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Senat bleibt Auskünfte schuldig Offene Fragen zu Kindern im Drogenmilieu

Der Schutz von Kindern aus Elternhäusern mit Drogenproblemen ist Sache der Sozialbehörde. Wie gut sie ihren Aufgaben gerecht wird, darüber gehen die Auffassungen zwischen Senat und CDU auseinander.
30.12.2017, 19:50 Uhr
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Offene Fragen zu Kindern im Drogenmilieu
Von Jürgen Theiner

Hat sich die Lage von Kindern und Jugendlichen, die in einem Drogenumfeld leben, in den vergangenen Jahren verbessert? Die CDU-Bürgerschaftsfraktion wollte das vom Senat wissen. Die Antworten des Sozialressorts auf einen entsprechenden Fragenkatalog der Christdemokraten vermitteln in der Summe kein klares Bild – häufig zieht sich die Behörde auf den Datenschutz zurück oder verweist darauf, dass bestimmte Zahlen und Sachverhalte nicht dokumentiert seien.

Die CDU hatte sich zuletzt vor gut zwei Jahren nach den Ergebnissen von Haaranalysen erkundigt, mit deren Hilfe nachgewiesen werden kann, ob Kinder mit Drogen in Berührung gekommen sind. Solche Untersuchungen können in begründeten Verdachtsfällen angeordnet werden. Auf die neuerliche Anfrage der CDU hat die Sozialbehörde nun Zahlen für die Jahre 2015 bis 2017 geliefert.

Demnach wurden 2015 insgesamt 123 Kinder aus dem Drogenmilieu getestet, davon 101 positiv. Im Folgejahr wurden bei 86 von 125 überprüften Kindern Rückstände von Rauschgift gefunden. Für 2017 liegen die Zahlen derzeit bis einschließlich August vor. Resultat: 59 von 87 Proben waren positiv.

Fragen werden nicht detailliert beantwortet

In der Regel legten die Untersuchungen also nahe, dass jeweils mehr als zwei Drittel der getesteten Kinder mit Rauschgift in Berührung gekommen waren. „Erschreckend“ nennt das die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandra Ahrens, auf deren Initiative die Anfrage ihrer Fraktion zurückgeht. Die Fragen der Christdemokraten zum weiteren behördlichen Umgang mit den positiv getesteten Kindern werden vom ­Senat nicht detailliert beantwortet.

So wollte die CDU beispielsweise wissen, wie viele der Kinder im gleichen Zeitraum wegen Verletzungen oder sonstiger gesundheitlicher Probleme in ärztlicher Behandlung waren. Es erfolge „keine anlass- oder zielgruppenbezogene Erfassung solcher Daten“, heißt es dazu aus der Sozialbehörde. Auch über die Dokumentationssysteme der Jugendämter und der Ärztekammer Bremen gebe es keine Auswertungsmöglichkeiten.

Zur Frage, wie viele drogenabhängige Eltern sich einer Untersuchung ihrer Kinder entzogen, bleibt der Senat ebenfalls eine Antwort schuldig. Ausweichend auch die Antwort auf die Frage, in wie vielen Fällen die Sozialbehörde Kinder nach positiven Drogentests in Obhut nahm oder in Pflegefamilien gab. Sofern solche „familienrechtlichen Interventionen“ erforderlich seien, würden sie „im erforderlichen Umfang eingesetzt“, so die Auskunft des Senats.

Sandra Ahrens sind diese Auskünfte zu dürftig. Es sei auffällig, dass sich der Senat immer dann auf den Datenschutz zurückziehe, wenn es konkret um Fragen des Kindeswohls gehe. Auf Konfrontationskurs geht Ahrens auch in der Frage der personellen Ausstattung des Amtes für Soziale Dienste (AfSD). Hintergrund: Nachdem 2006 im „Fall Kevin“ erhebliche Missstände beim Schutz von Kindern aus dem Drogenmilieu zu Tage getreten waren, hatte die Behörde personell deutlich aufgerüstet.

Zahlreiche zusätzliche Sachbearbeiter – behördenintern auch Casemanager genannt – wurden eingestellt. In der aktuellen Senatsantwort wird für 2017 eine Zahl von knapp 150 Casemanagern genannt, die sich jeweils um eine bestimmte Zahl von Minderjährigen kümmern, bei denen das Kindeswohl aus unterschiedlichsten Gründen bedroht erscheint. Im Jahr 2007 waren es lediglich 111 Sachbearbeiter.

Noch ein anderer Sachstand ist unbefriedigend

Die reinen Zahlen täuschen aus Sicht der CDU-Sozialpolitikerin über die wahren Zustände bei der Betreuung gefährdeter Kinder hinweg. So habe es seit 2015 im AfSD eine erhebliche Fluktuation unter den Casemanagern gegeben. Angesicht der hohen Belastung mit Fallakten hätten viele Mitarbeiter der Behörde „das Weite gesucht“, so Ahrens.

Bei den nachrückenden, neu eingestellten Kräften handele es sich häufig um Berufsanfänger, die nach längerer Einarbeitungszeit erst einmal Erfahrungen sammeln müssten. Die nackte Zahl von 150 Casemanagern sage deshalb wenig über die tatsächliche Leistungsfähigkeit des AfSD im Jugendschutz aus. Völlig unbefriedigend ist aus Sicht der Christdemokratin noch ein anderer Sachstand.

Dabei geht es um die schon länger geplante „Rahmenvereinbarung zum besseren Schutz der Kinder drogenabhängiger Eltern“, auf die sich verschiedene behördliche und berufsständische Akteure – unter anderem auch die Ärzteschaft – verständigen sollen. Aus der Senatsantwort auf die CDU-Anfrage geht hervor, dass dieses Dokument noch nicht beschlossen ist. Auch hier spielen unterschiedliche Auffassungen zum Datenschutz eine Rolle. Für Sandra Ahrens ist das schlicht „ein Armutszeugnis“.

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