Was tut Menschen mit schweren akuten und chronischen psychischen Erkrankungen oder komplexem Hilfebedarf wirklich gut? Darüber wird seit Februar 2017 im Arbeitskreis „Neue Psychiatrie im Bremer Westen“ unter dem Dach des Vereins „Blaue Karawane“ nachgedacht.
Dem Forum, das anfangs aus Psychiatrie-Betroffenen und -Beschäftigten, Angehörigen und interessierten Bürgern bestand, gehören inzwischen auch die Gesellschaft für ambulante und psychiatrische Dienste (Gapsy) und verschiedene Träger für betreutes Wohnen wie die Initiative zur sozialen Rehabilitation, die Bremer Werkgemeinschaft, das Sozialwerk der Freien Christengemeinde und der Martinsclub an.
Mittlerweile hat der Arbeitskreis ein gemeinsames Modellkonzept für eine regionale psychiatrische Versorgung psychisch kranker Menschen am Beispiel des Bremer Westens erarbeitet, das er sowohl Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) als auch Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) vorgelegt hat.
Denn einerseits gehen dem Arbeitskreis die von Quante-Brandt initiierten zeitlich befristeten Modellprojekte zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung nicht weit genug und andererseits kann seiner Meinung nach nur mit vereinten Kräften aller Beteiligten – und auch ressortübergreifend – das bisherige Versorgungssystem komplett neu aufgestellt werden.
Im Vordergrund steht dabei nach wie vor der Grundgedanke „Ambulant vor stationär“, der seit der in den 1980er-Jahren eingeleiteten Psychiatriereform von Fachleuten, Politikern, Versorgungs- und Kostenträgern propagiert wird. Da seitdem trotz der Schaffung ambulanter Angebote die Zahl von stationären psychiatrischen Betten insgesamt (Kliniken und Heimplätze) allerdings gestiegen sei, fordert der Arbeitskreis nun grundlegende Veränderungen und will die bestehenden Strukturen durch ein neues „Zentrum für seelische Gesundheit West“ mit stationären, teilstationären und ambulanten Arbeitsbereichen direkt in der Region West ersetzen.
Modellprojekt ist auf acht Jahre festgelegt
Neben 15 Betten und 30 akut-tagesklinischen Plätzen soll es dort je einen multiprofessionellen Krisendienst für den Bereich Walle / Findorff und Gröpelingen und Oslebshausen geben. Auf diese Weise wäre eine am Menschen orientierte Versorgung „aus einem Guss“ unmittelbar im gewohnten Umfeld mit vertrauten Personen und nach der Methode „Offener Dialog“ durch rund 50 Vollzeitkräfte in diesen drei Bereichen möglich.
Um eine übergreifende Finanzierung sämtlicher Behandlungsangebote zu ermöglichen, plädiert das Forum außerdem für ein sektorübergreifendes Psychiatriebudget. Das Modellkonzept für den Westen ist auf eine Laufzeit von acht Jahren ausgerichtet; vier weitere regionale Zentren könnten in anderen Teilen der Stadt eröffnet werden.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsträger befürwortet laut Psychiater Klaus Pramann, Mitinitiator der Blauen Karawane, das Konzept und eine bremenweite Umsetzung. Noch nicht mit im Boot ist bislang Gesundheitsversorger Gesundheit Nord, der unter anderem das Klinikum Bremen-Ost betreibt und in einem eigenen Konzept eine Zentralisierung und Spezialisierung seiner Angebote anstrebt.
Am 13. Januar 2013 hatte die Bremische Bürgerschaft beschlossen, die Psychiatrie müsse neue übergreifende Strukturen bekommen, sich von Krankenhausbetten wegorientieren und Betroffene stärker einbeziehen. „Insgesamt steht die Geno-Medizinstrategie 2020 plus im kompletten Widerspruch zu diesem Bürgerschaftsbeschluss und führt zurück zu einer Psychiatrie, wie wir sie im Prinzip in den 1970er-Jahren hatten“, ist Pramann überzeugt, der nun auf klare Ansagen seitens der Politik hofft.