Bremerinnen und Bremer müssen sich an einen neuen Begriff gewöhnen. Statt der Sieben-Tage-Inzidenz wird künftig die Hospitalisierungsinzidenz auch in Bremen die Leitlinie sein, an der sich die Corona-Maßnahmen orientieren. Das kündigte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) bei seiner Regierungserklärung in der Bürgerschaft an. Die im Bundesinfektionsschutzgesetz verankerte Hospitalisierungsinzidenz gibt an, wie viele Bürgerinnen und Bürger eines Bundeslandes innerhalb von sieben Tagen aufgrund von Corona-Infektionen in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Bovenschulte: "Die Sieben-Tage-Inzidenz als alleiniger Indikator zur Pandemiebekämpfung hat ausgedient." Dies sei auch vor dem Hintergrund der hohen Impfquote im Bundesland zu sehen – nach wie vor belege Bremen im Bundesvergleich mit 77 Prozent Erstgeimpften und 72 Prozent vollständig Geimpften den Spitzenplatz. "Impfen ist und bleibt der Königsweg in der Pandemie", sagte der Bürgermeister. "Die bisherige Kampagne zeigt, was möglich ist, wenn alle gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten."
Der Plan der Koalition: Der Senat werde in den kommenden Tagen ein Stufenkonzept vorstellen, das unter anderem auch die Impfquote und die Situation auf den Intensivstationen berücksichtige, kündigte der Regierungschef an. "Wir werden bei niedrigen Werten eine Entwarnungsstufe haben, bei hohen Werten eine Risikostufe", sagte Bovenschulte, "und wahrscheinlich dazwischen zwei weitere." Ab welchen Werten welche Stufe greift, soll in den kommenden Tagen festgelegt werden.
Aus Sicht von SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör müssen künftige Diskussionen über Einschränkungen die Belange der Geimpften über die von Ungeimpften stellen. "Wir werden den vielen Menschen, die mehrheitlich geimpft sind und damit sich und andere schützen, nicht glaubwürdig erklären können, dass sie sich beispielsweise bei den Kontakten mit anderen Geimpften einschränken sollen, weil eine Minderheit auf die Impfung verzichtet", sagte Güngör.
So sollen Gastronomen, die Betreiber von Clubs und Diskotheken künftig wählen können zwischen 3G (Einlass für Geimpfte, Genesene und Getestete) und 2G (Geimpfte/Genesene). "Bei der Ausgestaltung der Regelung werden wir uns eher an Niedersachsen als an Berlin orientieren", sagte Bovenschulte. "Kinder auszuschließen in Cafés und Restaurants kommt für uns nicht infrage."
Zustimmung von Grünen und Linken
Auch Björn Fecker und Nelson Janßen, Fraktionschefs der Grünen und der Linken, halten ein Stufenmodell grundsätzlich für richtig. Beide äußerten aber Kritik in Richtung Bundesregierung. Ihm sei es "unbegreiflich", sagte Fecker, dass der Bund zwar vorgebe, dass künftig die Hospitalisierungsrate und andere Kriterien maßgeblich sein sollten, die genaue Ausgestaltung aber den Ländern überlasse. "Der Maßstab sollte einheitlich sein", sagte Fecker. Auch Janßen befürchtet einen "Flickenteppich". "Gerade in Grenzregionen müssen wir uns ohne allgemein verbindliche Schwellenwerte auf komplizierte Debatten einstellen", sagte er.
Die Kritik der Opposition: Heiko Strohmann, CDU-Fraktionschef, monierte, das angekündigte Stufenkonzept käme zu spät. Andere Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg, aber auch Bremens Nachbar, seien wesentlich weiter und hätten ihre Modelle bereits in Kraft. "Norddeutsche Zurückhaltung ist nicht immer von Vorteil", sagte Strohmann. Er kritisierte auch, dass das Konzept noch nicht fertig ausgearbeitet ist. "Für diese Ankündigung hätte es keiner Regierungserklärung bedurft. Die Bürgerinnen und Bürger haben keine Klarheit."
Was die Impfkampagne angeht, forderte Strohmann weiterhin "einfache Angebote" sowie künftig, wenn das Impfzentrum Ende Oktober schließt, eine enge Zusammen die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsamt und den Hausärzten. Bezug nehmend auf Bremens aktuell hohe Sieben-Tage-Inzidenz sagte Strohmann, eine Durchseuchung der Bevölkerung könne nicht der richtige Weg sein, zumal ein großer Teil der Ungeimpften, die unter Zwölfjährigen, in dieser Frage keine Wahl habe.
Um aus den bisherigen Erfahrungen der Pandemie Bilanz zu ziehen und für künftige Krisen zu lernen, schlug Strohmann einen nicht-ständigen Ausschuss vor. Dieser Antrag wurde abgelehnt - von den rot-grün-roten Rednern damit argumentiert, dass diese Bilanzierung bereits ressortübergreifend geschehe.
Auch FDP-Fraktionschefin Lencke Wischhusen warb angesichts des abnehmenden Impftempos für "noch mehr Aufklärung". Gleichzeitig warnte sie davor, impfskeptische Menschen pauschal als "Querdenker" abzustempeln. "Wir müssen ihre Zweifel ernst nehmen", sagte sie. Als einzige Fraktion sprach sich die FDP gegen die 2G-Regelung aus. "Wir dürfen keine Zwei-Klassengesellschaft von Geimpften und Ungeimpften schaffen", sagte Wischhusen.