Patienten mit psychischen Problemen warten noch viel zu lange auf eine Therapie. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK). Demnach vergehen von der Anfrage beim Therapeuten bis zum Beginn der Behandlung im Schnitt 20 Wochen. Derart lange Wartezeiten soll die seit einem Jahr geltende Psychotherapie-Richtlinie eigentlich verhindern. Nach Ansicht der Kammern in Bremen und Niedersachsen hat der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss versäumt, die Anzahl der Zulassungen niedergelassener Psychotherapeuten aufzustocken.
In Bremen warten gesetzlich Versicherte rund 22 Wochen auf eine Psychotherapie – eine Woche weniger als 2011. Am längsten müssen die Menschen in Nordrhein-Westfalen warten (gut 23 Wochen). Knapp 23 Wochen, also fast genauso lange müssen Betroffene in Niedersachsen Geduld haben: „Die Wartezeit auf dem Land ist besonders lang“, bestätigt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Detlef Haffke. Den Termin für eine erste Sprechstunde bekommen die Niedersachsen nach Angaben der Psychotherapeutenkammer durchschnittlich sechs Wochen nach ihrem Anruf. Am schnellsten, nach gut 13 Wochen, beginnt die Therapie in Berlin.
Die Ursache für die langen Wartezeiten sieht der Präsident der Bremer Psychotherapeutenkammer, Karl Heinz Schrömgens, in den zusätzlichen gesetzlichen Anforderungen an die Psychotherapeuten. Sie müssen seit vergangenem Jahr wöchentlich mindestens 100 Minuten für Erstgespräche einplanen. Die Therapeuten sind dazu verpflichtet, für Terminabsprachen selbst oder über einen Mitarbeiter wöchentlich 200 Minuten telefonisch erreichbar zu sein. Das hat dafür gesorgt, dass sich in Bremen die Wartezeit auf einen ersten Termin beim Psychotherapeuten von neun auf sechs Wochen deutlich verkürzt hat. Stellt sich beim Erstgespräch heraus, dass schneller Handlungsbedarf besteht, müssen Psychotherapeuten eine Akutbehandlung anbieten, die im Schnitt drei Wochen später beginnt.
437 Psychotherapeuten in Bremen
Doch: „Das Vorhalten wöchentlicher Sprechstunden und der zusätzlichen telefonischen Erreichbarkeit bindet Behandlungszeit“, sagt Schrömgens. Um die von der Kassenärztlichen Vereinigung genehmigten Stunden voll auszuschöpfen, habe die Kammer bei ihren Mitgliedern dafür geworben, Stellen zu teilen. „Dieser Weg wurde allerdings konterkariert durch restriktive Regeln der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen“, kritisiert Schrömgens. Jobsharing-Partnern seien zum Beispiel Nebentätigkeiten nur in geringem Maße gestattet. Mit einer halben Stelle als Psychotherapeut verdienten sie aber zu wenig Geld. Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, Christoph Fox, verweist diesen Vorwurf nach Berlin: „Wir halten uns an geltendes Recht.“ Für Job-Sharing-Partner gelte genau wie für alle anderen niedergelassenen Psychotherapeuten und Ärzte ein Kontingent von 13 Stunden für Nebentätigkeiten. Dies solle sicherstellen, dass sie sich mit ihrer Schaffenskraft hauptsächlich der ambulanten Versorgung widmeten. Grundsätzlich gebe es in der Stadt Bremen mit derzeit 437 mehr als genug Psychotherapeuten, um alle Patienten zu versorgen. Einen schnellen Beginn der Behandlung biete die Akutbehandlung.
Die aktuellen Ergebnisse zeigen nach Ansicht Schrömgens‘ auch, dass die bundesweiten Regelungen zur Bedarfsplanung überarbeitet werden müssen. „Hier ist der Gemeinsame Bundesausschuss gefordert, eine der Versorgung angemessenere Planung zu erarbeiten.“ Das sieht auch der Präsident der BPTK, Dietrich Munz, so. „Der Gesetzgeber hatte eine grundlegende Reform der Bedarfsplanung bereits zum 1. Januar 2017 verlangt. Doch bis heute hat der beauftragte Gemeinsame Bundesausschuss nicht einmal ein Konzept vorgelegt.“ Damit sich die Wartezeiten deutlich verkürzten, müssten mehr Psychotherapeuten zugelassen werden.
7000 zusätzliche Praxissitze gefordert
Die BPTK fordert zusätzlich 7000 Praxissitze – insbesondere außerhalb der Großstädte. Die Bedarfsplanung geht nach Angaben der niedersächsischen Kammer davon aus, dass Menschen auf dem Land seltener psychisch erkranken als in der Stadt. Entsprechend weniger Therapeuten würden dort zugelassen. Diese Praxis widerspricht Studien des Robert-Koch-Instituts, wonach es keine signifikanten Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Regionen bei der Häufigkeit von seelischen Erkrankungen gibt. Folglich sind Patienten aus dem Bremer Umland nicht selten auf Therapieplätze in der Hansestadt angewiesen.
(Dieser Artikel wurde am 18. April um 15.21 Uhr aktualisiert.)