Das Aus der Ampel-Koalition hat die führenden Akteure der Bremer Landespolitik in erhöhte Betriebsamkeit versetzt. Einige von ihnen waren schon am Mittwochabend – wenige Stunden nach dem Bruch des Berliner Regierungsbündnisses – in Videoschalten mit den Bundesspitzen ihrer Parteien verbunden, um über den weiteren Kurs zu beraten.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte dem WESER-KURIER, die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) durch den Bundeskanzler sei "keine einfache Entscheidung" gewesen, aber Deutschland brauche jetzt Antworten auf drängende Herausforderungen. "Bis zur Neuwahl des Bundestages muss Deutschland angesichts der internationalen Krisen und der wirtschaftlichen Herausforderungen handlungsfähig bleiben", so Bovenschulte. Er appellierte an die CDU/CSU, "staatspolitische Verantwortung zu übernehmen" und an der Aufstellung des Bundeshaushalts 2025 mitzuwirken.
CDU-Landeschef Heiko Strohmann war von der Ampel-Implosion nicht wirklich überrascht. "Es zeichnete sich in den vergangenen Tagen ab, dass die FDP aussteigen möchte." Ginge es nach Strohmann, würde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jetzt unverzüglich die Vertrauensfrage stellen und damit den Weg für rasche Neuwahlen frei machen. "Eine wochenlange Hängepartie hilft niemandem", findet Strohmann. FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzender Thore Schäck unterstützt voll und ganz den Kurs seines Parteifreundes und Ex-Finanzministers Christian Lindner. Dieser habe "mit seinem Vorschlag, Neuwahlen zu ermöglichen, konsequent gehandelt", ist Schäck überzeugt. "Dass Kanzler Scholz auf diesen konstruktiven Vorschlag mit Trotz reagiert und die Verantwortung mal wieder allen anderen zuschiebt, ist eines Kanzlers unwürdig und ein Grund dafür, dass Deutschland mittlerweile dort steht, wo es steht."
Für die Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft, Henrike Müller, ist "eine in dieser Form und in dieser aktuellen Lage gescheiterte Bundesregierung eine Katastrophe". Das "destruktive Agieren" der FDP in den letzten Tagen habe in die jetzige Lage geführt. Es müsse nun "nicht in einem überstürzten, sondern in einem geordneten Verfahren zu Neuwahlen kommen." Der Landesvorsitzende der Linken, Christoph Spehr, nimmt das Aus der Ampel als "würdelos" war. Spehr: "Statt einer einvernehmlichen Scheidung gibt es jetzt Rosenkrieg und vorgezogenen Wahlkampf. Das ist keine gute Antwort auf den Ausgang der US-Wahlen, wo man eigentlich Handlungsfähigkeit bräuchte." Für Spehr deutet sich zunächst eine "provisorische Große Koalition" an, "weil es Mehrheiten nur noch mit der CDU gibt".
Im Bremer Umland wurde der Achimer FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker wohl am unmittelbarsten von den Ereignissen des späten Mittwochabends getroffen. Hocker war kurze Zeit parlamentarischer Staatssekretär unter Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der am Donnerstagmorgen sein FDP-Parteibuch zurückgab und sich auf Bitten des Bundeskanzlers entschloss, vorerst weiter als Verkehrsminister und zusätzlich als Justizminister zu amtieren. Hocker machte diesen Schwenk nicht mit. Er reichte unverzüglich ein Rücktrittsgesuch ein. "Für mich stand unmittelbar fest, Verantwortung zu übernehmen und meinen Teil zu schnellstmöglichen Neuwahlen beizutragen", sagte Hocker.
In Bremen und der Region schalten die Parteien nun unmittelbar in den Wahlkampfmodus. Für den langjährigen Bremer SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl kommt die aktuelle Entwicklung doppelt ungelegen, war doch ursprünglich geplant, dass er Ende November in Rente geht. Die Kampagne der Sozialdemokraten wird er nun aber zumindest mit vorbereiten. Vor allem müssen jetzt einige formale Schritte beschleunigt werden. Ganz rasch sind zum Beispiel auf Ortsvereinsebene Delegiertenwahlen zu den Aufstellungskonferenzen für die Bundestagskandidaten anzuberaumen. Und dann gilt es, das Fußvolk der Partei auf einen Winterwahlkampf einzustimmen – etwas, was es in Deutschland zuletzt 1982/83 gab, nachdem die damalige SPD/FDP-Bundesregierung zerbrochen war. Pahl glaubt indes, dass die Basis gut motiviert sein wird. Wenn es um die Frage geht, ob Olaf Scholz Kanzler bleibt oder CDU-Konkurrent Friedrich Merz ihn beerbt, würden sich die örtlichen Sozialdemokraten schon ordentlich ins Zeug legen.
Pahls CDU-Gegenpart Tobias Hentze spielt in die Karten, dass die Bremer Christdemokraten ohnehin sehr früh mit der organisatorischen Vorbereitung der Bundestagswahl begonnen hatten. Ihr Abgeordneter Thomas Röwekamp ist vom Landesvorstand bereits als Direktkandidat nominiert, am 21. November findet regulär die endgültige Aufstellung von Direktkandidaten und Landesliste statt. Das Kampagnendesign wurde schon anlässlich der Europawahl im vergangenen Frühjahr runderneuert. Rund 100.000 Euro hat der Landesverband für den Wahlkampf zur Verfügung, die drei Kreisverbände werden noch jeweils geringere Beträge drauflegen. Vor den Widrigkeiten eines Winterwahlkampfs ist Hentze nicht bang: "Ich nehme bei unseren Leuten eine hohe Motivation wahr."