein eigenes Heft, das einen Überblick über die diversen Möglichkeiten bietet, eine der Reihen zu abonnieren.
Mit den Philharmonischen Konzerten der Saison 2019/20 will das Orchester langsam auf seinen 200. Geburtstag in fünf Jahren einstimmen – alle Spielzeiten bis dahin werden sich der Geschichte der Symphonie widmen, der „Identitätskarte“ jedes Orchesters, so Marko Letonja. Werke der Urväter Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart werden in der kommenden Saison regelmäßig kontrastiert mit Musik aus anderen Epochen und immer auch zeitgenössischen Kompositionen.
Fünf Mal wird Marko Letonja selbst am Pult stehen, im Wechsel mit den Gastdirigentinnen und -dirigenten Jane Glover, Carlos Kalmar, Clemens Schuldt, Christian Kluxen, Hossein Pishkar und Mihhail Gerts. In den Spielzeiten danach sind Beethoven, die Früh- und Spätromantik sowie das 20. Jahrhundert die Dreh- und Angelpunkte der Philharmonischen Konzerte. Zum Jubiläum können Konzertbesucher sich dann auf die Uraufführung eines Auftragswerks freuen. Welcher Komponist damit beauftragt wird, wurde noch nicht verraten.
Los geht's mit den Philharmonischen Konzerten in der kommenden Saison am 29. September unter dem Motto „Kontraste“ mit Henri Dutilleux, Edward Elgar und Hector Berlioz, das dritte Konzert präsentiert dann die erwähnten „Fundamente“ mit Mozart, Haydn und ihrem Zeitgenossen Franz Xaver Dussek (17. November). Haydn in Kombination mit Maurice Ravel und George Gershwin taucht dann im fünften Konzert auf (12. Januar 2020). Wie Mozart Beethoven, Berg und den zeitgenössischen Komponisten Thomas Adés beeinflusst hat, hört man im sechsten Konzert am 9. Februar 2020; was Witold Lutoslawski und Dmitri Schostakowitsch ihm zu verdanken haben (oder auch nicht), steht am 22. März 2020 beim achten Philharmonischen auf dem Plan.
Abgesehen von diesem Herzstück der Aktivitäten gib es im aktuellen Programmheft wie immer einen sehr bunten Strauß weiterer Arbeitsschwerpunkte zu entdecken. Darunter finden sich sechs After-Work-Konzerte (das erste am 2. Oktober), acht Sonderkonzerte (darunter beim Musikfest Bremen am 27. August mit Mahlers „Symphonie Nr. 10“), sechs öffentliche Proben, sieben Gastspiele (davon eins im Februar 2020 in der Elbphilharmonie), neun Familienkonzerte oder Reihen wie „Kammermusik am Sonntagmorgen“ oder „Himmlisches Sonntagsvergnügen“.
Weitere Informationen
Die Saison 2019/20 stellen die Bremer Philharmoniker am Sonnabend, 29. Juni, 11 Uhr, in der Glocke vor. Die Musikwerkstatt lädt danach zum Ausprobieren von Instrumenten ein. Der Eintritt ist frei.