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Überlastete Praxen im Bremer Norden Mehr Kinderärzte, bitte

Nordbremer Kinderärzte fordern seit Monaten eine zusätzlich Praxis. Jetzt gibt ihnen eine Studie der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg neue Hoffnung. Dort wird die Zahl der Mediziner aufgestockt.
22.01.2018, 07:00 Uhr
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Mehr Kinderärzte, bitte
Von Christian Weth

Bremen-Nord. Im Herbst gab es für Christian Wagner einen Arbeitstag, der ungewöhnlich war: In seiner Praxis musste niemand warten, jeder konnte sofort zu ihm. Der Vegesacker Kinderarzt sprach von einer absoluten Ausnahme. Jetzt herrscht längst wieder die Regel. Sein Wartezimmer ist so voll, dass für eine Sprechstunde am Telefon keine Zeit mehr ist. Neue Patienten werden schon länger nicht mehr aufgenommen. Weil sie überlastet sind, fordern er und Berufskollegen seit Monaten mehr Kinderärzte. Mittlerweile stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht.

Wagner freut sich darüber, dass inzwischen auch andere etwas verändern wollen. Zum Beispiel die Gesundheitsbehörde, mit der die Kinderärzte in Gesprächen sind. Noch mehr freut es ihn allerdings, dass andere etwas verändern werden. Etwa die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg. Sie hat getan, was in Bremen immer mal wieder diskutiert, aber nie umgesetzt wurde: den Bedarf an Praxen nicht stadtweit, sondern stadtteilweit zu ermittelt. In Hamburg ­stellte die Vereinigung der Kassenärzte fest, dass in einigen Quartieren „akuter Handlungsbedarf“ besteht. Dort sollen jetzt vier ­Praxen neu dazukommen.

Für den Vegesacker Kinderarzt und seine Kollegen in Blumenthal und Burglesum ist das die beste Nachricht seit Langem. Sie hoffen nun, dass Bremen nachmacht, was Hamburg vormacht. Die Gesundheitsbehörde hat mittlerweile die Kassenärztliche Vereinigung gebeten, eine Studie nach Hamburger Vorbild zu erstellen. Das Ergebnis glaubt Christian Wagner bereits jetzt zu kennen. Er geht davon aus, dass in Bremen ähnlich viele Kinderärzte fehlen – und zwar wie in Hamburg in den sozial und wirtschaftlich benachteiligten Stadtteilen. Zu ihnen zählt er Blumenthal, aber auch Vegesack, Gröpelingen und Osterholz.

Das Argument der Kassenärztlichen Vereinigung, Bremen sei mit Medizinern überversorgt, hat Wagner schon immer für ein schwaches Argument gehalten. „Der Bremer Bedarfsplan berücksichtigt schon ­lange nicht mehr, dass sich vieles in den 20 Jahren, seit es ihn gibt, verändert hat.“ Er kritisiert, dass die Zahl der Einwohner in Stadtteilen wie Vegesack und Blumenthal in den vergangenen Jahren gestiegen sei, nicht aber die der Ärzte. Dass sie heute mehr als früher mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen zu tun hätten – und mit Kindern, die intensiver betreut werden müssten, auch sozial-psychologisch.

Weil ihr Pensum immer größer wird und immer seltener zu schaffen ist, haben die Kinderärzte vor Wochen mit der Behörde über eine Sonderzulassung für eine weitere Praxis im Norden gesprochen. Wagner sagt, dass das für ihn jedoch nur die kleine Lösung wäre und er lieber die große hätte: eben eine neue Bedarfsanalyse wie in Hamburg, die sich an den einzelnen Stadtteilen orientiert – und mehr zusätzliche Ärzte verspricht als eine einmalige Sonderzulassung: „Mit dem Hamburger Vorstoß ist unsere Forderung nach einer einzigen weiteren Praxis ­sozusagen überholt.“

Ob und wann es in Bremen eine vergleichbare Bedarfsstudie wie in Hamburg gibt, darüber kann Christoph Fox momentan nur spekulieren. „Das“, sagt der Sprecher des Zusammenschlusses der Bremer Kassenärzte, „ist noch nicht entschieden“. Fest steht dagegen für die Kassenärztliche Vereinigung, dass ein Sonderbedarf für den Norden besteht. Laut Fox würde sie eine Sonderzulassung im zuständigen Ausschuss empfehlen, sobald sich ein Mediziner meldet. Doch das könnte dauern. Die Vereinigung der Kassenärzte bekommt immer wieder Bewerbungen von Ärzten, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen wird: Bremen-Stadt ja, Bremen-Nord nein.

Die Gesundheitsbehörde spricht deshalb mit Ärzten darüber, wie mehr für den Norden geworben werden könnte. Auch von Wagner und seinen Kollegen will sie das wissen. Auf deren Kritik, dass sie in ihren Praxen immer mehr beraten statt zu behandeln, hat die Behörde mittlerweile reagiert. Ab nächsten Monat werden sogenannte Gesundheitsfachkräfte an mehreren Schulen ihren Dienst beginnen. Sie sollen sowohl mit Kindern als auch mit Eltern und Lehrern über Vorsorge, Ernährung, Sucht, Zahnpflege und Impfschutz sprechen. Gesundheitssenatorin Quante-Brandt will damit Quartiere mit sozialen ­Herausforderungen stärken und zugleich Kinderärzte entlasten.

Nach ihrem Plan sollen die Fachkräfte an zwölf Schulen eingesetzt werden, davon sind drei im Bremer Norden: die Schule an der Wigmodistraße, die Tami-Oelfken-Schule, die Grundschule am Wasser. Ob die Rechnung der Senatorin aufgeht, dass Kinderärzte profitieren, wird sich frühestens in einem halben Jahr zeigen. Davon geht zumindest Kinderarzt Christian Wagner aus. Er findet das Projekt, das auf drei Jahre angelegt ist und voraussichtlich 1,2 Millionen Euro kosten wird, im Grunde gut. Mit einer Einschränkung: „Die Fachkräfte werden wahrscheinlich helfen, aber nicht unser Problem lösen.“ Das könne nur ein zusätzlicher Mediziner.

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