Der Ball der Semperoper in Dresden fällt auch im Januar 2022 aus – erneut wegen Corona. Doch das schreckt Hans-Joachim Frey nicht. Er schaut schon weiter und sowieso in die Weite: Am 14. März möchte er den „1. Dresdner Opernball in den Vereinigten Arabischen Emiraten“ stattfinden lassen, im neu erbauten Opernhaus in Dubai. Mit dabei unter anderem Startenor Placido Domingo. Frey wird dazu in der "Bild"-Zeitung folgendermaßen zitiert: "Kultur verbindet und baut Brücken für Dialoge".
Der Skandal um den Ball 2020, an dem Frey maßgeblich beteiligt war? Offenbar vergeben, wenn auch vielleicht nicht so ganz vergessen in der Elbmetropole. Dabei hatte die glamouröse Veranstaltung, die Frey 2006 als Direktor der Staatsoper wieder eingeführt hatte, massiv Schaden erlitten. Frey war mit einer Delegation nach Kairo gereist, um Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi persönlich den zum Ball gehörenden Orden umzuhängen. Peinlich: al-Sisi, den Frey einen "Friedensstifter" und "Mutmacher" nannte, wurde von Menschenrechtsorganisationen und Regierungen vorgeworfen, Oppositionelle in seinen Gefängnissen foltern zu lassen.
Nach neun Tagen mit enorm viel Wirbel, Opernball-Absagen von Peter Maffay, Roland Kaiser, Judith Rakers oder Dietmar Hopp ruderte Frey zurück. Der Orden wurde wieder eingesammelt und der Ball-Chef erklärte, er habe, "Kulturbrücken bauen wollen". Die führen gerne mal in vermintes Gelände. Schon elf Jahre zuvor hatte es einen Eklat gegeben. 2009 hatte Frey dem russischen Staatschef Wladimir Putin den Orden überreicht, für seinen "Kampf für das Gute". Kurz zuvor hatte Putin Europa den Gashahn zugedreht.
Musical und Seebühne
In Bremen hat Hans-Joachim Frey zwar keine Orden ausgegeben, aber viel mehr Geld, als er sollte. Er folgte 2007 am Goetheplatz als Intendant auf Klaus Pierwoß, der Schulden in Höhe von 400.000 Euro hinterlassen hatte. Am Ende der Ära Frey, die bis Oktober 2010 währte, waren am Theater Bremen 5,2 Millionen Euro aufgelaufen. Das Debakel um das Musical "Marie Antoinette" trug dazu bei, auch die damalige Seebühne an der Waterfront. Wagners "Fliegender Holländer", Verdis "Aida" und Puccinis "Turandot" wurden auf der schwimmenden Bühne gezeigt.
Große Oper, gute Kritiken, am Anfang auch viele Zuschauer. Frey sprach davon, Kultur als Ereignis zu zelebrieren, verloren gegangenes Publikum so wieder zurückgewinnen zu wollen. "In der Welt von heute wird Kultur nicht mehr genügend wahrgenommen, wenn man sich dezent zurückhält", sagte er im WESER-KURIER-Interview. Doch das Musical zog nicht so viele Zuschauer an wie erhofft, die Seebühne verlor an Strahlkraft, die Kalkulation kippelte. Die Stadt strich schließlich die Zuschüsse.
Da war Hans-Joachim Frey schon nicht mehr Intendant. Mitte August 2009 erklärte er seinen Rücktritt, sein Vertrag wurde ein Jahr später aufgelöst. Er beklagte, er habe "anscheinend nicht ins System gepasst", gab der Kulturbehörde und deren angeblich mangelhafter Finanzaufsicht eine Mitschuld an seinem Scheitern – und zog weiter.
Frey war seither Geschäftsführer einer Firma für internationale Kulturprojekte in Berlin, beriet eine Künstleragentur, leitete vier Jahre lang im österreichischen Linz das Brucknerhaus und jedes Jahr den Opernball in Dresden. Außerdem ist er immer wieder am Bolschoi-Theater in Moskau engagiert, aktuell als Berater des Generaldirektors. Sein guter Draht zu Präsident Putin dürfte dabei nicht geschadet haben. 2018 schrieb Hans-Joachim Frey ein Buch mit dem Titel "Russland lieben lernen. Einblicke in eine Welt-Kulturnation" und leitete im selben Jahr das Kultur- und Festivalzentrum in Sotschi. Seit Ende September 2021 besitzt er die russische Staatsbürgerschaft.