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Sieben Wochen mit Qualen, Frust, Hoffnung – am Ende ist Gold bei der Sportabzeichenprüfung geschafft Muskelkater gibt es dazu

Bremen-Nord. Adolf Mudder zwinkert fröhlich in die Runde, als er sein Rad vorm Vereinsheim auf dem Sportplatz am Löh abstellt. Heute ist Prüfungstermin für das Sportabzeichen.
17.06.2017, 00:00 Uhr
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Muskelkater gibt es dazu
Von Edith Labuhn

Bremen-Nord. Adolf Mudder zwinkert fröhlich in die Runde, als er sein Rad vorm Vereinsheim auf dem Sportplatz am Löh abstellt. Heute ist Prüfungstermin für das Sportabzeichen. Es sind viele Aspiranten, die den nach und nach auftauchenden Prüfern mit Fragen auf die Pelle rücken: „Können wir gleich die 3000 Meter laufen? Wie weit muss ich eigentlich springen? Wann geht es mit dem Kugelstoßen los?“

Gemach, gemach. Erst einmal bekommen alle ihren persönlichen Laufzettel in die Hand gedrückt. Auch die Autorin dieser Zeilen. Der Grund dafür liegt Wochen zurück. Da geht es los, und zwar so: Ich treibe jeden Tag Sport. Nicht ganz freiwillig allerdings. Ich will mir einen Orden verdienen, genauer das Deutsche Sportabzeichen. Das nämlich fällt unter den Ordenerlass vom 4. Juli 1958, ein geschütztes Ehrenzeichen also, das sogar staatliche Uniformen schmücken darf.

Das ist der 15-jährigen Malie egal. Obwohl die Oberschülerin Sport liebt, begeistert reitet, gerne turnt und auch lange Judo betrieben hat, wäre sie von alleine nie auf die Idee gekommen, das Sportabzeichen abzulegen. Nun muss sie aber. Und zwar das silberne. Das ist Voraussetzung, um den Sportleistungskurs an der Egge zu belegen. Und Malie bindet ihre Mutter – eben mich – in das Training ein.

Warum dann nicht auch die Prüfung machen? Rund 3000 Bremer tun es Jahr für Jahr. „Tendenz steigend“, sagt Daniel Fangmann, der als Koordinator für Breiten- und Gesundheitssport beim Landessportbund Bremen zuständig für das Sportabzeichen ist. Immer mehr Unternehmen und Schulen unterstützen dieses Unterfangen in Sachen Körperertüchtigung, und auch die gesetzlichen Krankenkassen sind mit Prämien, Punkten oder gar Geldbeträgen dabei.

Ausdauer, Schnelligkeit, Kraft und Koordination müssen bewiesen werden. Schwimmen zu können ist Grundvoraussetzung. Im Übrigen kann man sich in jeder der vier Kategorien eine Disziplin relativ frei aussuchen. Die vorgegebene Auswahl ändert sich jedes Jahr ein wenig. Was 2017 verlangt wird, ist im Internet schnell gefunden, fein gegliedert nach Altersklasse und Geschlecht auf der Homepage des Landessportbunds. Praktische Trainingsplaner zum Ausdrucken gibt es gleich dazu.

Mal sehen: Ausdauer könnte das Mutter-Tochter-Team schwimmend, Rad fahrend oder laufend beweisen. Wie wäre es mit dem 800-Meter-Lauf für die Jüngere, 3000 Metern für die Ältere? Wir traben zu ersten Testläufen ins nahe Stadion. Mehr als Bronze-Niveau kommt dabei erst einmal nicht raus. Aber noch sind ja ein paar Wochen Zeit.

Manche der vorgegebenen Zeiten, Weiten oder sonstigen Übungen sorgen auch auf den zweiten Blick für Respekt. Und für Fragen. Im Büro der SAV hilft Adolf Mudder weiter. Der 82-Jährige ist Mitglied der SAV und seit 1973 als Prüfer für das Deutsche Sportabzeichen unterwegs. Selbst hat er es bereits 62 Mal abgelegt.

