Die Bremer haben in den zurückliegenden Wochen des Lockdowns offenbar länger geschlafen. Zumindest könnte man das aus dem Wasserverbrauch schließen. „Der Verbrauch startet jetzt etwa eine halbe bis Dreiviertelstunde später und erreicht erst um zehn seinen Höhepunkt“, sagt Alexander Jewtuschenko von SWB. Die Werktage ähnelten damit aktuell eher einem Verbrauchsprofil, dass der Trinkwasserlieferant sonst nur aus Ferienzeiten kennt. Wo Arbeitswege weggefallen sind, weil man entweder in Kurzarbeit oder im Homeoffice sitzt, kann der Tag offenbar etwas später beginnen.
Auch einen insgesamt gestiegenen Wasserverbrauch kann SWB vermelden. „In dieser Hinsicht bewegen wir uns derzeit auf dem Niveau warmer Sommertage“, sagt Friedhelm Behrens, Chef der SWB-Presstelle. Das dürfte aber wenig mit den Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie zu tun haben, sondern eher mit dem trockenen April zusammenhängen, mutmaßt er. „Die Leute bewässern wahrscheinlich ihre Gärten.“
An anderer Stelle sorgen indes eindeutig die Kontaktbeschränkungen für merkliche Verschiebungen, etwa bei der Müllentsorgung. „Wir konnten in den zurückliegenden Wochen die Leerungen der Papierkörbe in der Innenstadt zum Beispiel zurückfahren“, berichtet Antje von Horn von der Bremer Stadtreinigung. Dafür gab es vermehrt Müll am Osterdeich und an der Schlachte. „Wir haben unsere saisonalen Abfallbehälter dort bereits aufgestellt, normalerweise passiert das erst ab Mai.“ Der Hintergrund ist klar: Viel weniger Passanten als üblich in der Innenstadt bedeuten zwangsläufig auch weniger Abfall in den Papierkörben. Dafür wurden bei gutem Wetter Schlachte und Osterdeich vermehrt für den Aufenthalt genutzt. „Weil die Gastronomie aber geschlossen ist, haben die Menschen ihre Verpflegung von zu Hause mitgebracht.“
Auch insgesamt sei das Müllaufkommen in den privaten Haushalten gestiegen, bestätigt von Horn. Genaue Zahlen hat die Stadtreinigung noch nicht, aber man merke das in der Disposition der Touren. „Die Müllwagen sind jetzt schneller gefüllt und müssen häufiger die Müllverbrennungsanlage anfahren.“ Vereinzelt komme es auch zu übervollen Tonnen oder „Beistellungen“, wie von Horn es nennt: zusätzliche, nach Rechtslage illegal entsorgte Abfälle, die einfach neben die Tonnen gestellt werden. „Aber damit kommen wir klar“, betont sie. Wegen Corona sei es bei den Abfuhren kaum zu Einschränkungen gekommen. Einzige Ausnahme: Es werde weniger Sperrmüll abgeholt, weil es überall im Stadtgebiet verstärkt zu wilder Entsorgung komme, vor allem im Umfeld der Containerstationen, die eigentlich nur für Altglas und Textilien vorgesehen sind. „Dort aufzuräumen beschäftigt zahlreiche Mitarbeiter, die dann für den Sperrmüll fehlen“, sagt von Horn.
Aktueller Strombedarf um rund 20 Prozent reduziert
Eher diffus ist die Bestandsaufnahme beim Strom. Das Problem: Die SWB als Netzbetreiber kann bei der Lieferung technisch nicht zwischen Privathaushalt und gewerblichem Abnehmer unterscheiden. „Wir sehen nur die Gesamtstrommenge, die ins Netz eingespeist werden muss“, sagt Behrens. Wie viel davon auf die Privathaushalte entfällt werde erst am Ende der Leitung durch die Zähler beim jeweiligen Kunden deutlich. Das ist deshalb von Bedeutung, weil derzeit große gewerbliche Abnehmer ausfallen. Allein die Kurzarbeit und Produktionsstopps bei Mercedes-Benz und im Bremer Stahlwerk reduzierten den aktuellen Strombedarf um rund 20 Prozent.
