Um Ansatzpunkte für seine künftige Tätigkeit als neuer Koordinator des Sicherheitsprogramms Hauptbahnhof zu finden, reicht Christian Modder ein kurzer Gang über den Bahnhofsvorplatz. Da sind zum Beispiel die Bettler, die inzwischen wieder direkt vor dem Haupteingang des Bahnhofs sitzen. Da ist die Crack-Szene auf den Wartebänken eines bestimmten Straßenbahngleises. Oder da ist die Wiese vor dem Überseemuseum: "Eigentlich ein toller Platz, aber wir lassen ihn verkommen."
2018 wurde das Programm für mehr Sicherheit und Sauberkeit am Hauptbahnhof ins Leben gerufen. Grundidee dabei: Verschiedene Behörden, Hilfseinrichtungen, Geschäftsleute und andere Anrainer des Bahnhofs ziehen gemeinsam an einem Strang, um die "Visitenkarte Bremens" aufzupolieren – weg vom Schmuddelimage, hin zu mehr Aufenthaltsqualität. Seither wurde eine Menge erreicht, betont Modder. Bedingt durch Corona seien viele angeschobene Maßnahmen zuletzt aber ins Stocken geraten. "Da müssen wir mit Elan und neuen Ansätzen ran."
Für ihn entscheidend dabei ist die richtige Balance. Es gehe ausdrücklich nicht darum, Bettler, Drogensüchtige und Alkoholiker zu vertreiben, betont der 39-jährige Polizist. Der Hauptbahnhof werde immer ein Treffpunkt für ein bestimmte Klientel bleiben. "Aber wir müssen diesen Menschen Alternativen aufzeigen." Dezentrale Anlaufpunkte in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof, wie den Drogenkonsumraum, den Szenetreff oder den Nelson-Mandela-Platz. "Niemand soll sich vertrieben fühlen."
Zugleich jedoch müssten die Interessen und hier vor allem das Sicherheitsgefühl der Nutzer des Hauptbahnhofes berücksichtigt werden. Jeder müsse problemlos und unbehelligt ans Ziel gelangen können. Zu beachten seien dabei auch die vermeintlich kleinen Dinge. "Dass ich mich auf eine Wartebank setzen kann. Und zwar auf jede. Ohne dass sie blockiert ist oder nach Urin stinkt."
Christian Modder tritt die Nachfolge von Jens Körber an. Der hatte dieses Amt 2018 übernommen und geht am 31. Juli in den Ruhestand. Körber habe mit viel Schwung, Energie und Einfallsreichtum unterschiedlichste Akteurinnen und Akteure an einen Tisch und dabei vielfältige Interessen unter einen Hut gebracht, würdigte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) dessen Arbeit. "Dabei war diplomatisches Fingerspitzengefühl und Durchsetzungsvermögen gleichermaßen gefragt."
Wie Körber wechselt Modder für diese Aufgabe zur Innenbehörde. Der 39-Jährige ist seit 2003 in Diensten der Bremer Polizei, leitete als Polizeioberrat zuletzt das Kommissariat West. Und hatte in dieser Position schon enge Berührungspunkte zu seinem neuen Tätigkeitsfeld. Denn wie Körber ist Modder nicht nur für den Bereich Hauptbahnhof zuständig, sondern auch für die Sicherheitspartnerschaft Gröpelingen. Er ist "Koordinator der Sicherheitspartnerschaften" – ein Plural, der nicht von ungefähr kommt. Was am Hauptbahnhof und in Gröpelingen durch die Vernetzung unterschiedlichster Akteure klappt – Müllentsorgung, öffentliche Beleuchtung, die Überprüfung prekärer Wohnsituationen, klare gesetzliche Regelung zur Nutzung von Haltestellenhäuschen –, könnte durchaus später zum Muster für andere Stadtteile werden.
Doch zunächst richtet sich der Fokus auf den Hauptbahnhof. "Wir brauchen hier dringend kostenlose öffentliche Toiletten, müssen den sichtbaren Drogenhandel stärker zurückdrängen, noch mehr Drogenkonsumenten als bisher mit Anreizen, aber auch Druck für die Nutzung des Drogenkonsumraums gewinnen und brauchen zudem niedrigschwellige Beschäftigungsangebote für diese Menschen", zählt Modder auf.
Dafür sei ein langer Atem erforderlich, betont Innensenator Mäurer. Wer hier einen Kurzstreckenlauf erwartet habe, liege falsch. Gefragt seien vielmehr die Fähigkeiten für einen Marathon.