Pornografie ist für viele Männer der schnelle Kick zum Glück. Im Internet findet man jederzeit massenhaft Seiten mit sexuellen Inhalten. Nicht selten wird der Konsum zur Sucht. Die körperliche Befriedigung dient dabei oft der Kompensation realer Probleme. Pornosucht kann zu ernsthaften Störungen führen und partnerschaftliche Beziehungen schwer belasten, warnen Psychotherapeuten. Eine neue, angeleitete Männergruppe in Bremen soll Betroffenen helfen.
Noch nie war es so leicht, an Pornografie zu gelangen, wie heute. Mehr als zwei Drittel der deutschen Haushalte nutzen mittlerweile Breitband-Internet, so die Bundesnetzagentur. Pornografische Bilder und Filme, die dort in einer Überfülle kostenlos zur Verfügung stehen, können somit massenhaft und jederzeit konsumiert werden. Altershürden sind zudem kinderleicht zu umgehen. Das bringt ein neues gesellschaftliches Problem mit sich: Pornosucht.

Paul Ewert ist systemischer Therapeut.
Um „Liebe, Lust und Leid mit Pornos“ geht es von diesem Donnerstag an jede Woche in einer angeleiteten Männergruppe der Beratungsorganisation Pro Familia in Bremen. Als „bundesweit einmalig“ bezeichnet Gruppenleiter Paul Ewert das Angebot. Denn es sei weder religiös motiviert noch eine reine Selbsthilfegruppe mit strengen Regeln wie die der Anonymen Sexsüchtigen, so der systemische Psychotherapeut. „Mit der Gruppe wollen wir betroffene Männer bei der Lösung ihrer Probleme professionell unterstützen, ohne dass sie gleich eine Einzeltherapie beginnen müssen“, sagt Ewert. Die Gruppe sei offen; nach anonymer Anmeldung könne man jederzeit dazustoßen.
Ihn verfolgte die Gier nach Sex
Einer, der an der Gruppe teilnehmen will, ist Markus Kleinschmidt*. Der 35-Jährige aus dem Umland bezeichnet sich als pornosüchtig – zumindest als noch gefährdet. Erst in der Einzeltherapie bei Paul Ewert habe er das Problem in den Griff bekommen und die Ursachen verstanden, sagt er. „Es begann vor zehn Jahren, unbemerkt und schleichend“, erinnert sich Kleinschmidt. Mit Mitte 20 hätten ihn berufliche Probleme geplagt. Er wurde gekündigt, musste sich umorientieren. „Als dann mal wieder eine Beziehung mit einer Frau in die Brüche ging, suchte ich mir immer öfter sexuelle Befriedigung über das Internet.“
Vor vier Jahren lernte Kleinschmidt wieder eine Frau kennen, noch heute lebt er mit ihr zusammen. „Ich schaute mir ständig Pornos an, meist heimlich, selbst wenn meine Freundin im selben Raum war“, sagt er. Zum Onanieren verschwand er dann in ein anderes Zimmer. Die Gier nach Sex habe ihn ständig verfolgt. „Es war mir nicht mehr möglich, ohne schmutzige Gedanken eine Frau anzuschauen.“ Irgendwann äußerte seine Partnerin immer öfter ihren Unmut. Sie fühlte sich vernachlässigt – zeitlich und sexuell. Es krachte in der Beziehung. Gedrängt von seiner Partnerin begann Kleinschmidt schließlich eine Therapie. Seitdem arbeitet er verborgene Probleme auf und kontrolliert mit einigen Tricks des Therapeuten seine Triebe.
„Pornografie gibt schnell, selbstbestimmt und jederzeit wiederholbar die Möglichkeit, sich über den Orgasmus und die damit verbundene Hormonausschüttung gute Gefühle zu verschaffen“, erklärt Paul Ewert die Gefahr der virtuellen Verlockung. Oft merke man nicht, dass man dabei auf Dauer immer einsamer werde. „Man entfernt sich immer mehr von echten Dingen, die einem guttun: vom Zuspruch des Partners oder der Freunde.“
Als besonders problematisch bezeichnet Ewert den veränderten Pornografie-Konsum von Jugendlichen. In den vergangenen Jahren arbeitete er in einer Schule im Bremer Umland mit Hunderten Jungen zusammen. Seiner Erfahrung nach sei durch Internet-Flatrates für Smartphones das Einstiegsalter zu Pornografie erheblich gesunken: auf zehn und weniger Jahre, so der Therapeut. „Viele Jugendliche orientieren sich an den Pornos und halten sie für Realität.“ Das führe zu einer massiven Irritation der eigenen sexuellen Entwicklung, so Ewert.
Markus Kleinschmidt habe die Einzeltherapie bereits geholfen, sagt er. Trotzdem sei er gespannt auf die neue Gruppe. „Es wird mir guttun, zu sehen, dass ich nicht der einzige bin mit dem Problem.“
*Name redaktionell geändert.
Die Männergruppe zur Pornosucht findet bei Pro Familia in der Hollerallee 24 donnerstags von 19.30 bis 21.30 Uhr statt. Anmeldung erforderlich (auch anonym möglich) unter Telefon 0421/340 60 30. Der erste Abend kostet 25 Euro, zehn weitere 350 Euro, ermäßigt 250 Euro.