An diesem Donnerstag steht in Walle eine Zwangsräumung an. Der 57-jährige Mieter Marius N. (Name ist der Redaktion bekannt) muss dann seine Wohnung verlassen. Wo er ab Donnerstag unterkommt, weiß er noch nicht: "Auf der Straße, Geld habe ich kaum, ich habe noch keine Bleibe", sagt er.
Das Bremer Bündnis "Zwangsräumungen verhindern" protestiert gegen die geplante Räumung und hat für Donnerstag eine Demonstration angemeldet. Vertreter des Bündnisses kritisieren das Jobcenter und sprechen von einem "Versagen der Zentralen Fachstelle Wohnen" und einem "rücksichtslosen Vermieter". Es komme in keinem Bundesland so oft zu Zwangsräumungen wie in Bremen. Häufig seien Mieter von Räumung bedroht, weil das Jobcenter nicht zahle.
"Wir stellen Zwangsräumungen grundsätzlich infrage und stehen dafür ein, dass Wohnen ein Grundrecht ist, das nicht angerührt werden darf", sagt Bahne Michels, Sprecher des Bündnisses gegen Zwangsräumungen. "Es geht hier um einen besonders tragischen Fall, auch so kurz vor Weihnachten." Marius N. habe darum gekämpft, dass er in seiner Wohnung bleiben könne. "Es gibt keine Lösung für ihn, er droht, seine Wohnung zu verlieren." Dabei habe es phasenweise so ausgesehen, als ob sich das Problem lösen lasse: "Ein Großteil der Mietschulden wurde zwischenzeitlich beglichen, es fehlten zu dem Zeitpunkt nur noch 300 Euro", so Michels. Die bei der Sozialbehörde angesiedelte Zentrale Fachstelle Wohnen habe für den Restbetrag zunächst ein Darlehen zugesagt, dieses dann aber zurückgezogen, kritisiert Michels.
Klar ist: Mietschulden sind aufgelaufen. "Ich habe dem Mieter gekündigt, weil er 7300 Euro Mietschulden bei mir hat", sagt Vermieter Christian Müller-Kahle. "Der Mann hat dieses Jahr noch gar keine Miete gezahlt und letztes Jahr nur teilweise." Müller-Kahle betont: "Ich habe mich rechtskonform verhalten, hätte er gezahlt, wäre es kein Problem." Er habe mehrfach das Gespräch mit dem Mieter gesucht. "Aber ich kann den Mieter nicht umsonst dort wohnen lassen." Ein Angebot der Fachstelle Wohnen vor mehreren Wochen, die Mietschulden zu begleichen, habe er damals abgelehnt, weil nicht gesichert sei, dass der Mieter künftig Geld vom Jobcenter erhalte, so der Vermieter. Die Fachstelle habe das Angebot danach auch zurückgezogen.
Das Bremer Amtsgericht bestätigt, dass die Räumung für Donnerstag geplant ist. Geräumt werde auf Basis eines Gerichtsurteils von Januar, weil Marius N. seine Miete nicht gezahlt habe, sagt Amtsgerichtssprecher Stefan König. Vermieter können Wohnungen grundsätzlich fristlos kündigen, wenn zwei Monatsmieten in Folge nicht gezahlt wurden. Ein Antrag von Marius N. auf Aussetzung der Räumung wurde vom Amtsgericht abgelehnt. Der Mieter könne nun noch sofortige Beschwerde beim Landgericht gegen die Räumung einlegen, so der Sprecher.
"Ich wohne seit zehn Jahren in dieser Wohnung", schildert Marius N., der gebürtiger Rumäne ist und seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Um die Miete zu bestreiten, war Marius N. auf Leistungen des Jobcenters angewiesen: "Ich konnte die Miete nicht mehr zahlen, weil ich die Aufstockung vom Jobcenter nicht mehr bekam." Das Jobcenter stellte seine Miet-Zahlungen an ihn zwischenzeitlich ein – es zog in Zweifel, ob Marius N. die Leistungen zustehen.
Dazu gab es gleich zwei juristische Verfahren, denn Marius N. wehrte sich vor Gericht gegen die Einstellung der Zahlung. Im Jobcenter zweifelte man an, dass er einer echten Arbeit nachgeht und vermutete ein Scheinarbeitsverhältnis.
Im Eilverfahren entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im August 2021: Es sei vorerst davon auszugehen, Marius N. sei ein echter Arbeitnehmer, sagt Gerichtssprecher Carsten Kreschel. Das Jobcenter sollte also zahlen. Doch dann stellte das Amt offenbar wieder die Zahlung ein: "Es kam zu einem erneuten Rechtsstreit um Leistungen – es ging um die Frage, ob Herr N. genügend Stunden arbeitet, um Leistungen zu bekommen", sagt Kreschel. Diesmal lehnte das Bremer Sozialgericht die Beschwerde von Marius N. ab. Er ging in Berufung, eine Entscheidung in zweiter Instanz steht noch aus.
"Der Arbeitnehmerstatus ist aus unserer Sicht nicht ausreichend erfüllt", sagt Kersten Artus, Sprecherin des Bremer Jobcenters. Für genauere Angaben verweist die Sprecherin darauf, dass das Amt an den Datenschutz gebunden sei. Sie betont: "Wir sehen keinen Fehler bei uns, wir müssen sorgfältig mit Steuergeldern umgehen und prüfen gründlich, wem Leistungen zustehen."
Auf den Datenschutz verweist auch die Sozialbehörde und äußert sich nicht konkret zu dem Fall: Die Fachstelle Wohnen arbeite an der Klärung, sagt Behördensprecher Bernd Schneider. Betroffene müssten sich aber auch erneut bei der Fachstelle melden, wenn nach einer ersten Klärung erneut Probleme aufträten. Generell werde die Zentrale Fachstelle Wohnen vorab informiert, wenn Bewohnern aufgrund von Mietschulden die Zwangsräumung drohe, schildert Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. Mitarbeiter der Fachstelle setzten sich dann im Vorfeld mit allen Beteiligten an einen Tisch und versuchten, die Räumung zu verhindern. "Dadurch wird ein Großteil der vom Gericht beschlossenen Räumungen abgewendet.“