Wie ein gewaltiges Dornröschen-Schloss thront die "Umgedrehte Kommode" seit rund 150 Jahren auf der Werder-Halbinsel. Ein letztes Konzert - mit alten Synthesizern - fand hier im August 2011 statt, seitdem herrscht märchenhafte Stille in dem 47 Meter hohen neugotischen Backstein-Bauwerk, das lange Bremens größter Wasserturm war. Doch nun tut sich etwas: Eine bauhistorische Untersuchung im Auftrag der Eigentümerin soll die Grundlage schaffen, das eindrucksvolle Gebäude wieder dauerhaft mit Leben zu erfüllen.
"Wir wollen bei Null neu starten", sagt Amer Sandawi, mittlerweile Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der Wasserturm Bremen Verwaltungsgesellschaft. Gründer und Investor Sven-Erik Gless hat sich offenbar aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. 2005 hatte er die "Kommode" von den Stadtwerken Bremen (SWB) erworben, war mit seinen Nutzungskonzepten aber immer wieder am Einspruch von Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki gescheitert.
"Alle sind daran interessiert, das Gebäude wieder zu beleben"
Sandawi will nun mit Denkmalpflege und Baubehörde von Anfang an gemeinsam ein Konzept entwickeln. "Wir sind als Team unterwegs, denn alle sind daran interessiert, das Gebäude wieder zu beleben." Linda Neddermann, Sprecherin von Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne), bestätigt dies: "Es läuft, wir sind in einem guten Austausch." Im vorigen Oktober habe es einen gemeinsamen Ortstermin gegeben, an dem auch Senatsbaudirektorin Iris Reuther und Baustaatsrätin Gabriele Nießen teilgenommen hätten.
Weiter geht es nun mit einer bauhistorischen Untersuchung des alten Wasserturms. Im Auftrag der Eigentümerin erstellt das auf solche Untersuchungen spezialisierte Architekturbüro Strauß und Fischer sogenannte photogrammetrische Aufnahmen. Damit lässt sich das Gebäude berührungslos sehr exakt vermessen und darstellen. "Die Aufnahmen sind dann die Basis für weitere Gespräche mit der Denkmalpflege", erläutert Sandawi.
Trauungen als Zwischennutzung
Mit Ergebnissen rechnet er Ende April. Erst dann könne man sich auch gemeinsam Gedanken über ein Konzept zur dauerhaften Nutzung der Kommode machen. "Ich muss ja vorher wissen, ob ich Zwischendecken einziehen oder einen Fahrstuhl einbauen kann", sagt Sandawi. Mögliche Veränderungen an den Fenstern erwähnt er auch, doch die hatte Skalecki schon vor Jahren in offenbar zunehmend konfrontativen Gesprächen mit Gless für tabu erklärt. Dessen Konzept für ein Dachrestaurant unter einer Glaskuppel nebst gläsernem Außenfahrstuhl wurde damals rundweg abgelehnt.
Recht bald soll jetzt allerdings schon einmal mit kleineren Projekten zur Zwischennutzung wieder etwas Leben in die "Kommode" kommen. "Das kann mal eine Pressekonferenz sein oder eine Trauung oder ein Dinner", zählt Sandawi auf. "Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, was hier überhaupt möglich ist." Neddermann bestätigt, dass entsprechende Anträge bereits vorliegen und gerade "wohlwollend geprüft" werden.
"Wir sind auf einem guten Weg", versichert Sandawi, der mit seinem Immobilien-Unternehmen AMM Holding schon diverse Projekte in Bremen entwickelt hat. Darunter befinden sich der Mahndorfer Bahnhof oder Zu Wendts Hof in Osterholz mit 30 Eigentumswohnungen. An aktuellen Baustellen nennt Sandawi ein Projekt an der Marcusallee, den Umbau des Hotels am Werdersee oder ein ganzes Quartier an der Osterholzer Heerstraße mit rund 100 Wohneinheiten. Und bei der "Umgedrehten Kommode" sei er nun eben "federführend für den Neustart".
Ob und wie es den geben wird, hängt am Ende maßgeblich von Landesdenkmalpfleger Skalecki ab. Der antwortet auf Anfragen nach dem alten Wasserturm eher zurückhaltend: "Wir beobachten den Zustand des Bauwerks regelmäßig, können aber aktuell keine Verschlechterung des Zustandes feststellen." Das Gebäude sei "sehr robust".
Auf Investor Gless ist er offenbar nach wie vor nicht gut zu sprechen: "Herr Gless hält uns und die Baubehörde hin, wir werden bei Nachfragen immer wieder vertröstet, dass man an einem Konzept arbeite und in Kürze es uns vorstellen wolle." Ein gemeinsames Gespräch vor mehr als einen Jahr mit Staatsrätin Nießen sei ergebnislos geblieben. Den Ortstermin im Oktober, an dem die Denkmalpflege laut Neddermann beteiligt war, erwähnt Skalecki nicht - ebenso den Namen Sandawi.