Spätestens seit den Corona-Lockdowns sind Lieferdienste im Aufschwung. Insbesondere, wenn es um Lebensmittel- und Essenslieferungen geht. In Bremen ist Lieferando seit einiger Zeit schon vertreten, seit diesem Frühjahr liefert auch Gorillas Lebensmittel nach Hause. Für beide Unternehmen sind zumeist Fahrradkuriere unterwegs. Zusätzlich gibt es auch noch die normalen Radkurierdienste. Wie hoch ist die Nachfrage nach Fahrradkurieren? Gibt es, wie etwa in Städten wie Köln, richtiges Konkurrenzgerangel um die Fahrer?
Michael Brinkmann, Geschäftsführer des Bremer Radkurier, sagt: "Wir haben gut zu tun." Sein Team fahre fast täglich Essenslieferungen aus. "Das sind aber nicht die typischen Lieferando-Kunden", erklärt Brinkmann. Sein Unternehmen übernehme eher Catering-Aufträge von Manufactum am Domshof oder von Dean and David. Seine Auftraggeber seien sehr unterschiedlich. "Von A wie Anwalt bis zum Zahnarzt ist alles dabei", sagt Brinkmann. Oft würden seine Fahrer auch von Speditionen oder "Adhoc-Kunden" gebucht, die beispielsweise ihre Waren von Saturn per Radkurier zu sich nach Hause liefern lassen. "Da werden wir mehr genutzt, als dass die Kunden selbst mit dem Auto in die Stadt fahren und die Waren abholen", sagt der Kurierdienst-Chef.
Sein Team, erklärt Brinkmann, bestehe insgesamt aus 22 Fahrern: zwei 450-Euro-Kräften, zwei Studenten und 18 Festangestellten. Das Einstiegsgehalt eines Kuriers liege in seinem Unternehmen über dem Mindestlohn, sagt Brinkmann. Genauere Angaben möchte er nicht machen. Die Rekrutierung von weiterem Nachwuchs sei allerdings zäh. "Ich könnte noch Fahrer gebrauchen", sagt er. Versuche von anderen Lieferdiensten, seine Fahrer abzuwerben, habe es bislang noch nicht gegeben.
Er gibt aber zu: "Ich habe schon mal versucht, einen Lieferando-Fahrer anzuwerben. Der ist mir aufgefallen, weil er so fix war. Ich habe ihn mit meinem Rad eingeholt und gefragt, ob er nicht für mich arbeiten will." Der Fahrer sei Student gewesen und habe ihm aber abgesagt, weil ihm die Arbeitszeiten bei Lieferando gut passten und er sie mit seinem Studium vereinbaren konnte. "Lieferando hat ein spezielles Modell und ist eher abends unterwegs, wenn wir schon Feierabend haben", bemerkt Brinkmann.
Feste Zeitangaben bei Gorillas und Lieferando
Philip Olaleye, der für Brinkmann als Radkurier auf Bremens Straßen unterwegs ist, pflichtet seinem Chef bei. Er habe auch noch keine Abwerbeversuche erlebt und sagt: "Lieferando und Gorillas haben ein anderes Modell. Die fahren eher Lebensmittel, wir fahren meist Dokumente." Das Modell der beiden Lieferdienste empfinde er als stressiger. Bei Gorillas oder Lieferando hätten die Fahrer feste Zeitangaben, bis wann sie ihre Waren beim Kunden abliefern müssten. Bei ihm sei das nicht so, sagt Olaleye. In seiner Schicht, die fünf Stunden dauere, erfülle er zwischen zehn und 15 Aufträgen. "Wir haben nicht viel Kontakt zu den anderen Fahrern von Gorillas oder Lieferando", sagt Olaleye. Was schade sei, weil bei Gorillas gerade viel passiere und ein Betriebsrat geplant sei.
Auf Anfrage des WESER-KURIER sagt Lieferando-Sprecherin Nora Walraph, dass das Unternehmen auf "aggressives Abwerben" von Fahrern anderer Lieferdienste verzichte. Sie sagt aber auch: "Es gibt kein Überangebot an Fahrern." Gerade die Wintermonate seien härter, da würden mehr Fahrer gesucht. Genaue Angaben zur Situation in Bremen kann Walraph nicht machen. In ganz Deutschland seien aber etwa die Hälfte der Fahrer Teilzeitarbeitende, Studierende oder Midijobber, knapp 10 Prozent seien Vollzeitkräfte und über 40 Prozent seien als Minijobber für Lieferando tätig. "Das lässt sich so auch auf Bremen übertragen", erklärt Walraph.
Der Basislohn liegt bei Lieferando bei 10 bis 11 Euro pro Stunde, durch Boni von bis zu 2 Euro je Bestellung kämen Lieferando-Fahrer in nachfragestarken Regionen auf bis zu 16,50 Euro, heißt es im Informationsblatt zur Lieferando-Kurierflotte. "Wir setzen unsere Fahrer nicht unter Performance-Druck, das ist nicht angemessen", sagt Walraph. Es gebe keine Auftragsquoten oder Akkordarbeit. Außerdem seien die Fahrer umfassend versichert und das Unternehmen stelle wetterfeste Kleidung und Räder zur Verfügung.
Der Lebensmitteldienst Gorillas steht immer wieder wegen der schlechten Arbeitsbedingungen für seine "Rider", also die Kuriere, in der Kritik. Im Sommer kam es gar zu Streiks, bei denen die Beschäftigten von Gorillas unter anderem sicheres Equipment, wetterfeste Kleidung und bessere Bezahlung forderten. Der durchschnittliche Stundenlohn bei Gorillas beträgt etwa 10,50 Euro. Zu den Bedingungen in Bremen äußerte sich der Lieferdienst auf eine Anfrage von vergangener Woche hin nicht. Nach Angaben auf der Website des Unternehmens hat Gorillas einen Aktionsplan für seine Kuriere erstellt. Demnach will der Dienst "eine Reihe von konkreten Verbesserungen" umsetzen. Darunter fallen etwa leichtere Maximalgewichte für Lieferungen, individuellere Schichtplanung und eine transparente Erfassung der Arbeitszeiten. Gorillas schreibt, es habe erste Maßnahmen bereits umgesetzt, wie zum Beispiel kleinere Rucksäcke für die Fahrer und eine Erweiterung der Trinkgeldoption von vier auf zehn Euro.