Mit des Geschickes Mächten ist in diesem Sommer, frei nach Schiller, kein ew'ger Bund zu flechten. Das haben in den zurückliegenden, allzu kurzen und feuchten Sommermonaten viele Akteure, unter anderem des Kultursommers Summarum, zu spüren bekommen. Auch an diesem Tag türmen sich dunkle Wolken am Himmel, aber am Nachmittag reißt die Wolkendecke auf, und sogar etwas Sonnenschein lässt sich blicken. Perfekte Bedingungen also für die Premiere der neuen kunsthistorischen Führung, die der promovierte Kunsthistoriker Detlef Stein und der pensionierte Studienrat Heinrich Lintze für den vorderen Bürgerpark konzipiert haben. Auch wenn die nächste Gruppe von abermals 20 Interessierten von einem kalten Guss erwischt wird. Noch aber scheint zaghaft die Sonne und diese eineinhalb Stunden im Bürgerpark fühlen sich an wie ein kleiner Urlaub.
Los geht's am Hollersee vor dem Park Hotel, einem der schönsten, ja fast hochherrschaftlichen Plätze Bremens. Und das nicht ohne Grund, wirkt das Areal mit seinen fein geschnittenen Bäumen doch wie eine neobarocke Anlage im französischen Stil. Aber das Hotel ist nun mal ein Hotel und kein Schloss. Existierte in Bremen, anders als im benachbarten Oldenburg, doch keine Residenz. Sondern nur Bürgerhäuser. Bremen ist stolz darauf, eine der ältesten Stadtrepubliken überhaupt zu sein. Insofern gibt es hier - wie das in Residenzstädten sonst üblich ist - kein Lob absolutistischer Fürsten. Hier spiegele sich vielmehr die selbstbewusste Repräsentation der bürgerlich verfassten Gesellschaft, wie Heinrich Lintze erläutert. Das Park Hotel dominiere die Natur im Gegensatz zum Bürgerpark, der 1879 von Wilhelm Benque im Stile eines englischen Landschaftsgartens angelegt wurde, in den die Gebäude eingebettet sind. Benque achtete darauf, dass sich immer wieder Sichtachsen, so zur Meierei, eröffneten.
Wer heute die idyllisch-ruhige Lage rund um den Hollersee genießt, kann sich kaum vorstellen, dass sich hier 1890 anlässlich der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung einst mehr als eine Million Menschen tummelten. Damals hieß das Park Hotel allerdings noch Park Haus und war für Bremerinnen und Bremer als Kaffeehaus, auf dessen Terrasse am Hollersee Promenadenkonzerte veranstaltet wurden, ein beliebtes Ausflugsziel, wie Detlef Stein berichtet. 1911 war es nach Plänen von Rudolf Jacobs errichtet und nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg schließlich wieder aufgebaut worden. Ziel der pompösen Schau war es, der Weltausstellung nachzueifern, die im Jahr zuvor in Paris zu erleben war. Über 600 Aussteller hatten ihre Pavillons auf dem Gelände aufgestellt, darunter ein fernöstlicher Pagodenbau mit eigenem Bootsanleger. Aus diesem Kern sollte sich dann später das Übersee-Museum entwickeln, und auch die Anfänge der Bremer Straßenbahn AG gehen auf die Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung zurück. Die erste Straßenbahn Deutschlands wurde als Shuttle zu der Schau eingesetzt. Von den damaligen Pavillons ist das ehemalige Waldschlösschen erhalten geblieben, wie Detlef Stein erläutert. Dort gab 1890 ein Tabakhandelsunternehmen Einblick in die Zigarrenproduktion. Heute ist das Gebäude im Stile des Historismus als Restaurant Waldbühne im hinteren Teil des Bürgerparkes wieder aufgebaut worden.
Ein paar Schritte entfernt vom Hollersee steht das Denkmal samt Brunnen, das für den Bremer Kaufmann und Mäzen Johann Friedrich Niemitz 1878 von Heinrich Müller, einem der prägenden Bremer Architekten Ende des 19. Jahrhunderts, errichtet wurde. Von ihm stammen auch Melchersbrücke und Meierei sowie die alte Börse am Markt. Ursprünglich dazu gedacht, an einem kleinen, plätschernden Brunnen auf einer Bank auszuruhen, ist der Niemitz-Brunnen heute eingezäunt. Denn die Gefahr der Verwüstung durch Vandalismus sei in Bremen leider zu groß, sagt Heinrich Lintze. Er erläutert, dass kleine Häuschen dieser Art als Edicola bezeichnet werden. Und so ist das Niemitz-Denkmal im Stile eines pompejanischen Tempels konzipiert, wenn auch im neoklassizistischen Stil. Säulen, die überdacht sind, heißen im Italienischen so viel wie Archi und Tetto. Daraus leitet sich der Begriff Architektur ab, wie Lintze erläutert. Weiter geht es zum nächsten Denkmal, das Franz Schütte, dem Präsidenten und langjährigen Förderer des Bürgerparkvereins, gewidmet wurde.
Der Bürgerparkverein wurde 1866 von einem Dutzend Bremer Kaufleute gegründet. "Schon damals betonte der Senat, dass er für die Erhaltung des Bürgerparks kein Geld geben könne", sagt Lintze und schmunzelt dabei vielsagend. Schütte sammelte sein halbes Leben lang für den Bürgerparkverein. Das Schütte-Denkmal stammt von dem Bildhauer Adolph von Hildebrandt, genauso wie das Bismarck-Denkmal vor dem Rathaus. Schütte machte als unerschrockener Kaufmann und Petroleumkönig ein Vermögen, indem er das Gefahrengut Öl per Schiff aus den USA nach Europa exportieren ließ, erzählt Detlef Stein. Damit habe er schließlich den Grundstein für Esso gelegt. Doch damit nicht genug: Schütte war auch Mitbegründer des Bremer Vulkan. Er sponserte auch den zweiten Turm des Bremer Doms und initiierte die Erweiterung des Bürgerparkes um den Stadtwald. Wie wichtig das finanzielle Engagement der Bremerinnen und Bremer für ihren Bürgerpark ist, zeigt das Budget von zweieinhalb bis drei Millionen, das jährlich für den Erhalt des beliebten Naherholungsgebietes benötigt wird.
Was es mit dem Skulpturen-Quartett "Die Jahreszeiten", das rund um den Hollersee postiert ist, auf sich hat und von wem sie stammen, all das sind Details, die Interessierte im Zuge einer Führung erfahren können. Genauso wie die Herkunft der beiden Bronzen, eines Hirsches und eines afrikanischen Wasserbocks, die seitlich vom Park Hotel stehen und noch vieles mehr.