Heiligabend um 12 Uhr wurde in der Psychiatrie des Klinikums Bremen-Ost eine 62-jährige Patientin umgebracht. Dringend tatverdächtig ist nach Angaben der Polizei eine 41-Jährige, die ebenfalls Patientin der Klinik war. Sie soll ihr Opfer nach einem Streit erwürgt haben.
Der Fall hat bei den Mitarbeitern des Krankenhauses und anderen Patienten für Entsetzen gesorgt. Nicht zuletzt aber auch bei Familien anderer Patienten, die sich fragen, wie es um die Sicherheit in der Klinik bestellt ist. Für die Bremer Staatsanwaltschaft ist der Fall trotzdem eine ganz normale Mordermittlung, betont Behördensprecher Frank Passade. „Ein Tötungsdelikt in einem Krankenhaus, bei dem die Mordkommission versucht herauszufinden, was passiert ist.“
Nach Informationen des WESER-KURIER sollen die mutmaßliche Täterin und das Opfer sich ein Zimmer geteilt haben. Anzeichen für die Tat soll es im Vorfeld nicht gegeben haben, auch keine lautstarke Auseinandersetzung unmittelbar vor oder während des Geschehens. Es soll die Täterin selbst gewesen sein, die nach der Tat ins Stationszimmer ging und dort sagte, dass sie ihre Zimmermitbewohnerin getötet habe.
Der Umgang mit Menschen, die zu Gewaltausbrüchen neigen und für andere oder sich selbst eine Gefahr darstellen, ist Alltag in einer Psychiatrie. Zur Klinikroutine gehört daher eine tägliche Gefährdungsbeurteilung der Patienten. Die Tatverdächtige soll aber als zugänglich und fähig für Absprachen gegolten haben. Sie durfte sich frei auf ihrer Station bewegen.
Dem Vernehmen nach hielt sie sich aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses seit dem 19. Dezember in der Klinik auf. Zuvor soll sie schon Patientin in einer Psychiatrie im Landkreis Diepholz gewesen sein. Wie verlautete, hätte die 41-Jährige die Klinik am 23. Dezember wieder verlassen können. Da ihr aber bei der Entlassung Obdachlosigkeit gedroht hätte und dies noch dazu unmittelbar vor Weihnachten, soll mit ihr vereinbart worden sein, die Festtage abzuwarten und erst dann zu entscheiden, wie es weitergeht.
Nach dem Tötungsdelikt wurde vom Amtsgericht die einstweilige Unterbringung der Frau angeordnet. Deshalb wechselte sie am 25. Dezember aus der allgemeinen Psychiatrie in die forensische Psychiatrie des Klinikums. Dort werden Straftäter beziehungsweise mutmaßliche Straftäter untergebracht, bei denen vermutet wird, dass sie ihre Taten vor dem Hintergrund schwerer psychischer Krankheiten oder Suchterkrankungen verübt haben. Die Gebäude der forensischen Psychiatrie sind ähnlich gesichert wie ein Gefängnis.
Prozess vor dem Landgericht
Sicher ist, dass die 41-Jährige irgendwann vor dem Landgericht stehen wird. Ungewiss ist dagegen, wie dann die Anklage lautet. Wie üblich bei Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes hat eine dreistufige Prüfung begonnen, erläutert Frank Passade. Zunächst geht es um den Tatbestand – war es ein Mord oder eine Körperverletzung mit Todesfolge? Dann um die Rechtswidrigkeit – war die Tat gerechtfertigt, zum Beispiel durch Notwehr? Schließlich die in diesem Fall besonders naheliegende Frage, ob die Täterin schuldhaft gehandelt hat.
Um schuldhaft gehandelt zu haben, muss ein Täter das Unrecht seiner Tat erkennen können, erläutert der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Stellt sich heraus, dass jemand wegen einer psychischen Erkrankung schuldunfähig war, entfällt die Schuldhaftigkeit. Ein Gerichtsverfahren würde es trotzdem geben, dieses aber mit einem Freispruch enden. Auf freien Fuß käme der oder die Angeklagte dann aber nicht, sondern würde wegen der von ihm oder ihr ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit für unbestimmte Zeit in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht.
Im Rahmen der aktuellen Ermittlungen wird auch untersucht, welche Rolle die Klinik bei dem tödlichen Vorfall gehabt hat. Ob Angehörige des Opfers rechtliche Schritte gegen das Krankenhaus einleiten, steht dem Vernehmen nach noch nicht fest. Die Klinik selbst soll unmittelbar nach der Tat Kontakt zum Sohn des Opfers aufgenommen haben. Und hat sich zudem um Transparenz bemüht. Man kooperiere eng mit den Ermittlungsbehörden, hieß es in einer Mitteilung, die kurz nach der Tat auf der Homepage des Krankenhauses veröffentlicht wurde.
Und: „Wir können nachvollziehen, dass Sie – als Patientin oder Patient oder als Angehörige – nun verunsichert oder in Sorge sind. Dann zögern Sie bitte nicht, sich mit Ihren Sorgen direkt an uns zu wenden. Sprechen Sie gerne das Stationspersonal an oder wenden Sie sich direkt an die Stationsleitung.“