Die Zahl der Straftaten im Steintor ist im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gestiegen. Im Bereich Gewaltkriminalität beobachtet die Polizei sogar eine Steigerung um 17 Prozent. Insbesondere seien die Wochenenden betroffen. Zurzeit prüfen die Sicherheitsbehörden Möglichkeiten, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Unter anderem sind eine Waffenverbotszone im Viertel, Sperrzeiten und andere Auflagen für auffällige Lokale und Geschäfte im Gespräch, die im Zusammenhang mit Straftaten stehen.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) spricht sich gegenüber dem WESER-KURIER bereits für eine ganz konkrete Maßnahme aus: „Die Mauer an der Helenenstraße muss weg! Um Rückzugsräume für potenzielle Straftäter zu reduzieren, prüfen wir verschiedene Maßnahmen. Hierzu gehört auch, dass diese Sichtbarriere abgerissen werden soll.“
In den vergangenen Tagen war die Polizei bereits massiv gegen Straßendealer im Viertel vorgegangen: Auch am Montag durchsuchten Beamte mehrere Verdächtige am Ziegenmarkt und in den Nebenstraßen. Am Sonnabend war die Polizei dort in den Abendstunden bereits mit einem Großaufgebot angerückt. Bei dieser Razzia stellten die Einsatzkräfte diverse Verkaufseinheiten Drogen sicher. In einem Lokal nahe der Helenenstraße beschlagnahmten sie der Polizei zufolge Crack, Kokain und Marihuana. In der Umgebung spürte ein Diensthund mehrere Drogen-Bunker auf, parallel entdeckten Zivilfahnder weitere Verstecke.
Die Sicherheitslage im Viertel bildet nach wie vor einen Schwerpunkt der Polizeiarbeit in Bremen. Seit der zweiten Jahreshälfte 2016 fokussieren sich die Aktionen dort auf die Bekämpfung der Drogenszene und die Verfolgung von Straßendealern. Die Polizei hat seitdem nach eigenen Angaben mehr als 1250 sogenannte Schwerpunktmaßnahmen im Viertel und im Bahnhofsumfeld durchgeführt. Darunter fallen etwa Kontrollen und Großrazzien. Seit Oktober vergangenen Jahres seien rund 1300 Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet worden, sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Die Maßnahmen hätten zuletzt bereits zu einer Verbesserung der Situation an den Brennpunkten geführt: Die Dealer träten nicht mehr so geballt auf wie im vergangenen Jahr.
CDU fragt den Senat
Neben dem Drogenhandel fällt das Viertel immer wieder durch Gewalttaten auf. Zuletzt war bei einer Auseinandersetzung vor anderthalb Wochen ein junger Mann am Ziegenmarkt mit mehreren Messerstichen getötet worden. Der mutmaßliche Täter ist weiterhin flüchtig. Die Lage im Steintor beschäftigt auch die CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Die Christdemokraten wollen in einer Anfrage an den Senat wissen, ob sich die Bremer nicht nur im Viertel, sondern im gesamten Stadtgebiet noch sicher fühlen können. Die tödliche Messerattacke habe das ohnehin vorhandene Unbehagen der Anwohner verstärkt. Auch angesichts der "steigenden Drogenkriminalität und des Kampfs zwischen rivalisierenden Banden, die mit einem hohen Konflikt- und Gewaltpotenzial einhergehen“, seien die Menschen im Viertel verunsichert, heißt es in dem Papier.

Hellena Harttung - Ortsamtsleiterin Mitte/Östliche Vorstadt
Hellena Harttung, Leiterin des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt, kann diese allgemeine Verunsicherung in ihrem Stadtteil nicht beobachten. „Aber es kommt natürlich immer darauf an, mit wem man spricht“, sagt sie. Ihrer Wahrnehmung nach ist die Lage aber heute im Vergleich zu früheren Jahren ruhig. Im Sommer 2016 hätten sogenannte Antanzdiebstähle bei Anwohnern und Kneipenpublikum für Unruhe gesorgt. Durch die verstärkte Polizeipräsenz seien diese Straftaten aber schnell zurückgegangen. „Und von rivalisierenden Banden habe ich auch noch nichts mitbekommen“, sagt Harttung. Davon sei auch in Gesprächen mit der Polizei nie die Rede gewesen. Gleichwohl müsse man die Lage natürlich weiter im Blick behalten. Unsicher fühle sie sich im Viertel nicht. Der Filialleiter des Supermarktes am Ziegenmarkt beurteilt die Lage ähnlich.
Unsicher fühlt sich auch Beruta Adolf nicht. Allerdings sei die Wahrnehmung ihrer Kunden oft eine andere, sagt die Inhaberin der Georg-Büchner-Buchhandlung am Ziegenmarkt. Und das nicht erst seit dem tödlichen Messerangriff nahe ihres Ladens: Mehrmals in der Woche müsse die Polizei dort Schlägereien schlichten. Meist spielten sie sich zwischen Personen aus der Drogenszene ab. „Als Passant sind Sie diesen Leuten egal“, sagt Beruta Adolf. Eine akute Bedrohung für Unbeteiligte bestehe in der Regel nicht. „Aber diese Auseinandersetzungen erzeugen gerade bei Familien mit Kleinkindern ein Gefühl von Angst – und für das Geschäft ist das auch nicht gut." Deshalb hatten sich Adolf und andere Geschäftsleute aus dem Viertel bereits 2016 Jahr mit einem Brief an Senator Mäurer gewandt. Daraufhin sei die Polizeipräsenz merklich verstärkt worden, sagt die Buchhändlerin. Nun sei der Drogenhandel am Ziegenmarkt aber wieder allgegenwärtig: „Ich kann diese Geschäfte jeden Tag beobachten“.
Die Polizei kündigt an, den Druck auf die Szene weiter zu erhöhen. „Wir zeigen deutliche Präsenz, führen Kontrollen durch und erteilen Platzverweise“, sagt Sprecher Nils Matthiesen.
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