„Wenn die privaten Verbräuche steigen, weil mehr Menschen zu Hause sind, dann fällt das in der Gesamtschau für uns nicht ins Gewicht. Wir bemerken es einfach nicht.“ Behrens empfiehlt den privaten Kunden deshalb zur Sicherheit gut zehn Prozent des monatlichen Abschlagsbetrages zusätzlich zurückzulegen, auch weil die Strompreise steigen könnten. „Wir gehen außerdem davon aus, dass sich etwa durch Homeoffice ein Teil der Verbräuche von Strom, Wärme und Wasser vom Betrieb in die Haushalte verlagert.“
Dafür spricht auch die Bilanz der Telekommunikationsanbieter. Vodafone bestätigt für den Raum Bremen im März rund 80 Prozent mehr Telefonate im Festnetz im Vergleich zum Februar. Im Mobilfunk wuchs der Telefonverkehr um rund 40 Prozent. „Dieser Trend setzte sich sogar in den Osterferien fort“ betont Vodafonesprecher Volker Petendorf. Normalerweise gehe die Netzauslastung dann deutlich zurück geht. Die Reisebeschränkungen machen sich hier offensichtlich bemerkbar. Anders sieht es beim Datenverkehr aus: Hier gab es nur ein leichtes Plus von 14 Prozent im Festnetz und zehn Prozent im mobilen Netz. „Das Telefonat erlebt in den Corona-Zeiten einen neuen Frühling“, fasst es Petendorf zusammen. Diese Tendenz zeige sich überall in Deutschland. „Es gibt praktisch keine regionalen Unterschiede.“
Das bestätigt auch die Telekom, die ähnlich wie beim Wasser Verschiebungen des Bedarfs sieht. „Die Menschen sind jetzt abends länger online. In den späten Stunden bis nach Mitternacht sehen wir etwas mehr Nutzung als sonst“, berichtet Sprecherin Marion Kessing. Morgens wird dafür ausgeschlafen.
Warum der Strompreis wegen Corona steigen könnte
Ein Nebeneffekt der Pandemie könnte die privaten Haushalte in Deutschland im kommenden Jahr treffen, denn der Strom dürfte vermutlich teurer werden. Und das ganz ohne Preiserhöhung der Lieferanten. Der Effekt ergibt sich aus einem aktuell sinkenden Verbrauch und dem Erneuerbaren Energie-Gesetz (EEG).
Das funktioniert so: Geschlossene Betriebe und heruntergefahrene Produktion haben den Stromverbrauch derzeit um bis zu 20 Prozent gesenkt. Gleichzeitig schreibt das EEG vor, dass Strom aus Solar- und Windenergie bei der Stromeinspeisung Vorrang genießt. Darum hat zum Beispiel die SWB derzeit ihr Kohlekraftwerk in Hastedt vollständig vom Netz genommen. Relativ gesehen steigt deswegen der Anteil des regenerativ erzeugten Stroms im Netz. Liegt dieser gewöhnlich bei etwa 35 Prozent, sind es nun über 50 Prozent.
Das EEG garantiert den Produzenten von Wind- und Solarstrom außerdem einen garantierten Abnahmepreis. Dieser wird durch die sogenannte EEG-Umlage finanziert, die jeder Verbraucher mit seiner Stromrechnung bezahlt. Derzeit sind das 6,576 Cent pro Kilowattstunde. Diese EEG-Umlage gleicht die Differenz zwischen der gesetzlich garantierten Abnahmevergütung und dem am Strommarkt geltenden Preis aus. Weil wegen der sinkenden Stromnachfrage der Marktpreis aktuell aber stark gesunken ist und zugleich viel mehr Ökostrom im Netz ist, wird als zwangsläufige Konsequenz diese EEG-Umlage im nächsten Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen.