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Kolumne 0421 Onno Viets und der Irre vom Kiez: Danke für stormische Zeiten

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: Internetprobleme und ein Buchhandel.
01.06.2024, 05:00 Uhr
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Onno Viets und der Irre vom Kiez: Danke für stormische Zeiten
Von Oliver Matiszick

Auf die Gefahr hin, dass Sie Woche für Woche nicht nur zu den aufmerksamen Lesern dieser Kolumne zählen, sondern sich auch einer stabilen Gedächtnisleistung erfreuen: Womöglich wird Ihnen bekannt vorkommen, dass das Internet und ich unter Beziehungsproblemen leiden. Vergangenen Sommer kam es erstmals zu einem mittelschweren Zerwürfnis, das eine lange Paartherapie mit vielen Telefonaten und Technikerbesuchen nach sich zog. Über Winter und Frühjahr herrschte daraufhin so eine Art Burgfrieden, dessen Brüchigkeit sich nun erweist, da der Sommer meteorologisch zurück ist. Da sind Bits und Bytes sofort wieder so urlaubsreif wie einst im Juni 2023.

Also: Kundenservice anrufen, dem begriffsstutzigen Computer die ellenlange Vertragsnummer diktieren, dazu noch das Geburtsdatum, die Blutgruppe und Zweitnamen der Kinder nennen – schon steht das Versprechen, dass sich trotz Fachkräftemangels innerhalb von 48 Stunden ein echter Mensch meldet, um dann an eine andere Abteilung zu verweisen. Die erbittet, so viel Fairness muss sein, ebenfalls 48 Stunden Reaktionszeit. Das ergibt unter dem Strich eine recht lange Phase als digital Abgehängter, die sinnstiftend gefüllt werden will. Etwa mit der Lektüre eines analogen Buches.

Damit wären wir mittendrin in einem der Bremer Dramen dieser Woche: dem Aus der Buchhandlung Storm. Die Erwähnung gern genutzter Geschäfte verbietet sich in Texten wie diesen schon deshalb, weil das als Werbung interpretiert werden könnte. Doch bei einem Traditionsgeschäft, das seine mehr als jedes Menschenleben lange Geschichte in dieser Woche für immer beendet hat, spielt das keine Rolle mehr. Von daher kann ich hier nun aus dem Nähkästchen plaudern und meine Hände in Unschuld an der Insolvenz waschen. Denn die ständigen Besuche bei Storm in der Langenstraße sind einer der Gründe, weshalb unser größenbeschränktes Wohnzimmer niemals mit dem Bedarf an Regalmetern für neue Bücher wird mithalten können.

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Wer mir in digitaler Nüchternheit nach Storm-Ende nun anraten möchte, dass sich Bücher auch problemlos im Internet bestellen lassen: Stimmt! Und weil das so wunderbar bequem ist, verliert die Bremer Innenstadt einen weiteren Grund, ihrer fortschreitenden Verelendung mittels Besuch zu trotzen. Wenn man denn überhaupt bereit war, die durch Baustellen und Verkehrserziehungsmaßnahmen eingeschränkte individuelle Erreichbarkeit hinzunehmen. Dass als Lohn dafür solche Abenteuer die Parkgebühren erhöht wurden? Nix für ungut.

All das wäre noch hinzunehmen, wenn man dafür am Ende Leute wie Onno Viets und den Irren vom Kiez trifft. Beide habe ich einst bei einer Lesung von Frank Schulz kennengelernt, der es mit seiner schrägen Reihe um einen mit viel Verliererpotenzial behafteten Privatdetektiv zwar nie zu literarischem Weltruhm, aber zu einem sehr kurzweiligen Abend bei Storm gebracht hat. Dazu gab es Rotwein. Und das versuchen Sie jetzt mal online. Sofern Ihr Internet funktioniert.

Tagebucheintrag: Der Imbissbetreiber an meinem Supermarkt träumt davon, dass ich seine Brutzelbude hier auch mal erwähne. Sorry, das geht erst nach endgültigem Ladenschluss.

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