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Raubüberfall auf zwei Seniorinnen Landgericht Bremen verurteilt 64-Jährigen zu sieben Jahren und acht Monaten Haft

Nach 68 Verhandlungstagen hat das Landgericht Bremen am Dienstag einen 64-Jährigen für schuldig befunden, zwei Seniorinnen überfallen und gefährlich verletzt zu haben. Rechtskraft hat das Urteil noch nicht.
04.02.2020, 09:28 Uhr
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Von Ralf Michel

Es war ein äußerst zäher Prozess am Landgericht Bremen – 68 Verhandlungstage seit Mai 2018. Ein mühsames Zusammenklauben von Indizien, endlose Zeugenbefragungen, immer neue Ermittlungsansätze und Beweisanträge. Doch am Ende hatte das Gericht keine Zweifel: Es war der Angeklagte, der rücksichtslos und brutal zwei alte Frauen überfallen hat. Versuchter schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung – sieben Jahre und acht Monate soll er dafür ins Gefängnis. Rechtskraft hat das Urteil noch nicht. Es darf als sicher gelten, dass die Verteidigung es anfechten wird. Der Anwalt des heute 64-Jährigen hatte auf Freispruch plädiert.

Im Januar 2016 lauerte der Täter einer 90-Jährigen nach ihrem Einkauf auf. Er drängte sie in die Wohnung, als sie ihre Haustür aufschloss, fesselte sie mit Klebeband an einen Sessel und forderte von ihr Bargeld und EC-Karte. Letztlich beließ er es dabei, die Wohnung nach Bargeld zu durchsuchen, und verschwand wieder. Ob er tatsächlich Geld oder etwas Anderes erbeutete, konnte das Gericht ebenso wenig herausfinden wie im zweiten Fall. Deshalb nur eine Verurteilung wegen "versuchten" schweren Raubes.

Opfer wehrte sich

Die zweite Tat ereignete sich im November 2017 nach demselben Muster. Wieder wurde das Opfer, diesmal eine 92-Jährige, in die Wohnung gedrängt und in einen Sessel gedrückt. Mit vorgehaltener Pistole forderte der Täter Bargeld und EC-Karte. Doch die 92-Jährige wehrte sich und begann zu schreien. Daraufhin schlug der Mann der alten Frau mehrfach so heftig gegen den Kopf, dass sie aus dem Sessel fiel. Anschließend presste er ihr erst ein Tuch dann ein Kissen auf den Mund. Sie habe kaum noch Luft bekommen und Todesängste ausgestanden, berichtete die Seniorin als Zeugin vor Gericht.

Eine genaue Personenbeschreibung konnten beide Opfer nicht geben. Zu groß waren Schock und Angst, um sich das Aussehen des Täters merken zu können. Zumindest aber schlossen laut Gericht die wenigen Angaben, die beide Frauen machten, den Angeklagten nicht als Täter aus.

Überführt wurde der 64-Jährige letztlich durch DNA-Spuren: Auf dem Klebeband, mit dem die 90-Jährige gefesselt worden war, und auf der Oberbekleidung der 92-Jährigen. Und über das Auslesen diverser Kurzmeldungen und Whatsapp-Nachrichten aus seinem Mobiltelefon. Nun sei eine DNA-Spur nicht automatisch der Beweis dafür, dass deren Verursacher ein Verbrechen begangen haben, betonte der Vorsitzende Richter Thorsten Prange während der Urteilsbegründung. Ebenso wenig wie verdächtig klingende Kurzmitteilungen. Doch ausgerechnet der Versuch des Angeklagten, hierfür Erklärungen zu finden, überzeugte das Gericht von seiner Schuld.

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Der Angeklagte bezeichnete die 90-Jährige als gute Bekannte. Er habe häufig mit ihr vor seinem Arbeitsplatz, einem Sex-Shop, gesessen und geklönt. Zudem sei er mehrfach bei ihr in der Wohnung gewesen, um Einkäufe dort hinzubringen oder einmal auch, um Gardinen aufzuhängen.

Was allerdings kein einziger wirklicher Bekannter der alten Frau bestätigte, und auch nicht die anderen vor Gericht gehörten Zeugen. Im Gegenteil: Der Besitzer des Sex-Shops berichtete zum Beispiel davon, dass die Seniorin um seinen Laden immer extra einen Bogen gemacht habe, weil sie ihn nicht ausstehen konnte. Die Version des Angeklagten von dessen näherer Bekanntschaft zu der Seniorin stützten allein seine Ehefrau und deren gute Freundin. Das taten sie so vehement und so auffallend um Übereinstimmung bemüht, dass das Gericht von einer abgesprochenen Aussage ausging. Kurzum: Die Richter hielten die Erklärung des Angeklagten für seine DNA-Spur in ihrer Wohnung für widerlegt. "Sie wussten von ihrer Demenz-Krankheit und hielten die alte Frau für ein leichtes und lohnendes Opfer."

Botschaften an seine Frau unglaubwürdig

Als ähnlich unglaubwürdig stufte das Gericht im zweiten Fall die Erklärung des Mannes für eine Reihe verdächtiger Botschaften ein, die er seiner Frau geschickt hatte. "Muss Geld beschaffen, egal wie", hatte er ihr kurz vor dem Überfall auf die 92-Jährige geschrieben. Und 45 Minuten nach der Tat erst "Kannst du mich mal schnell anrufen", dann "Ist ganz wichtig", schließlich "Ich habe Mist gebaut". Dazu kamen innerhalb kürzester Zeit neun vergebliche Versuche, seine Frau anzurufen.

Als Begründung hierfür erklärte der Angeklagte, dass es um 100 Euro gegangen sei, die er seinem Vermieter geschuldet habe. Geld, das er sich schließlich von einer inzwischen verstorbenen wohlhabenden Nachbarin geliehen haben wollte, mit der er eng befreundet gewesen sei. Doch auch diese Geschichte wurde von zahlreichen anderen Zeugenaussagen durchlöchert oder vom Gericht selbst widerlegt. Auch für seine "ziemlich gute" DNA-Spur auf der Jacke der 92-Jährigen gab es für die Richter nur eine einzige plausible Erklärung: Er war zur Tatzeit am Tatort.

Dass der Angeklagte letztlich nicht zu den zehn Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde, die die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, begründete der Vorsitzende Richter damit, dass nicht in allen Facetten der Taten ausgeschlossen werden konnte, dass ein minder schwerer Fall vorliegt. Negativ ins Gewicht fiel dagegen die kriminelle Vorgeschichte des Angeklagten, darunter ein Mord für den er 15 Jahre im Gefängnis gesessen hatte.

+++Dieser Artikel wurde um 21.26 Uhr aktualisiert+++

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