Das künftige Kinderkrankenhaus am Klinikum Bremen-Mitte wird den neuen Namen „Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess“ tragen. Dort werden mehrere Kinderkliniken zusammengeführt: die heutige Prof.Hess-Kinderklinik, die Kinderklinik des Klinikums Links der Weser, die Klinik für Kinderchirurgie und -urologie, die pädiatrische Intensivmedizin sowie die Frühgeborenenversorgung. „Damit sind alle kinderheilkundlichen Disziplinen – mit Ausnahme der Kinder- und Jugendpsychiatrie und des Sozialpädiatrischen Instituts (SPI) – künftig unter einem Dach beziehungsweise in einem Gebäude zu finden“, heißt es seitens der Gesundheit Nord (Geno). Eine Abteilung für Geburtshilfe werde das Leistungsspektrum des neuen Eltern-Kind-Zentrums ergänzen, das im Herbst diesen Jahres den Betrieb aufnehmen wird.
Der jetzigen Namensgebung ging eine Debatte um dem Fortbestand des Namens voraus: Martin Claßen, Chefarzt der Prof.-Hess-Kinderklinik und der Kinderklinik am Krankenhaus Links der Weser, so war es im WESER-KURIER zu lesen, habe zum Abschluss eines Rundganges durch die neuen Räumlichkeiten gesagt: „Es gibt noch keinen endgültigen Namen für die neue Klinik.“ Prof.-Hess-Kinderklinik scheide jedenfalls aus, weil mit dem neuen Krankenhaus eine neue Zeitrechnung beginne.
„Wir wollen keinesfalls, dass der Name verschwindet“
Geno-Sprecherin Karen Matiszick sagt dazu: „Wir wollen keinesfalls, dass der Name verschwindet, das stand auch nie zur Debatte. Der Chefarzt hat das so nie gesagt und nie die Absicht gehabt, einen Schlussstrich zu ziehen.“
„Als ich gelesen habe, dass der Name ,Prof.-Hess-Kinderklinik‘ weg soll, bin ich auf die Barrikaden gegangen“, sagt zuvor der Mediziner Harro Jenss, der bereits einige Bücher über jüdische Mediziner geschrieben hat . „Es ist ja auch etwas Besonderes, die Klinik nach einem verfolgten Arzt zu benennen.“
Holger Hasenkamp war als Kind selbst Patient von Hess – zu einer Zeit, als Hess bereits nur noch Privatpatienten behandeln konnte: 1934 durfte er „aus rassischen Gründen“ nicht mehr als städtischer Kinderarzt tätig sein. „Im Mai 1941 bekam ich Scharlach“, erinnert sich der 1935 geborene Hasenkamp, „da war ich schon Schulkind. Meine Mutter sagte, dass ich Fieber hätte und da kam er her.“ In Sachen „Rudolf Hess“ hat sich Holger Hasenkamp schon einmal engagiert: Als das Nutzungsrecht der Grabstelle des 1962 gestorbenen Rudolf Hess auf dem Riensberger Friedhof abgelaufen war, verwitterte der Grabstein. Er und andere Mitstreiter sammelten Geld, um den Stein von einem Steinmetz in Absprache mit der Friedhofsverwaltung restaurieren zu lassen. Marlis Ebeling war eine dieser Mitstreiterinnen: „Mein Bruder bekam Diphtherie und Professor Hess hat ermöglicht, dass er zu Hause bleiben durfte. Da war meine Mutter sehr dankbar.“
Im Oktober 1944 wurde Rudolf Hess dann im Rahmen der „Sonderaktion J“ verhaftet und in das Farger Arbeitserziehungslager gebracht, nach der Entlassung nach zehn Tagen verbrachte er die Zeit bis Kriegsende in der Lüneburger Heide, wie es in der von Wilhelm Lührs herausgegebenen „Bremischen Biographie“ von 1969 heißt. Doch schon im Mai 1945 kehrte Hess in sein Amt als leitender Arzt zurück.
Wenige Jahre nach seinem Tod im Jahre 1966 erfolgte die Namensgebung „Prof-Hess-Kinderklinik“ auf Betreiben des bis 1962 als Finanzsenator tätigen Wilhelm Nolting-Hauff, der das Schicksal der Inhaftierung in Farge mit Hess teilte.
„Wir haben erkannt, wie wichtig es ist, dieses Gedenken aufrecht zu erhalten. Mit der Benennung unseres Eltern-Kind-Zentrums nach Professor Hess folgen wir damit auch dem Wunsch vieler Bremerinnen und Bremer“, sagt Klaus Beekmann, Geschäftsführer Infrastruktur und Technologie der Geno.
Gesundheitssenatorin begrüßt Namensgebung
Senatorin Claudia Bernhard (Linke) begrüßt die Namensgebung ebenfalls und hebt die Bedeutung des Andenkens an Hess hervor: „Professor Hess war nicht nur ein wichtiger Kinderarzt der Stadt Bremen. Unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten litten europaweit Millionen Jüdinnen und Juden, auch Professor Hess war von dieser antisemitischen Verfolgung betroffen.“ Vor dem Hintergrund eines wiedererstarkenden Antisemitismus mit Anschlägen wie in Halle, bedürfe es der Aufrechterhaltung des Gedenkens an die Opfer. „Es ist unser aller Aufgabe, dieses Gedenken zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Die Benennung des gesamten Eltern-Kind-Zentrums nach Professor Hess wird genau jenem notwendigen Gedenken und Erinnern in der heutigen Zeit gerecht. Von daher begrüße ich die Entscheidung, die die Gesundheit Nord getroffen hat, sehr“, so Claudia Bernhard.
Jetzt, nachdem die Klinik nun „Eltern -Kind-Zentrum Prof.-Hess“ heißen soll , sei das natürlich grandios, meint dazu Harro Jenss. „Das bedeutet ja, dass sie das ganze Zentrum nach Professor Hess benennen wollen – eine nochmalige Erweiterung.“ Auch Marlis Ebeling freut sich: „Das ist ganz wunderbar, das freut mich sehr.“ Und Holger Hasenkamp meint: „Das ist sehr gut und Professor Hess angemessen.“