Während des Zweiten Weltkriegs boten sie den Menschen Zuflucht vor Bom-benangriffen, heute sind Bunker zu begehr-ten Wohn-Objekten geworden. Doch oft geht der Umbau nicht friedlich vonstatten. Anders in der Hastedter Fliederstraße. Hier verwirklicht ein Bauherr seinen langgeheg-ten Traum und realisiert auf dem Dach des 1942 erbauten Hochbunkers eine Wohnung mit besonderem Flair und Aussicht. Die Resonanz der Nachbarn ist durchweg positiv. Sie folgten der Einladung und kamen zahlreich zum Richtfest, um einen Blick auf das Projekt und von der zukünftigen Dachterrasse zu werfen.
Noch braucht es ein wenig Vorstellungs-kraft, wenn Benedikt Gündel durch seine Wohnung führt. Bis August hofft er, einziehen zu können – auch wenn längst noch nicht alles fertig sein wird. Knapp zwei Jahre Planung, Genehmigungsverfahren und Bauzeit liegen dann hinter ihm. „Im Dezember 2013 habe ich den Bunker per Gebot gekauft“, erzählt der gebürtige Berliner, der vor zwölf Jahren nach Bremen zog. „Ich wusste zwar, dass eine Menge Arbeit auf mich zukommt, aber ich hätte mir doch weniger Stolpersteine seitens der Bürokratie gewünscht.“
Fast ein Jahr hat die Genehmigung seines Bauvorhabens gedauert. Dabei habe er nichts Außergewöhnliches geplant. Das Satteldach aus Stahlbeton sollte abgetragen werden und an seiner Stelle die neue Dachwohnung entstehen. „Ein Abriss war von Anfang an keine Option“, sagt der 36-Jährige. „Innen sollte der Bunker entkernt und danach weiter als Proberaum an Mu-sikbands vermietet werden.“ Doch im Ge-gensatz zum Senator für Kultur, der bis zum Verkauf als Vermieter der Proberäume fungierte, galten für den neuen Besitzer andere Vorschriften. Brandschutz, Flucht- und Rettungswege und andere Maßnahmen mussten nun den aktuellen Vorgaben entsprechen.
Noch mehr Zeit musste Benedikt Gündel in die Planung seiner Wohnung hoch oben auf dem Bunker investieren. „Plötzlich hieß es, das Gebäude sei zu groß für das Grundstück und ich dürfte deshalb nicht die ganze Dachfläche bebauen. Nach Rücksprache mit einem Anwalt habe ich mit den Nachbarn gesprochen und ihre Einverständniserklärung eingeholt, dass ich so nah an ihr Grundstück ranbauen dürfte.“ Das, sagt der Bauherr schmunzelnd, sei gar nicht mal so einfach gewesen, den Nachbarn zu vermitteln, dass ich nichts anderes plane, als jetzt schon da steht.
Im Januar 2015 konnte ein Abbruchunternehmen dann endlich damit beginnen, das Dach abzutragen. Anschließend wurden die Rettungswege aus den dicken Betonwänden herausgeschnitten und Schritt für Schritt ging es weiter. Zehn Tage vermehrter Lärm, der von den Nachbarn in Kauf genommen wurde – und der sich auch für sie gelohnt hat. „Es ist schön, dass hier endlich was passiert ist“, sagen Elke Seghorn und Hans-Dieter Lappenberg, die gleich gegenüber wohnen und die neue Dachebene richtig prima finden. „Das Grundstück ist über die Jahre schon ein bisschen verwildert, jetzt kümmert sich jemand darum.“
Das sieht Wolfgang Derr aus der Holunderstraße ähnlich. Der Bunker sei immer mehr zu einem Schandfleck geworden und das Grundstück zusehends vermüllt. „Nun kommt wieder Leben ins alte Bauwerk“, freut er sich, „und die Altlast wird einer friedlichen Nutzung zugeführt.“ Auch Bür-gerschaftspräsident und Hastedter Christian Weber gehört zu den Gratulanten und bewundert den Mut des Bauherrn: „Der Bunker ist kein schöner Anblick gewesen, jetzt ist daraus attraktiver Wohnraum entstanden.“
Dem tristen Betonkoloss neues Leben einzuhauchen, das war auch Benedikt Gündels Wunsch. „Ich habe früher immer von einer Fabriketage geträumt“, erzählt er. „Vor einigen Jahren bin ich dann auf den Bunker gekommen, und der Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen.“ Gereizt habe ihn vor allem, persönliche Ideen mit einfließen lassen zu können und seinen ganz eigenen Grundriss zu gestalten. Er wollte zum einen den speziellen Charakter des Gebäudes bewahren und zum anderen verschiedene Materialien wie Beton, Stahl und Holz miteinander verbinden.
Mit dem Ergebnis hat er auch seine Mutter Susanne-Katrin Hübner beeindruckt, die extra aus Berlin zum Richtfest anreiste. Als sie dem Bunker das erste Mal gegenüberstand, habe sie noch gemischte Gefühle gehabt. Doch jetzt sei sie richtig stolz auf das, was ihr Sohn geschafft habe. Der würde trotz aller stressigen Momente und Phasen alles genau so wieder machen. „Ich habe unheimlich viel Unterstützung von meinen Freunden und meiner Familie bekommen. Irgendjemand kam immer vorbei, um mir auf der Baustelle zu helfen.“
Auch über das Interesse der Nachbarn habe er sich sehr gefreut, darunter Jörg Langkowski vom Nachbarschaftsverein Hastedt. „Jörg hatte immer eine Empfeh-lung parat, wenn ich einen Handwerker brauchte. Oder er hat mir beim Bauamt zur Seite gestanden, als ich auf meinem mit Betonplatten befestigten Grundstück drei Parkplätze installieren wollte. Der Antrag wurde abgewiesen mit der Begründung, in der Fliederstraße gäbe es nur Vorgärten, und eine Sondergenehmigung für Parkplätze sei deshalb nicht möglich. Ich habe dann dem Bauamt mitgeteilt, dass die Dachdeckerfirma von Jörg Langkowski gegenüber ebensolche asphaltierten Parkplätze habe. Daraufhin hat man mir eröffnet, dass diese illegal seien. Jörg war total verärgert und hat mir seinen Bauantrag gegeben, damit sich das Bauamt selbst von der Legalität seiner Parkplätze überzeugen konnte.“ Das Ende vom Lied: Eine Entschuldigung gab es nicht, nur die lapidare Antwort, man habe wohl damals einen Fehler gemacht und den würde man nicht wiederholen.
Jörg Langkowski kann selbst nicht glauben, welche Hürden das Bauamt einem motivierten Bauherrn in den Weg legt. Er weiß, dass die Nachbarschaft der neuen Nutzung sehr positiv gegenübersteht. „Die freuen sich alle, dass Straße und Stadtteil aufgewertet werden. Schön, dass der Betonklotz ein neues Image bekommt.“