Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bildungspolitik Bayern will Lehrer aus anderen Ländern anwerben – Kritik aus Bremen

Beim Kampf um Lehrkräfte beginnt das Hauen und Stechen: Bayern will jetzt Pädagogen aus anderen Bundesländern abwerben. Die CDU fordert eine Initiative von Bildungssenatorin Aulepp.
23.01.2023, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bayern will Lehrer aus anderen Ländern anwerben – Kritik aus Bremen
Von Frank Hethey

Beim Ringen um die Mangelware Lehrkräfte wird der Ton rauer: Bayern will künftig Pädagogen aus anderen Bundesländern abwerben. Finanzielle Anreize, Umzugshilfen und die Aussicht auf wohnortnahen Einsatz sollen Lehrkräfte im Dienst und Uni-Absolventen in den Freistaat locken. In Bremen kann sich einzig die FDP ähnliche Methoden vorstellen. Auf eine länderübergreifende Problemlösung setzen die CDU und die Bildungsgewerkschaft GEW. Unterdessen kritisiert Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) die "bayrische Ellbogenmentalität". Den Stadtstaat sieht Aulepp gut aufgestellt bei der Suche nach Lehrkräften.

Bislang gab es unter den Ländern ein Übereinkommen, auf das Instrument von Lehrerabwerbungen zu verzichten. In der Stralsunder Erklärung von 2009 bekannten sich die Ländern bei der Lehrerrekrutierung zu einem fairen Wettbewerb. Doch mit diesem Burgfrieden ist es nun offenbar vorbei. "Wir haben einen Wettbewerbsföderalismus, hinter dem stehe ich", zitiert die "Süddeutsche" den bayrischen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Die absehbare Empörung im Rest der Republik bereitet ihm keine Sorgen. Kritische Bemerkungen in der Kultusministerkonferenz (KMK) werde er aushalten, sagt Piazolo. Die Abwerbe-Offensive soll dazu beitragen, insgesamt 6000 neue Stellen zu besetzen. 

Lesen Sie auch

Die FDP sieht Bremen in Zugzwang. Der bildungspolitische Sprecher Hauke Hilz warnt davor, auf ein gemeinsames Handeln aller Länder zu warten. "Der Druck wird größer", sagt Hilz mit Blick auf die rund 100 unbesetzten Lehrerstellen in Bremen. "Aus unserer Sicht müssen wir da auch was machen." Hilz will konsequent gegensteuern, alle Alternativen sollen ausgelotet werden. "Wir müssen gucken, was möglich ist." Mehr Geld für verbeamtete und angestellte Lehrkräfte ist in seinen Augen eine denkbare Option.  

Genau davor warnt die CDU. Erhöhe ein Land die Gehälter und zögen andere Länder nach, sei gar nichts gewonnen, sagt Bildungspolitikerin Yvonne Averwerser. "Das bringt uns in Deutschland kein Stück weiter. Dann befinden sich nur alle Gehälter auf einem höheren Niveau." Der Vorstoß Bayerns führe lediglich zu mehr Wettbewerb zwischen den Ländern. "Das Ergebnis: eine Sogwirkung, bei der nur finanziell gut aufgestellte Bundesländer mithalten können." Erforderlich seien nicht Alleingänge, sondern gemeinschaftliche Anstrengungen. "Es kann nicht die Lösung sein, sich so zu verhalten wie jetzt Bayern." 

Lesen Sie auch

In seltener Einmütigkeit mit der CDU kritisiert GEW-Landesvorstandssprecherin Elke Suhr das "unsolidarische Verhalten" Bayerns. Der Fachkräftemangel sei ein bundesweites Problem, das einer gemeinsamen Lösung bedürfe. Die KMK sei gefordert, eine bundesweite Initiative auf den Weg zu bringen. "Alle Länder müssen sich zusammensetzen, um für eine grundständige Ausbildung zu sorgen" – also einen ersten Hochschulabschluss. In Gestalt der bayerischen Abwerbe-Offensive wiederhole sich, was leider auch im Kleinen geschehe. "In Bremen werben die Schulen untereinander Lehrkräfte ab." Genauso, wie die Stadt Bremen um neue Lehrkräfte auf Kosten Bremerhavens buhle.

Derweil verweist Senatorin Aulepp auf attraktive Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte im Stadtstaat. "Wir in Bremen machen da viel. Mit der Erhöhung auf A 13 an allen Schulen und mit Wohnortnähe punkten wir schon lange." Im Vergleich mit Bayern bilde Bremen doppelt so viele Lehrkräfte pro Einwohner aus. Weitere Impulse verspricht sich Aulepp vom neu aufgelegten Programm "back to school" für Masterabsolventen. Die ersten zusätzlichen Kolleginnen und Kollegen kämen im März an die Bremer Schulen.   

Lesen Sie auch

Das allein reicht der CDU nicht aus. Aulepp müsse in der KMK für ein gemeinsames Vorgehen aller Länder werben, fordert Averwerser. "Da darf sie sich von Bayern nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, da hat sie eine Aufgabe." In ihren Augen wäre es am besten, wenn die Länder die Lehrerausbildung zusammen angehen und Aufgaben verteilen. "Die Frage muss lauten: Wer kann was am besten ausbilden." Kirchturmpolitik helfe nicht mehr weiter. "Einige Bundesländer haben nicht verstanden, dass diese Zeit vorbei ist", sagt Averwerser. "Wir müssen mehr zusammenarbeiten."

Schon länger versuchen einzelne Länder, mit Werbekampagnen neue Lehrkräfte zu gewinnen. Auch die Stadt Bremerhaven beschreitet diesen Weg. Im vergangenen Frühjahr startete die Seestadt eine Kampagne in sozialen Netzwerken wie auch mithilfe von Imagefilmen und Plakaten in ausgewählten norddeutschen Städten. Solch offensive Maßnahmen befürwortet FDP-Bildungsexperte Hilz ebenfalls für die Stadt Bremen. "Man muss die Aufmerksamkeit auf sich lenken", sagt Hilz.  

Zur Startseite
Mehr zum Thema
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)