Seit 26 Jahren arbeitet Mareike Speckmann jetzt schon im First-Reisebüro am Herdentorsteinweg. „Glauben Sie mir, da haben wir schon einige Höhen und Tiefen zu meistern gehabt“, sagt sie. Aber das, was sie gerade erlebe, das toppe dann doch alles. „Es gibt bei unseren Kunden eine große Verunsicherung, was eigentlich noch erlaubt ist und was nicht.“ An diesem Freitag wird beschlossen, dass Einreisende aus sogenannten Risikogebieten noch am Flughafen auf Corona getestet werden – und zwar verpflichtend. Da stellt sich die Frage: Wer reist in diesem Sommer überhaupt noch in Risikogebiete?
Derzeit zählen mehr als 100 Länder dazu, darunter unter anderem Ägypten, die Türkei, die USA, Russland, die Dominikanische Republik, Marokko und Israel. Susanne Stünckel, Pressesprecherin bei Tui, sagt auf WESER-KURIER-Nachfrage: „Pauschalreisen in die Türkei, nach Ägypten, Marokko oder Israel sind derzeit weniger angesagt, da Tui in die Türkei bis vorerst 13. August und in die anderen Länder bis 31. August keine Reisen durchführt.“ Grundsätzlich gelte: Solange das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für bestimmte Länder ausspreche, könnten diese nicht von Tui-Gästen bereist werden.
Mareike Speckmann hat Reisen in die Türkei zuletzt nur noch storniert und nicht mehr gebucht. Das sei weniger der Angst geschuldet, an Corona zu erkranken, sondern mehr der Unsicherheit, welche Folgen ein Urlaub in der Türkei oder Ägypten für die Reisenden haben könnte. „Viele befürchten Ärger mit dem Arbeitgeber, wenn man sich nach dem Urlaub 14 Tage in Quarantäne begeben muss“, sagt die Reiseverkehrsfrau. Aber generell gibt es quasi keine Nachfragen für Urlaubsziele in Risikogebiete. „Wir haben keine Reise verkauft.“
Wer Interesse hätte, den würde sie aber auf jeden Fall beraten. „Aber wir bieten diese Reisen nicht offensiv an und würden damit auch auf keinen Fall in die Werbung gehen“, erklärt Speckmann. Überhaupt hätten sich die Anforderungen in ihrem Beruf zuletzt zunehmend geändert. „Wir müssen uns ständig informieren, was sich an Reisebeschränkungen verändert und welche Vorgaben es jetzt gibt. Der Kunde hat ein Recht darauf, vollumfänglich informiert zu werden.“ Aber nicht alles sei schlecht in Zeiten von Corona. „Wir sind mit unseren Kunden wieder intensiver in Gesprächen, wägen Vor- und Nachteile ab und erarbeiten die Reisen. Denn eigentlich sitzen wir ja alle im selben Boot: Wir wollen Reisen verkaufen, der Kunde eine schöne Zeit haben.“
Aeroflot hat Flugverkehr von und nach Russland eingestellt
Jelena Korogodska ist mit ihrem Reisebüro auf Reisen nach Russland spezialisiert. Das ist jetzt ein Problem, denn Russland gehört zu den Risikogebieten und mit der Aeroflot hat die größte Fluglinie den Verkehr von und nach Russland eingestellt. „Ich habe eigentlich nur noch storniert“, sagt sie. Viele in Deutschland lebende Russen würden im Sommer traditionell ihre Familien in der Heimat besuchen und die Flüge frühzeitig buchen – Corona zog auch hier den Stecker. Neue Buchungen gebe es so gut wie keine mehr. Und auch für August rechnet Korogodska nicht mit neuen Kunden und Aufträgen. „Ich befürchte, dass alles bei null bleibt.“
Bei Yildirim-Reisen im Viertel dreht sich fast alles um Reisen in die Türkei. Chefin Züleyha Yildirim hat eine ziemlich klare Meinung von Reisewarnungen und Risikogebieten. „Das gehört alles sofort aufgehoben“, sagt sie. „Wir wollen, dass die Türkei wie Spanien, Griechenland oder Italien behandelt wird.“ Ihr Eindruck ist: „Viele unserer Kunden fliegen trotz der Reisewarnung in die Türkei. Und wer nicht fliegt, der setzt sich ins Auto und fährt.“
Dass es einen Einbruch bei den Pauschalreisen in die Türkei gegeben habe, liege an den deutschen Reiseveranstaltern, die alle Angebote storniert hätten. „Es gibt ein paar türkische Anbieter, über die wir Reisen verkaufen. Aber insgesamt verkaufen wir viel weniger Reisen als im letzten Jahr.“ Und das werde sich auch in diesem Jahr nicht mehr ändern.
Laut Tui sind Deutschland und Spanien derzeit die beliebtesten Reiseziele, gefolgt von Österreich und Griechenland. Innerhalb Spaniens ziehe es die meisten Urlauber auf die Balearen und Kanaren. Innerhalb Deutschlands seien Mecklenburg-Vorpommern und der bayerische Wald die beliebtesten Urlaubsregionen.
Ärztekammer für Flughafen-Tests
Die Ärztekammer Bremen unterstützt die Überlegungen, Einreisende aus Risikoländern an den Flughäfen verpflichtend auf Corona zu testen. „Da nicht sichergestellt werden kann, dass die verpflichtende Quarantäne von diesen Reisenden eingehalten wird, ist eine Pflichttestung das sicherste Mittel, neue Infektionen zu verhindern“, sagt Heidrun Gitter, die Präsidentin der Ärztekammer Bremen.
Sie plädiert auch dafür, dass die Reisenden die Kosten für die Tests übernehmen. „Sinnvoll wäre möglicherweise auch, wenn sich die Gesundheitsminister auf eine zusätzliche Überwachung einigen könnten, indem stichprobenartig Tests von Reisenden auf freiwilliger Basis und ohne Kostenpflicht für die Reisenden entnommen werden", so Gitter weiter.