Wir studieren erneut die Anforderungen. Eine Schwimmzeit über 25 Meter, die der 51-Jährigen locker Gold einbringt, reicht bei der 15-Jährigen nicht einmal für Silber – unsere Aussichten auf Trainingserfolg wirken teils recht ungleich verteilt, teils schlicht nicht gegeben. Mit Bällen etwa sind Tochter und Mutter ähnlich talentiert, nämlich eher gar nicht. Das schränkt die Übungsauswahl in den Bereichen Kraft und Koordination stark ein.

Hinreichend Kraft wollen wir per Standweitsprung unter Beweis stellen. Beim normalen Weitsprung mit Anlauf, als Zeichen für Koordination, zeigt sich aber, dass die jeweilige Zielmarke außerhalb unserer Reichweite liegt – trotz mehr oder weniger lange zurückliegender Talentbeweise. Dann eben Seilspringen. Wieder hat die Ältere es einfacher. Die muss bloß rückwärts springen, die Jüngere soll den sogenannten Kreuzdurchschlag vorführen, den sie bis dato noch nie versucht hat.

In den ersten Tagen mit Übungen sieht das Kind aus wie durchgepeitscht. Beim Versuch, das überkreuzte Seil zu überspringen, verheddert Malie sich immer wieder an den Füßen, an den Schultern oder im Pferdeschwanz und knallt dann so schwungvoll wie schmerzhaft auf Waden, Unterarme, Ohren, Wangen, Rücken. Lernen auf die harte Tour: Schon an Tag fünf gelingt das Kunststück plötzlich – die Laune steigt.

In der vierten Trainingswoche schmerzen diverse Muskeln, dafür schafft das Kind die erforderlichen 15 Kreuzdurchschläge, sogar mehr, exakt 17. Beim Dauerlaufen sind Silberzeiten schon regelmäßig, und während des Schwimmtrainings hat sich die Kurzstrecke über 25 Meter zur echten Alternative in Sachen Schnelligkeit gemausert.

Die dringendste Baustelle ist nun der Kraftteil, denn die Zuversicht in Sachen Standweitsprung war etwas verfrüht. Während die Mutter in ihrer Altersklasse bloß über 1,50 Meter hüpfen muss, um Gold zu erlangen, müsste die Tochter für Silber wenigstens 1,80 Meter aus dem Stand überwinden.

„Ungerecht“, urteilt die 158-Zentimeter-Blondine. Wegen der Größenverhältnisse, die keine Berücksichtigung finden. Schließlich springe, wer lang gewachsen ist, doch auch weiter, oder? Der Sportabzeichen-Koordinator und erfahrene Übungsleiter Daniel Fangmann muss schmunzeln. „Die einfache Antwort: Die Technik macht es.“ Also weiter üben.

Im Seilspringen kommt nach und nach Routine auf. Bloß das mit dem Standweitsprung will und will sich nicht bessern. Also schöpfen wir alle Alternativen in Sachen Kraft aus: Vielleicht ist das Kind ja ein Naturtalent im Kugelstoßen? Ein erster Versuch mit einer geliehenen 2,5-Kilo-Kugel gibt Anlass zur Hoffnung.

Im wahren Leben, also zur Leistungsabnahme, gilt es jedoch für die Jahrgänge 2000 und 2001, eine 3-Kilo-Kugel über 6,25 Meter zu befördern. Als das richtige Übungsgerät zur Hand ist, schwindet ein bisschen Optimismus. Aber so ein Aufschwung am Reck sollte doch zu packen sein. Stellt sich nur noch die Frage: Wo und wann werden die Turnelemente abgenommen?

Daniel Fangmann bedauert: „Da die Nachfrage im Bereich Geräteturnen so gering ist, gibt es keine festen Zeiten in Bremen-Nord.“ Übungen ohne spezielles Gerät können meist auch bei den Leichtathletikterminen absolviert werden. Wer allerdings etwas an Reck, Ringen oder Barren zeigen möchte, muss sich an die Sportvereine wenden, um individuell einen Prüftermin abzustimmen.

