Frau Stenzel, was ist das Besondere am Bühnenbild von "Franziska"?
Johanna Stenzel: Ich habe ein lebensgroßes Polly Pocket gebaut – diese Spielschatullen aus den 80er- und 90er-Jahren, die man aufklappen konnte und in die Figuren gesteckt wurden. Ich habe mich sehr an den Originalen orientiert und einen Raum entworfen, der vom Klappmechanismus bis zur Ästhetik und Farbgebung davon inspiriert ist. Klappt man ihn auf, hat man ein Haus mit drei Zimmern und einem Garten.
Warum ausgerechnet Polly Pocket?
Ich fand es spannend, dass diese Welten in der Realität oft keinen Sinn ergeben würden. Da fehlen beispielsweise Treppen, weil man die Figur einfach nach oben stecken kann. Oder die Stühle sind viel zu klein. Dinge, die nicht logisch sind, wenn man sie auf die Bühne transferiert. Das habe ich versucht beizubehalten.
Besprechen Sie so etwas vorher mit den Schauspielerinnen und Schauspielern? Das klingt ja recht herausfordernd.
Stimmt, um in das obere Stockwerk zu kommen, muss man bei uns über den Stuhl auf den Herd und sich dann über ein Regal nach oben hangeln. Ich entwickele zwar vieles in Absprache, dann aber vor allem mit der Regie und den Kostümen. Im Vordergrund steht immer, was erzählt werden soll. Die Schauspielerinnen und Schauspieler müssen sich dann damit arrangieren.
Und was sagen die dazu?
Ich habe festgestellt, dass viele Schauspielerinnen und Schauspieler extrem glücklich sind über solch eine strenge Form, glücklich über Hindernisse. Weil sie dann etwas haben, gegen das sie auf der Bühne arbeiten können. Das Bühnenbild gibt ihnen Spielmöglichkeiten und Situationen vor.
Wie kamen Sie auf die Idee, Franziska sozusagen in die Polly-Pocket-Welt zu stecken?
Im Stück ist es ja so: Franziska geht einen Pakt ein und wird für zwei Jahre zu Franz, um die Freiheiten des Lebens genießen zu können. Polly Pocket wiederum zeigt ein vermeintliches Ideal, das gesellschaftliche Vorstellungen von etwas spiegelt und nach dem viele junge Mädchen vielleicht auch streben. Die Welt von Polly Pocket symbolisiert die Welt, die Franziska durch den Pakt eröffnet wird und mit der sie klarzukommen versucht. Das passt einfach perfekt zueinander.
Gerade weil viele Menschen etwas mit Polly Pocket verbinden, besteht die Gefahr, gedanklich daran verhaftet zu bleiben. Wie verhindern Sie, dass das Werk nicht zu einem Puppenspiel wird?
Wir versuchen es changieren zu lassen zwischen poppigen Szenen und der Verhandlung sehr ernster Dinge. Genau die können aber umso stärker wirken, wenn sie in solch einer Umgebung präsentiert werden. Ich kann das knalligste Bühnenbild wahnsinnig trist aussehen lassen, wenn ich das richtige Licht hinein gebe. Und genau diese Art von Brüche braucht es immer.
Ist es eigentlich der Regelfall, dass Sie mit solch ungewöhnlichen Ideen aufwarten und tatsächlich damit durchkommen, oder heißt es da auch mal: Das ist ja schön, aber so geht es nicht?
Ich glaube, es ist wichtig, sich bei der Entwurfsarbeit frei davon zu machen, was theoretisch geht oder nicht geht. Aber klar, das Erste, das ich mache, ist, mir die Bühnenpläne anzugucken, mal hinzufahren, mit den Leuten zu sprechen. Meist findet sich dann ein Weg, die Idee mit den technischen Möglichkeiten, die ich habe, auf die Kernaussage zu reduzieren.
Aber das letzte Wort hat die Regie?
Genau, aber im Idealfall läuft es natürlich so, dass man die Leute um sich herum ins Boot holt und von der eigenen Idee überzeugt, sodass alle Lust haben, sich zu beteiligen und eigene Ideen einzubringen.
Wie lange dauert es, bis ein Bühnenbild wie das zu "Franziska" fertig gestellt ist?
Die gedankliche Arbeit geht schon etwa ein Jahr vor der Premiere los. Zuerst mache ich einen Entwurf und baue ein Modell. Die Abgabe dafür ist meist vier bis sechs Monate vor Probenbeginn. Dann können das Theater und die Werkstätten mit dem Bau des Bühnenbilds beginnen. Jetzt, kurz vor der Premiere sind wir jeden Tag zwölf bis 13 Stunden im Theater. Alles wird extrem präzise geplant, damit am Ende der Ablauf reibungslos funktionieren kann.
Die Fragen stellte Simon Wilke.