Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Reihe: Gewässer in Bremen Aufräumen für die Artenvielfalt

Reiches Leben in Bremens Gewässern: Die Fleete und Gräben werden nach ökologischen Prinzipien bewirtschaftet und zeigen teils eine enorme Artenvielfalt. Die neue Reihe "Fleetenkieker" sieht genau hin.
29.04.2022, 08:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jörn Hildebrandt

Bremen ist durch die stark ausgebaute Weser geprägt, aber auch durch teils noch naturnahe Nebenflüsse wie Wümme oder Ochtum. Und ein ausgedehntes Grabensystem bildet ein Netzwerk aus fließenden Wasserläufen, das vor allem den umliegenden Feuchtgrünlandgürtel durchzieht. In zahlreichen Seen und Teichen steht das Wasser still – viele sind beliebte Flächen für Naherholung und Freizeitsport. Diese Reihe beleuchtet die Vielfalt der Gewässer im Bremer Raum – in ihrer Ökologie, aber auch aus der Perspektive verschiedener Nutzer.

Es muss sein: Im Abstand mehrerer Jahre entfernt ein Mähkorb den Pflanzenwuchs in Gräben, und ein Bagger räumt den Gewässergrund. Denn Fleete und Gräben müssen regelmäßig geräumt werden, um nicht zu verlanden und den Wasserdurchfluss zu gewährleisten. Dabei gelangen jedoch auch große Mengen Fische und Muscheln ans Ufer, die nur zum Teil ins Gewässer zurückkehren können.

Ersatzlebensräume für Tier- und Pflanzenarten

Natürliche Flusslandschaften mit ihren überschwemmten Auen und Altarmen sind in Norddeutschland weitgehend von der Bildfläche verschwunden: Im Zuge des Ausbaus der Fließgewässer wichen sie auf weiten Strecken begradigten und künstlich vertieften Wasserläufen mit befestigten Ufern. Doch die hoch spezialisierten Tier- und Pflanzenarten der Auen sind damit nicht sang- und klanglos verschwunden: Viele Arten überleben in Gräben und Fleeten, die ihnen als Ersatzlebensräume dienen – vorausgesetzt, diese vom Menschen geschaffenen Gewässer werden naturschonend unterhalten.

In den Bremer Flussniederungen und Marschen dient seit Jahrhunderten ein weitverzweigtes Grabennetz zur Entwässerung. Die bis zu acht Meter breiten Fleete bilden dabei die Haupt und Verbindungslinien zu den Gräben und sind teilweise aus natürlichen Gewässerläufen hervorgegangen. Für die Unterhaltung der Fleete ist der Deichverband zuständig, für die Gräben, die meist Grünlandflächen voneinander trennen, die Grundstückseigentümer.

Gewässer sollen europaweit in "guten Zustand" gebracht werden

„Die Gräben, die weite Teile der Hansestadt durchziehen, werden zum großen Teil nach ökologischen Kriterien unterhalten und gepflegt, wie es der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) entspricht“, sagt Michael Schirmer, Deichhauptmann beim Bremischen Deichverband am rechten Weserufer. „Denn die Gräben und Fleete sollen nicht nur eine Funktion für die Wasserwirtschaft erfüllen, sondern auch dem Naturschutz dienen“, sagt Schirmer.

Mit der WRRL sollen Flüsse, Seen, Grundwasser und Küstengewässer europaweit in einen qualitativ „guten Zustand“ überführt werden. Das soll durch drei Bewirtschaftungszyklen bis zum Jahre 2027 erreicht werden. Die Kontrolle, ob die umgesetzten Maßnahmen erfolgreich waren, geschieht durch eine Bestandsaufnahme der Belastungen, durch Gewässer-Überwachung und -bewertung.

