Von außen betrachtet ist der früheren Apotheke am Ziegenmarkt nicht viel anzumerken. Doch hinter den Kulissen tut sich was. Offenbar plant das Ameos Poliklinikum dort eine Substitutionspraxis für Drogenabhängige zu eröffnen. Das geht aus einem Schreiben der Klinik hervor, das dem WESER-KURIER vorliegt. Der Start soll für den 1. Juli oder 1. August geplant sein, der Einzug sei schon seit Sonntag möglich.
In seinem Schreiben stellt Ameos ein Behandlungsprofil für den Standort "Vor dem Steintor 60/62" vor. Danach rechnet Ameos mit rund 300 Patienten, die sich am Ziegenmarkt an sieben Tagen in der Woche vormittags zur Vergabe "sämtlicher gebräuchlicher Drogenersatzstoffe" einfinden werden, darunter Methadon. Ameos selbst wollte die Pläne auf Nachfrage nicht bestätigen. In einer schriftlichen Antwort teilte Pressesprecherin Anja Baum lediglich mit, Ameos sei wegen der "bekannten räumlichen Situation (...) weiterhin im gesamten Bremer Stadtgebiet auf der Suche nach einem geeigneten Standort".
Langwierige Suche nach neuem Standort
Mit der "bekannten räumlichen Situation" ist die Hängepartie nach dem Wegzug vom langjährigen Praxistandort am Richtweg gemeint. Dort war die Ameos-Poliklinik 13 Jahre lang beheimatet. Weil der Mietvertrag 2023 nicht verlängert wurde, suchte Ameos monatelang nach einem neuen Standort. Der fand sich schließlich in Utbremen an der Juiststraße. Bis heute nutzt Ameos eine Containerkonstruktion, die allerdings von Anfang an nur als Provisorium gedacht war. Zwischenzeitliche Überlegungen, in ein Nachbargebäude zu ziehen, wurden nicht umgesetzt.

In abshebarer Zeit nur noch Geschichte: der bisherige Containerstandort der Ameos-Poliklinik an der Utbremer Juiststraße.
Der Waller Sozialausschuss hatte sich einstimmig für die Ansiedlung der Substitutionspraxis ausgesprochen. Reibungslos lief die Versorgung der Suchtkranken allerdings nicht. Gegenüber dem WESER-KURIER klagten Gewerbetreibende über Drogenkonsum auf der Straße, Ausgaben für Sicherheitsvorkehrungen und Parkprobleme, weil viele Patienten mit dem Auto kämen. Letzteres bestätigte Cornelia Wiedemeyer, Leiterin des Ortsamts West: "Beschwerden liegen uns aktuell vor allem wegen der verkehrlichen Situation vor."
Ortsamt und Beirat erst kurzfristig informiert
Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, läuft der Mietvertrag für den Ameos-Standort an der Juiststraße zum 30. Juni aus. Bereits länger soll Ameos händeringend nach einem Nachfolgeobjekt gesucht haben. Im Steintor-Viertel ist der private Gesundheitsdienstleister nun anscheinend fündig geworden. Am Montagabend vergangener Woche sei sie von Ameos über die Umzugspläne informiert worden, sagt Astrid Dietze, Leiterin des Ortsamts Mitte/Östliche Vorstadt.
Einigermaßen überrumpelt fühlt sich Beiratsmitglied Stefan Schafheitlin, der als Vertreter von "Leben im Viertel" im Koordinierungsausschuss sitzt. Bei Bekanntwerden der Neuigkeit am Mittwoch sei die Stimmung im Ausschuss einhellig gegen eine solche Einrichtung vor Ort gewesen, sagt er. Besonders verärgert ist Schafheitlin darüber, dass Ortsamt und Beirat so spät ins Bild gesetzt wurden, "drei Tage vor dem Einzug". Sein Verdacht: "Ameos muss da schon Monate dran gewesen sein. Aber man wollte die Sache offensichtlich nicht zu früh bekannt werden lassen. Weil man Widerstand und lange Diskussionen fürchtete."
Mit der Materie gut vertraut ist John Koc. Der Psychiater ist selbst als Substitutionsarzt tätig und war früher bei Ameos beschäftigt. Den Standort hält er für keine glückliche Wahl. Sollte sich der Umzug bewahrheiten, muss die Klinik nach seinem Ermessen einige wichtige Vorkehrungen treffen. "Ameos steht zwingend in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass kein Drogenkonsum innerhalb einer Bannmeile von 500 Metern stattfindet." Notwendig sei auch eine psycho-soziale Betreuung der Patienten und ein eigener Ordnungsdienst. "Für die Patienten ist eine Praxis im Viertel natürlich sehr bequem," so Koc. Ihn wundere, dass der Vermieter am Ziegenmarkt sich dazu bereitfinde. Einzig das Bauamt könne jetzt noch eine Genehmigung verwehren.
Freie Standortwahl
Als privates Unternehmen kann Ameos eigenständig entscheiden, wo es sich niederlassen möchte. Das Gesundheitsressort ist daran nach eigener Angabe nicht beteiligt. Bei einer Praxisverlegung muss ein Antrag beim Zulassungsausschuss Ärzte/Krankenkassen gestellt werden. Der Antragsteller habe sich an einen engen rechtlichen Rahmen zu halten, sagt Christoph Fox, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. "Beschwerden von Nachbarn spielen eine eher untergeordnete bis gar keine Rolle."
Für Schafheitlin stellt sich neben der auch im Viertel prekären Parksituation die Frage, was unter den neuen Bedingungen aus der geplanten Videoüberwachung am Ziegenmarkt werden soll. Aus rechtlichen Gründen dürften Patienten wohl kaum gefilmt werden, sagt er.
Unterdessen betont Ameos, bei der Standortsuche wolle man den medizinischen Bedürfnissen der Patienten wie auch den Anliegen der Anwohner gerecht werden. "Unser Ziel ist eine Lösung, die eine hochwertige medizinische Versorgung ermöglicht, sozialverträglich ist und sich städtebaulich sinnvoll einfügt", sagt Ameos-Sprecherin Baum.