In Dänemark gibt es das Konzept schon seit zehn Jahren, für die Bremer wird es ganz neu sein: Eine Bücherei, die die Mitglieder immer nutzen können, sogar wenn kein Personal da ist. Nach Feierabend noch schnell ein Kochbuch ausleihen oder eine Runde I-Pad in der Medienecke spielen – für die Menschen in der Vahr soll das schon in diesem Jahr möglich sein. Vorausgesetzt die Politik bewilligt Ende Januar Sondermittel.
In den vergangenen Wochen sind Lucia Werder, bibliothekarische Direktorin der Stadtbibliothek Bremen, und weitere Mitarbeiter der Bücherei quer durch Deutschland gereist. Sie haben sich angeguckt, wie andere Bibliotheken das Konzept Open Library umgesetzt haben.
In Deutschland hat die Bücherhalle Hamburg-Finkenwerder 2014 als erste Bibliothek des Landes den Besuchern den Schlüssel zum Buch überlassen. Seitdem hat das Konzept Nachahmer gefunden. Inzwischen gibt es die Open Library auch in Norderstedt, Bielefeld und seit September 2017 in Hannover-List.
Wie stark die Öffnungszeiten in der Bremer Stadtteilbibliothek Vahr ausgeweitet werden, ist noch offen. „Bielefeld hat seit Ende vergangenen Jahres auch an Sonntagen Open Library realisiert. Aber das war etwas, an das sich alle rangetastet haben“, berichtet Lucia Werder. Überlegt wird, die Öffnungszeiten zunächst um einige Stunden zu verlängern – bis 19 oder 20 Uhr. Den Nutzern Bücher, DVDs, CDs, I-Pads und Computer ohne Aufsicht zu überlassen, das sei klar eine Vertrauensfrage. Immerhin zählte die Stadtbibliothek Bremen im Jahr 2017 insgesamt 1 082 547 Besuche.
Gespräche mit der Polizei zur Gefährdungsbeurteilung der Standorte haben bereits stattgefunden. Zunächst sei nur geplant, die beiden größten Zweigstellen Vahr und Vegesack zu Open Librarys zu machen. „Die räumlichen Voraussetzungen sind gut, und die Standorte sind zentral“, sagt Lucia Werder. Die Stadtteilbibliothek in der Vahr biete darüber hinaus den Vorteil, dass sie im Einkaufszentrum Berliner Freiheit liegt und es dort bereits einen Sicherheitsdienst gebe.
Keine Angst vor Vandalismus
Dass etwas gestohlen werden oder es zu Vandalismus kommen könnte, halten die Befürworter des Modells für unwahrscheinlich: „Alle Bibliotheken, die Open Library ausprobiert haben, sagen, Vandalismus kommt nicht vor. Die Besucher fühlen sich für ihre Bibliothek mitverantwortlich“, berichtet Martin Renz, Leiter der Stadtteilbibliothek Vegesack. Die Bücherei den Kunden zu überlassen, hält er für ein zukunftsträchtiges Modell: „Vor dem Hintergrund der Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist das ein tolles Angebot.“ Martin Renz beobachtet seit Längerem, dass die Aufenthaltsdauer vor allem von Kindern und Jugendlichen zunehme.
Vegesack, so sieht es der Plan der Bibliotheksspitze vor, soll als zweite Stadtteilbibliothek 2019 die Öffnungszeiten ausweiten. Den Besuchern die Zentralbibliothek in der Stadtmitte zu überlassen, sei nicht vorgesehen, so Lucia Werder. „Das Konzept lässt sich hier nicht realisieren, die Zentralbibliothek ist zu groß dafür.“ Über die benötigten Sondermittel für die Umsetzung des Konzepts in Höhe von je Zweigstelle 50 000 Euro soll der Haushalts- und Finanzausschuss am 26. Januar entscheiden.
Die Sorge, dass mit der Umstrukturierung Personal abgebaut werden soll, müssten die 149 Bücherei-Beschäftigten nicht haben. Dazu gebe es eine Betriebsvereinbarung. „Es geht nicht um Personalreduzierung“, betont Lucia Werder, „sondern um eine technikgestützte Verlängerung und Erweiterung der Öffnungszeiten.“ So müsse die Bibliothek im Mittelzentrum Vegesack bisher mittwochs komplett geschlossen bleiben, weil es an Personal fehle.
Bevor in der Vahr die 35 300 Medien für die Nutzer frei zugänglich gemacht werden, müssen nun noch praktische Aspekte geklärt werden. Zum Beispiel die Frage, wie die Bibliotheksnutzer ins Gebäude kommen. „Es gibt verschiedene Varianten, aber wir bevorzugen die, bei der man den Bibliotheksausweis an der Tür einscannt“, sagt Lucia Werder.
Der Eintritt soll bewusst erst ab 18 Jahre sein: „Der Kinder-Bibliotheksausweis wird nicht funktionieren.“ Zudem müssten Datenschutzvereinbarungen getroffen werden. Lucia Werder hält es schon aus Versicherungsgründen für unerlässlich, dass Kameras in den Räumen installiert werden. „Es geht vor allem auch um das Gefühl der Sicherheit, ich bin nicht alleine hier.“