Noch knapp zwei Wochen, dann ist Schluss im Meyer am Boom. Die Oberneulander Gaststätte, die seit mehr als 300 Jahren als Familienbetrieb geführt wird und vermutlich die älteste Bremens ist, schließt am 19. Dezember endgültig. Die Bewahrung des ursprünglichen Charakters und eine konsequent gutbürgerliche Küche sind die Markenzeichen der Traditionsschänke.
Die Decken sind niedrig, die Balken uralt, und fließend heißes Wasser gibt es nur so viel, wie der Boiler fasst. Meyer am Boom in Oberneuland gilt als älteste Gaststätte Bremens, die durchgehend von ein und derselben Eigentümerfamilie geführt wurde. 1800 war sie zudem die erste in Oberneuland, die eine Kegelbahn hatte. „Freiluft“, erzählt Inhaber Peter Pöhler. Lediglich am Abschlag und für die Kegel habe es eine Überdachung gegeben.
Das Interieur von Meyer am Boom ist überwiegend antik, vom Plüschsofa bis zur Wanduhr. Seit 1711 wird hier ausgeschenkt. Mehr als 300 Jahre später, am 19. Dezember 2014, wird die Traditionsschänke zum letzten Mal öffnen.
Früher war mehr Bier und Korn
Bis dahin setzen Peter Pöhler und seine Frau Elke Greupner wie gehabt auf eine gutbürgerliche Speisekarte. Bratkartoffeln mit Sülze oder Knipp haben dort ihren festen Platz, ebenso der Dauerbrenner Schnitzel. Völlig aus der Mode gekommen ist laut Greupner dagegen die gute alte Stulle. „Als ich hier in den 90er-Jahren angefangen habe, wurden jeden Tag Unmengen Schwarzbrot geschmiert“, erinnert sich die 58-Jährige.
Auch die Getränkewahl habe sich mit den Jahren gewandelt. „Früher kamen die Leute her, um Bier und Korn zu trinken. Heute werden Getränke wie Rhabarberschorle gewünscht. Oder Wasser – davon sollte man aber möglichst fünf verschiedene Sorten im Angebot haben“, erzählt Pöhler.
Kochen auf dem Kohleofen
„Die Ansprüche haben sich sehr geändert“, bestätigt seine Frau. In regelmäßigen Abständen müsse sie höflichst verneinen, wenn ein Latte Macchiato verlangt werde. „Wenn ich dann entgegne, dass wir nur normalen Kaffee führen, bekomme ich mitunter als Antwort: ,Dann nehme ich einen Cappuccino’.“ Dabei findet das Inhaber-Ehepaar mediterrane Einflüsse in deutschen Gaststätten grundsätzlich in Ordnung. Nur eben in ihrer nicht. „Wir haben uns immer bemüht, den ursprünglichen Charakter des Hauses zu pflegen“, sagt Greupner. Und dazu passe Hausmannskost nun einmal am besten. Koch Arne Rossol liege da ganz auf ihrer Linie.
Als Gesine Pöhler die Gastwirtschaft noch führte, habe kaum mehr als Bratkartoffeln und Brot auf der Karte gestanden, erinnert sich ihr Sohn Peter. Mehr habe die kleine Küche auch gar nicht hergegeben. Bis Anfang der 90er-Jahre wurde hier auf dem Kohlenofen gekocht, als Ergänzung habe seine 1992 verstorbene Mutter einen kleinen Elektroherd gehabt.
Jahrzehntealter Tresen

Meyer am Boom: Der Name geht auf einen Schlagbaum zurück.
„Abgewaschen wurde von Hand“, erzählt Greupner. „Das Spülwasser wurde auf dem Kohlenofen heiß gemacht.“ Das habe ihre Schwiegermutter auch so beibehalten, nachdem Boiler und Geschirrspüler Einzug gehalten hatten. „Nur wenn wir zusammen in der Küche gearbeitet haben, hat sie mir zuliebe die Spülmaschine benutzt“, erzählt ihre Schwiegertochter.
Bis auf die Modernisierungsmaßnahmen in der Küche ist bei Meyer am Boom noch vieles original – oder zumindest nachempfunden. Über einem der Kneipentische hängt ein Foto an der Wand, das Großvater Hermann Meyer hinter seinem Tresen Baujahr 1950 zeigt. „Der hier ist aus den 80er-Jahren“, sagt Pöhler und deutet in Richtung der Zapfhähne – ein originalgetreuer Nachbau. Den Boom, den Baum, allerdings suchen Besucher der Gaststätte vergebens im Garten. Bei dem Namensgeber handelte es sich nicht um eine Linde oder dergleichen, sondern um einen Schlagbaum, der seinerzeit die Grenze nach Niedersachsen markiert habe, berichtet Pöhler.
Wenig Zeit für Privatleben
Ebenso wie bei seiner konsequent klassischen Speisekarte hat das Ehepaar Pöhler/Greupner auch hinsichtlich der Öffnungszeiten Irritationen bei seinen Gästen in Kauf genommen – und neben dem Montag den Sonnabend zum Ruhetag erklärt. Anfangs hätten sie nur den Montag zum Durchatmen gehabt, erzählt Greupner. Das sei mit der Zeit aber nicht mehr durchzuhalten gewesen, also habe man eben den Sonnabend dazu genommen.„Der schien uns so gut wie jeder andere Tag zu sein.“
Dennoch, für Privatleben lasse die Gaststätte kaum Zeit – in diesem Punkt herrsche Nachholbedarf, da sind sich die Beiden einig. Die Entscheidung, aufzuhören, sei ihnen nicht leichtgefallen. Kinder, die ihre Nachfolge antreten könnten, haben sie nicht. „Und selbst wenn, hätte ich mich schwer getan, ihnen so einen arbeitsreichen Betrieb zu übergeben“, betont Greupner.
Auch Stammtische haben ein Ende
Seit einem halben Jahr haben sie das Thema Schließung immer wieder durchdiskutiert „und manche schlaflose Nacht gehabt“, so Pöhler. Verpachten wollen sie nicht. Das Ehepaar will künftig in der heutigen Gaststätte wohnen. „Das Haus war immer im Familienbesitz“, so Pöhler. „Wenn ein Pächter hier alles umkrempeln würde, könnte ich das nicht mit ansehen“, sagt der Gastwirt entschieden. Ob es schon Pläne gibt? Pöhler verneint. „Viele“, erklärt dagegen seine Frau. Ihr Mann müsse dafür erst eine Zeichnung haben, „ich kann mir jetzt schon allerhand vorstellen“.
Nach Dingen gefragt, die sie nach dem 18. Dezember vermissen werden, bleibt es eine Weile still. „Die Stammtische“, sagt Pöhler schließlich. „Sonntagmorgens und freitagabends – das sind immer nette Runden.“