Ein paar Klicks im Internet und schon ist das neue Smartphone bestellt und kommt direkt an die Haustür geliefert. Was für den einen bequem ist, ist für die Zusteller häufig ein Knochenjob. Aber der Markt wächst – und so sind die Transporter und Lastwagen der unterschiedlichsten Logistikunternehmen und Paketdienste im Stadtbild zur Gewohnheit geworden. Nach Feierabend fallen sie allerdings zunehmend in Wohngebieten auf und blockieren Parkplätze.
In der Neustadt ist es das Valckenburg-Quartier, wo sich Anwohner über Transportfahrzeuge im Wohnquartier beklagen. So sehr, dass der Bauausschuss das Thema hat und sich die Situation vor Ort im Rahmen einer Begehung angesehen hat. Der Grund für die Belastung durch Transporter und Lastwagen: Einige Fahrer würden als (Schein-)Selbstständige und stellen ihre Fahrzeuge vor der Haustür ab.
Ein ehemaliger Berufskraftfahrer und Speditionsunternehmer aus Bremen, der in der Zeitung anonym bleiben möchte, erklärt das System, das im Nah- wie auch im Fernverkehr angewandt werde: „Ein Mitarbeiter verdient knapp 2000 Euro netto und hat mich als Unternehmer zwischen 3800 und 3900 Euro jeden Monat gekostet.“ Die Alternative: „Man kann auch hingehen und sagen: ‚Wir machen das anders, ich bekomme Aufträge und du fährst die als Selbstständiger weg‘“. Der Fahrer meldet also ein Gewerbe an, bekommt aber wie zuvor den Großteil der Fahrten von der Spedition. „Das Fahrzeug kann er von der Spedition kaufen oder leasen.“ Abgestellt wird es am Wohnort des Fahrers.
Ihm selbst sei zu seiner Zeit als Fahrer für eine große österreichische Spedition eine Sattelzugmaschine zum Kauf angeboten worden. Er habe nachgerechnet: Tüv, Versicherung, Diesel, Sicherheitsprüfung, Reparaturkosten – alles wäre von ihm zu tragen gewesen. Insgesamt hätte er auf die Weise nicht einmal 1000 Euro netto im Monat bekommen bei durchschnittlich 50 Arbeitsstunden in der Woche. Warum aber nehmen Fahrer ein solches Angebot an? „Die Fahrer lassen sich darauf ein, weil sie ihren Job nicht verlieren wollen. Oft ist aber auch Unwissenheit ein Grund dafür.“ Vielen sei nicht klar, was auf sie zukomme. Speditionen machten das System mit großen Umsatzsummen schmackhaft. „30 000 Euro Umsatz – das hört sich erst mal verlockend an“, betont der frühere Spediteur.
Verbreitet ist außerdem ein System mit Subunternehmern, die Fahrzeuge und Fahrer für große Speditionen bereitstellen. Ein Konstrukt, das besonders Paketdienste auf den letzten Metern zur Haustür nutzen. „Die Subunternehmen sind das Bindeglied zwischen Fahrer und Logistik, das ist gang und gäbe in Deutschland“, schildert der ehemalige Spediteur. Äußerlich werden die Transportfahrzeuge mit den Farben und Logos der großen Unternehmen gestaltet. „Man kann von außen nicht erkennen, ob das Fahrzeug einem Subunternehmer oder einem Fahrer gehört“, sagt der Ex-Spediteur.
„Der Fahrer oder Subunternehmer ist quasi Franchise-Unternehmer.“ Zum Teil müssten selbstständige Fahrer Kleidung und Geräte zum Scannen, wie sie zum Beispiel von Paketdiensten eingesetzt werden, von den Speditionen kaufen. Die Nachteile für die selbstständigen Fahrer lägen auf der Hand: „Sie haben natürlich nicht die üblichen Schutzgesetze wie Mutterschutz, Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlung und Arbeitslosenversicherung“, sagt Alireza Khostevan von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Sie trügen zudem das gesamte unternehmerische Risiko.
Die Speditionen sparen durch dieses System nicht nur Sozialabgaben, sie müssen auch weniger Parkflächen für ihren Fuhrpark bereitstellen, der dann auf Kosten der Allgemeinheit im öffentlichen Straßenraum steht. Illegal muss das allerdings nicht sein, denn Fahrzeuge bis zu 7,5 Tonnen – das können sogenannte Klein-Lkw sein – dürfen in Wohnstraßen geparkt werden.
Polizei wird ausgetrickst
„Ich glaube, das Problem gibt es in ganz Bremen“, sagt Karl-Heinz Höwener, Verkehrssachbearbeiter im Polizeirevier Gröpelingen. In seinem Bereich sind es nicht nur Transporter und Lkw, sondern auch Anhänger, die am Straßenrand stehen und für Ärger sorgen. „Das Problem ist, dass die 14 Tage stehen dürfen.“ Nach Ablauf dieser Frist müssten sie nur kurz bewegt werden. „Das wissen die meisten.“ Auch Lkw in Wohnstraßen kommen immer wieder vor. „Die nehmen das Bußgeld in Kauf“, hat Höwener beobachtet.
Oft handele es sich dabei um selbstständige Fahrer und Subunternehmer. „Der Parkbedarf wird auf die Allgemeinheit ausgelagert.“ In Gröpelingen und Walle seien besonders die Bereiche Linden- und Ohlenhof sowie der Halmerweg betroffen. Lastwagen, die illegal in Wohnstraßen stehen, kann man auch als Privatperson abschleppen lassen. Ratsam sei das allerdings nicht. „Der Auftraggeber muss in Vorleistung gehen und das Geld auf privatem Weg zurückfordern", erklärt Höwener.
Das Unternehmen Hansetrans aus Hamburg, das in Bremen mit seinen grün-gelben Fahrzeugen sehr präsent ist, wollte sich auf mehrmalige Anfrage dieser Zeitung nicht äußern. Der Paketdienstleister Hermes erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, dass er mit „Servicepartnern“ zusammenarbeite – inklusive eigenständiger Geschäftsführung und Personalmanagement. Hermes unterstütze den Fuhrpark der Servicepartner. Sprich: Subunternehmer – mit günstigen Leasingangeboten.