Gefährdete Arten und zugewanderte Bewohner

Im Blockland, Hollerland und Werderland besiedeln die gefährdeten Fischarten Bitterling, Steinbeißer und Schlammpeitzger die Gräben und Fleete und waren ein Grund, die Gewässer in das Europäische Naturschutz-Netzwerk Natura 2000 aufzunehmen. Die Unterhaltungsmaßnahmen in Fleeten und Gräben befördern jedoch nicht nur Fische, sondern auch Großmuschelarten wie die Malermuschel und die Gemeine Teichmuschel aus dem Wasser.

Durch die regelmäßigen Grabenräumungen entsteht ein Mosaik aus verschiedenen Entwicklungsphasen.
Deichhauptmann Michael Schirmer

Zusammen mit dem BUND Bremen hat der Bremische Deichverband am rechten Weserufer untersucht, wie man die Praxis der Fleeträumung optimieren kann, um Fische und Muscheln so weit wie möglich zu schonen. Insgesamt stellte das Team 17 Fischarten in den untersuchten Fleeten fest, und außer den Muschelarten sind dort inzwischen auch Einwanderer wie die Chinesische Wollhandkrabbe oder der amerikanische Kamberkrebs zuhause.

Nischen für mehr Artenvielfalt

„Durch die regelmäßigen Grabenräumungen entsteht ein Mosaik aus verschiedenen Entwicklungsphasen, die der natürlichen Dynamik einer Flussaue entsprechen“, sagt Michael Schirmer. Indem immer neue Nischen entstünden, könne sich in Gräben und Fleeten ein großes Artenspektrum halten. Dabei erfüllten die breiteren Fleete wichtige Funktionen für die Wassertiere. Zum einen, so wissen Experten, ermöglichen sie die Wanderung und Ausbreitung innerhalb der Grabensysteme, zum anderen frieren sie im Gegensatz zu den Gräben im Winter nicht durch: Das bietet Überwinterungsraum für Fische und andere Organismen.

Über eine Strecke von fast zehn Kilometern haben Biologen die Fleeträumungen begleitet und die an Land gebrachten Tiere wieder ins Wasser gesetzt, nachdem sie bestimmt und ausgemessen wurden.

Mosaik der Gewässer-Entwicklung

Die Untersuchungen machten es möglich, die Fleeträumungen zu optimieren: Die Gewässer werden seitdem in einer pendelartigen Bewegung entkrautet. Wie in einem natürlichen Gewässer schwinge dann die Strömung hin und her und lasse steilere Prall- und flachere Gleithänge entstehen. Und wenn der Baggeraushub nah am Ufer abgelegt werde, könnten viele Tiere wieder ins Wasser zurückkehren. Kleinere Abschnitte mit Wasserpflanzen oder Ausbuchtungen des Gewässers werden von den Räumungen ganz ausgespart. Und in angelegten Grabentaschen entstehen Rückzugsräume für die Fauna.

Eine Fleetschau, verbunden mit einem Kataster, ermöglicht es, die Pflegemaßnahmen zu planen, die insgesamt ein Mosaik aus mehreren Phasen der Gewässer-Entwicklung schaffen – vom fast vegetationslosen Frühzustand bis zum stark verlandeten Fleet. Bei den Räumarbeiten sind Begleiter anwesend, die Ansammlungen von Fischen und Muscheln postwendend wieder ins Wasser setzen.

150 Kilometer Fleete und Gräben

„Bei einer Gesamtlänge der Fleete und Gräben von rund 150 Kilometern ergeben sich nicht nur enorme Wassermengen, sondern auch Uferstrecken, die der Vielfalt der Wassertiere und -pflanzen Lebensraum bieten“, sagt Michael Schirmer. Deshalb habe der Bremische Deichverband am rechten Weserufer nicht nur die Fleeträumung optimiert, sondern auch zahlreiche Ufer-Rückverlegungen durchgeführt, wie zum Beispiel am Gröpelinger Fleet oder am Maschinenfleet – Gewässer, die streckenweise so natürlich wirken, als wären sie durch die Dynamik der Flussauen entstanden.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)