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Messe Bremen Kulturgeschichte auf vier Rädern

Bei der Classic Motorshow treffen Kindheitserinnerungen, Schrauber-Knowhow und Teilehändler aufeinander. Neben vielen automobilen Raritäten gibt es auch Zweiräder mit und ohne Motor zu bestaunen.
01.02.2020, 18:49 Uhr
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Kulturgeschichte auf vier Rädern
Von Timo Thalmann

Schon ab 20 Euro erfüllen die Anbieter der Classic Motorshow auf der Bremer Messe die Oldtimerträume ihrer Kundschaft. Ob Käfer, Ford Transit aus den 1970er Jahren oder der klassische T1 VW Bully. Es ist alles für kleines Geld zu haben. Die Hersteller heißen dann allerdings Siku, Minichamps oder Wiking und die Gefährte können als Modellautos auf dem Schreibtisch geparkt werden. Fast in allen Hallen stehen die Anbieter der Miniaturausgaben und haben kaum weniger Andrang, als die Messestände mit ihren großen Brüdern.

Wer tatsächlich einsteigen und losfahren will, muss allerdings etwas tiefer ins Portemonnaie greifen. Es muss ja nicht gleich ein BMW 507 aus den 1950er Jahren sein, für den bei gutem Fahrzeugzustand heute siebenstellige Beträge hingeblättert werden. Ein Fiat 500 von 1965 zum Beispiel ist bereits für weniger als 10.000 Euro zu haben. Solche Angebote stehen im Parkhaus der Messe, dass für die Dauer der Classic Motorshow zur Fahrzeugbörse umfunktioniert wurde.

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Massen von Besuchern schieben sich über das Treppenhaus von Halle vier zu diesem speziellen Fahrzeugmarkt. Die meisten sind jenseits der 55, männlich und tauchen dort vor den Fahrzeugen in ihre Kindheitserinnerungen ein. „So einen hat mein Vater gefahren“ ist ein oft zu hörender Satz. „Damit sind wir damals bis nach Italien gefahren, mit fünf Leuten“, zeigt ein graumelierter Bartträger auf einen Käfer aus den 1960 Jahren, der hier einen neuen Liebhaber sucht. Bei den Anbietern vermischen sich professionelle Händler und private Besitzer. Der Verkäufer eines Ford Taunus von 1956 hat seine Handynummer hinter der Windschutzscheibe hinterlassen. „Bin auf der Messe unterwegs“, erklärt ein Schild die Abwesenheit. Die echten Fans bevölkern dabei vor allem die Halle 7 und eine eigens errichtetes zusätzliche Zelthalle. Hier sind die Teilehändler, die vielleicht genau die Tachowelle da haben, die der versierte Schrauber seit Monaten sucht.

In den übrigen Hallen sind vor allem automobile Schätze aus über einen Jahrhundert zu besichtigen. Zahlreiche Ausstellungsstücke stehen dabei nicht zum Verkauf. Etwa ein Adler Favorit 8/35 von 1929 (Bild unten links). Das gezeigte Modell war seinerzeit als Taxi in Berlin unterwegs. Jetzt macht es in Bremen Reklame für den PS-Speicher, ein von einem privaten Sammler gestiftetes Automobilmuseum in Einbeck, südlich von Hannover. Auch die Classic Motorshow wird von privaten Eigentümern als Bühne genutzt, um ihre Lieblinge zu präsentieren. Vielfach haben sie sich in Clubs zusammen getan, um ihre speziellen Steckenpferde zu pflegen. Da geht es mal um einzelne Kultobjekte wie die BMW-Isetta oder den Messerschmitt-Kabinenroller, mal um spezielle Zeitabschnitte oder längst verschwundene Hersteller.

Wankelmotor setzte sich in der Geschichte nicht durch

Der NSU-Wankel-Spider-Club bedient gleich drei Nischen: Eine untergegangene Marke, ein besonderes Modell und dann auch noch eine spezielle Antriebstechnik. Der Kreiskolbenmotor von Felix Wankel, der von 1969 bis 1976 im NSU-Modell Ro 80 seine bekannteste Verwendung fand. „Das Modell war damals seiner Zeit weit voraus“, schwärmt Uwe Vanester vom Verein NSU-Prinz. „Servolenkung, Bremskraftverstärker, das keilförmige, aerodynamische Design“, preist der bekennende Fan das ausgestellte Modell an, wie vermutlich seinerzeit ein Verkäufer. „Tizianbraun“, schiebt er noch erklärend die Farbe nach. Zur Automobilgeschichte gehört allerdings auch der Umstand, dass sich der Wankelmotor nicht durchgesetzt hat. Die Konstruktion erwies sich als zu fehleranfällig. „Der Motor wurde ja quasi auf der Straße bei den Kunden entwickelt“, erklärt Vanester.

Um fehleranfällige Konstruktionen geht es auch bei Dirk Klöß. Der studierte Elektrotechniker gilt als Experte in Sachen VW-Bus und weil seit Anfang dieses Jahres auch das Modell T4 den Status des Oldtimers erreicht hat, bietet er auf der Messe wiederholt Workshops zu den Schwachstellen des Modells an. „Der T4 ist bei den 25 bis 35-Jährigen aktuell sehr gefragt“, erklärt er das Angebot. Das Gefährt gilt beim Nachwuchs der Oldtimer-Szene als erschwinglich und nützlich zugleich, aber es hat seine Tücken. Um die zu demonstrieren, hat Klöß einen T4 auf eine Hebebühne verfrachtet. Der VW-Bus kann nun bequem von unten in Augenschein genommen werden und der Kenner demonstriert, wo sich die typischen Schwachstellen finden und warum das Auto die Angewohnheit hat, von innen nach außen zu rosten. Nützlicher Nebeneffekt: Der vielfach nachgefragte Stand ist mit dem oben thronenden VW Bully inmitten der Halle 4 nun weithin sichtbar.

Helge Thomsen ging es ums Lebensgefühl

Weniger um die Technik als vielmehr ums Lebensgefühl geht es bei Helge Thomsen. Den Mann kennen viele Besucher aus dem Fernsehen als Moderator von „Grip – Das Motormagazin“. Auf seiner Ausstellungsfläche werden darum nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch er selbst gerne abgelichtet. „Surfcars“ ist das Thema der Fläche, die er im Auftrag der Messegesellschaft gestaltet hat. Es gibt amerikanische Straßenkreuzer, Pickups, Jeeps, Surfbretter, Liegestühle und Musik von den Beach Boys. Das alles ist kennerhaft kuratiert, denn Thomsen befasst sich in Zeitschriften und Büchern schon seit Jahren mit den Subkulturen und popkulturellen Aspekten des Automobils. Einmal mehr wird deutlich: Die Classic Motorshow ist keine Fahrzeugausstellung, sondern sie kultiviert ein Stück Kulturgeschichte.

Weitere Informationen

Die Classic Motorshow ist am Sonntag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Joey Kelly gibt am ersten Tourbus der Kelly-Family von 12 bis 14 Uhr eine Autogrammstunde in Halle 5.

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