In einem länderübergreifenden Einsatz haben die Polizeien aus Bremen und Niedersachsen zwei Männer festgenommen, die mehrere Monate lang nachts große Steinbrocken, Nagelbretter und andere gefährliche Hindernisse auf vielbefahrene Straßen in Bremen, Stuhr und Weyhe abgelegt haben. Die Polizei spricht von 40 Straftaten, die Hälfte davon haben die Täter gestanden. Die Männer sind 24 und 25 Jahre alt. Sie erwartet eine Anklage wegen versuchten Mordes.
Im Juni 2017 tauchten auf den Autobahnzubringern Arsten und Hemelingen erstmals große Steinbrocken auf, die dort nachts abgelegt worden waren. Als sich die Taten immer mehr häuften – zwischen Juni und Ende November registrierte die Polizei 26 Fälle in Bremen und 14 in Niedersachsen – bildete die Polizei die Sondereinheit "Steine". Angesiedelt bei der Mordkommission Bremen, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen versuchter Tötungsdelikte, berichtete Jürgen Kok, Ermittlungsführer dieser Sondereinheit. Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag Verlauf und Ergebnis ihrer Ermittlungen.
Der Gefährlichkeit der Taten Rechnung tragend, ermittelte die Polizei mit hohem Personalaufwand und umfangreichen Maßnahmen. "Wir haben die Fundstellen der Steine wie Tatorte von Kapitalverbrechen behandelt", erklärte Kok. "Mit der kompletten Spurensicherung. Wie bei Mord und Totschlag." Letztlich sei es diese umfangreiche und akribische Detailarbeit in Kombination mit den vielen Polizisten auf der Straße gewesen, die zur Ergreifung der Täter geführt habe.
Die beiden Männer aus Bremen waren der Polizei bereits im November bei einer Kontrolle ins Netz gegangen. Zu diesem Zeitpunkt lag aber noch kein direkter Tatvorwurf gegen sie vor. Erst eine Kombination weiterer Spuren, darunter die DNA auf einem mit Nägeln gespickten Holzbrett, dass die Männer auf dem Beschleunigungsstreifen des Autobahnzubringers Arsten abgelegt hatten, rückte das Duo mehr und mehr in den Fokus der Ermittlungen.
Danach fügte sich eines zum anderen: In Ermittlungsakten bei ähnlich gelagerten Fällen aus den Jahren 2014 und 2015 tauchten die beiden Verdächtigen ebenfalls auf – als Zeugen oder sogar als Ersthelfer nach einem durch einen Stein verursachten Unfall. Bei der Durchsuchung des Einfamilienhauses in Arsten, in dem einer der Männer wohnte, fanden sich im Garten Steine, wie sie bei einer anderen Tat verwendet worden waren. Und genau die Art von Holzbrettern, die als Nagelbretter bei dem Anschlag in Arsten gefunden worden waren. In einem Arbeitszimmer konnte die Polizei schließlich ein Regelbrett sicherstellen, von dem eines der Nagelbretter abgesägt worden war. "Die beiden Teile passten einwandfrei zusammen", so Kriminalhauptkommissar Kok. Auf dem Nagelbrett fanden sich dann auch DNA-Spuren des 24-Jährigen.
In der Wohnung des 25-Jährigen wurden keine belastenden Beweise gefunden, dafür aber seine DNA auf einem der Steine. Bei den anschließenden Vernehmungen seien die beiden Männer voll geständig gewesen, berichtete Kok. Die Taten, an die sie sich erinnern konnten, etwa die Hälfte der Anschläge, hätten sie lückenlos zugegeben. Als Motiv hätten die Täter "eine gewisse Langeweile", Frust und Alltagsprobleme genannt.
Beide Täter sitzen seit dem 16. März in Untersuchungshaft. Vorgeworfen werden ihnen versuchte, heimtückische Tötungsdelikte. Da Heimtücke ein Mordmerkmal ist, wird die Anklage gegen sie versuchter Mord lauten, erläuterte Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft am Freitag. Menschen kamen bei den Anschlägen nicht zu Schaden, in zwölf Fällen entstand aber zum Teil erheblicher Sachschaden an Kraftfahrzeugen. Dies sei letztlich aber nur Zufall gewesen, sagte Passade. Ebenso hätte es angesichts der Gefährlichkeit dieser Taten aber auch Verletzte oder Tote geben können.
Teuer zu stehen kommen könnte den beiden zudem der Vorfall aus dem September 2015 auf der B 6 in Brinkum. Dort überschlug sich ein Fahrzeug nach dem Zusammenprall mit einem Stein auf der Fahrbahn. Ob die beiden jetzt Festgenommenen es waren, die den Stein dort abgelegt haben, untersucht die Polizei. Fest steht jedoch, dass beide bei dem Unfall damals als Ersthelfer auftraten. "Sie hatten also genau vor Augen, was passieren kann", begründete der Sprecher der Staatsanwaltschaft die Einordnung der Taten als versuchter Mord.