Mit dieser Nachricht sinkt der Mut. Wir ziehen bei miesem Wetter unsere Runden auf dem Sportplatz und springen leicht verdrossen immer wieder in die Sandgrube. Die Weiten sind unterirdisch. Einerlei, wir gehen aufs Ganze, zum ersten möglichen Prüftermin im Stadion am Löh.

Und siehe da: In der gelösten Atmosphäre verschwinden schnell viele Sorgen. Junge Leute mit dem selben Ziel Sportleistungskurs finden sich zusammen, komplette Lauftreffs im mittleren Alter debattieren die Tagesform, und routinierte Sportabzeichen-Senioren versprühen heitere Gelassenheit.

Ruhender Pol ist der Nordbremer Sportabzeichen-Verantwortliche Gerhard Kietzmann. Keine Frage lässt er ohne Antwort. Schickt die Prüfer auf Position und die Aktiven zum Aufwärmen. Sammelt nach vollbrachter (Teil-) Leistung die Laufzettel wieder ein, trägt für Malies Weite beim Kugelstoßen „Silber“ ein.

Ganz nebenbei erfahren wir, dass es zusätzliche Termine für die Schwimmprüfung gibt. So kommt es dann, dass Mutter und Tochter schon tags drauf alle Kategorien erfüllt haben. Es reicht sogar unter Zeitdruck für Gold. Nun ist alles gut.

Der Weg zum Sportabzeichen Wer auf die Idee gekommen ist, sich an den Anforderungen des Sportabzeichens zu messen, muss nicht hetzen. Alle Leistungen müssen lediglich inner­halb eines Kalenderjahres absolviert werden. Grundsätzliche Informationen sowie die Leistungskataloge zum Download finden sich auf der Internetseite des Bremer Landessportbunds unter www.lsb-bremen.de. Ansprechpartner für Bremen-Nord ist Gerhard Kietzmann, Telefon 04 21/60 38 00. Öffentliche Vorbereitungsabende finden in der laufenden Saison bis einschließlich 27. September regelmäßig mittwochs ab 18 Uhr im Vegesacker Stadion am Bahnhofsplatz statt. Daneben bieten sich Bahnen und Sprunggruben der weiteren öffentlichen Stadien jenseits der Platzbelegungszeiten an. Auch die Prüftermine selbst können genutzt werden. In der Regel findet sich dort ein Prüfer, der bei Fragen zur Technik weiterhelfen kann. Prüftermine: Leichtathletik jeweils montags, 19. Juni, 7. August, 21. August, 11. September sowie 25. September auf dem Stützpunkt Löh-Sportplatz, Am Forst 1 Anmeldungen jeweils bis 17.30, die Leistungsabnahme beginnt gegen 18 Uhr. Zum Seilspringen sollte man ein eigenes Springseil mitbringen. Schwimmen: noch am 16. August im Kombibad Blumenthal, Am Freibad 5, von 18 bis 20 Uhr, letzte Anmeldung um 19 Uhr. Von den Teilnehmern ist der gültige Eintrittspreis zu entrichten. Walking und Nordic Walking, Dauer- und Geländelauf: nach Voranmeldung bei Gerhard Kietzmann ab Stützpunkt Löh-Sportplatz, Am Forst 1. Radfahren: donnerstags, 22. Juni, 27. Juli und 7. September, Start und Ziel am Tierheim, Wendeplatz an der Hemmstraße 491, Anmeldungen ab 17.30 Uhr, Start um 18 Uhr. Ansprechpartner ist Wilfried Gerken vom Radsportverband unter 04 21 / 45 40 25, E-Mail radsportbremen@aol.com.
„3000 Bremer treten jährlich zur Prüfung an.“ Daniel Fangmann, Landessportbund
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