Die Situation auf dem deutschen Biermarkt ist paradox: Die Zahl der Brauereien und der Biermarken nimmt immer weiter zu, gleichzeitig schwindet der Durst der Deutschen seit Jahren und der Bierabsatz sinkt.
Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes wurde hierzulande im vergangenen Jahr so wenig Bier getrunken wie noch nie. Diese Entwicklung ist nicht neu, sondern sie hält seit Jahren an. Darunter leiden auch große Konzerne wie AB Inbev. Die Brauerei mit Deutschlandsitz in Bremen hatte in den vergangenen Jahren immer wieder an Absatz eingebüßt – ein Trend, den das Unternehmen nun umkehren konnte.
Absatz von Beck's konstant
Denn während der Gesamtmarkt im vergangenen Jahr erneut um 0,7 Prozent verlor, blieb der Absatz von Beck’s, die wichtigste Konzernmarke auf dem deutschen Markt, konstant. Das sei insofern bemerkenswert, sagt Unternehmenssprecher Oliver Bartelt, als der Bierbrauer die Preise für Beck’s in den vergangenen beiden Jahren zwei Mal angehoben habe. Was passieren kann, wenn die Preise stabil bleiben, habe die Marke Franziskaner gezeigt: Nach zwei Preissteigerungen in 2013 und 2014 stieg der Absatz nach Angaben des Sprechers im vergangenen Jahr um fünf Prozent. „Natürlich haben wir Ambitionen, dass sich Beck’s in den kommenden Jahren ähnlich auf dem deutschen Markt entwickelt.“ Dass Verbraucher es durchaus abstrafen, wenn Preise erhöht werden, zeigt das Beispiel Hasseröder. Zwei Jahre in Folge sollten die Konsumenten für das Bier, das vor allem in den ostdeutschen Bundesländern getrunken wird, tiefer in die Tasche greifen. Doch statt der Marke treu zu bleiben, kauften sie stattdessen anderes Bier. Im vergangenen Jahr lag das Minus bei Hasseröder bei einem Prozent.
In diesem Jahr setzt ABInbev auf dem deutschen Markt voll auf Wachstum. In erster Linie geht es dem Konzern dabei nach eigenen Angaben nicht darum, Marktanteile dazuzugewinnen. Zuletzt reihten sich die Marken des weltgrößten Brauereikonzerns in Deutschland mit 10,3 Prozent erneut hinter denen von Radeberger (12,9 Prozent) ein. „Uns geht es darum, mit den Bieren, die wir brauen, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen“, sagt Bartelt.
Hoher Gewinn durch neue Sorten
Dabei kommt dem Konzern zugute, dass er sich mit dem Großteil seiner Hauptmarken im sogenannten Premium- und Superpremiumbereich, also den höherpreisigen Sparten, bewegt. Und die Anteile dieser beiden Bereiche sind in den vergangenen beiden Jahren gestiegen, während die niedrigpreisigeren Biermarken Einbußen hinnehmen mussten. „Wir wollen dort dabei sein, wo Wachstum stattfindet.“
Das ist im vergangenen Jahr nach Angaben des Sprechers etwa mit Einführung der Beck’s-Sorten 1873 Pils, Pale Ale und Amber Lager gelungen. Diese werden – genauso wie alle anderen Beck’s-Sorten – für den deutschen Markt in Bremen gebraut. Gut 100 000 Hektoliter der neuen Sorten konnte AB Inbev 2015 auf dem deutschen Markt absetzen und damit trotz des Absatzrückgangs den Anteil an dem insgesamt schrumpfenden Markt erhöhen. Verglichen mit den gut drei Millionen Hektolitern herkömmlichen Beck’s-Bieres erscheint das wenig. Doch die Gewinnmarge ist bei den drei neuen Sorten deutlich höher. Und worüber man sich bei AB Inbev am meisten freut: Wie Umfragen ergeben haben, sind gut 60 Prozent der Verbraucher, die sich für diese Produkte entschieden haben, eigentlich gar keine Bier-Trinker. Daher bringt der Konzern noch Ende dieses Monats mit einem Red Ale eine weitere Sorte auf den deutschen Markt.
Beck's-Flaschen bekommen neues Gesicht
Zudem bekommt das Beck’s in den grünen Flaschen Anfang März ein neues Gesicht: Auf dem Etikett wird dann der umgekehrte Bremer Schlüssel größer abgedruckt sein, zudem ist das Gründungsjahr auf den Flaschen zu finden, die gesamte Anmutung ist etwas schlichter als zuvor. Auch der Karton der sogenannten Sechser-Träger wird optisch überholt und soll so dafür sorgen, dass das Bier schneller als bislang von den Verbrauchern in den Supermarkt-Regalen gefunden wird. Funktioniert dieses Facelift, könnte sich das für den Konzern am Ende auch in den Verkaufszahlen niederschlagen: Laut Unternehmenssprecher Bartelt werden 60 Prozent der Beck’s-Mengen in Deutschland über Sechser-Träger verkauft.
Zudem erhofft sich AB Inbev auch durch die Marke Corona neue Impulse. Corona wurde zuletzt in Lizenz von Radeberger vertrieben, nun übernimmt AB Inbev wieder selbst. In den vergangenen acht Jahren sind die Absätze auf dem deutschen Markt um gut zehn Prozent gestiegen: von 23 800 auf 52 000 Hektoliter. Der Brauereikonzern will nun von Bremen aus eine groß angelegte Marketingkampagne starten, um das Wachstum weiter anzukurbeln.
Biermärkte gesättigt
Weiteres Potenzial sieht man bei AB Inbev auch bei den alkoholfreien Bieren. Die Marke Franziskaner gibt es bislang in drei Geschmacksrichtungen, in diesem Jahr wird auch in diesem Sortiment eine weitere dazukommen.
Erst zu Beginn des Jahres hat AB Inbev seine Geschäftsregionen neu organisiert: Deutschland, Schweiz, Österreich, Belgien, Niederlande und Luxemburg laufen seither als Region Westeuropa. Die Biermärkte in den Benelux- und den deutschsprachigen Ländern haben alle eines gemein: Sie sind weit entwickelt, gelten aber gleichzeitig als gesättigt und von einem starken Wettbewerb gekennzeichnet.
Geschäfte in Brasilien und Nordamerika rückläufig
Auch das Geschäft in Brasilien und Nordamerika ist rückläufig. Das drückt auf das Gesamtergebnis des Konzerns, der 2015 zusätzlich mit dem starken Dollar und steigenden Kosten zu kämpfen hatte: Im Vergleich zum Vorjahr sank der weltweite Absatz um knapp sieben Prozent auf 43,6 Milliarden Dollar; der Gewinn fiel um etwa zehn Prozent auf 8,3 Milliarden Dollar. Damit blieb der Konzern hinter den Erwartungen der Branchenexperten zurück.
Die für die zweite Jahreshälfte anvisierte Übernahme des Konkurrenten SAB Miller könnte eine Chance bieten, Märkte, auf denen AB Inbev bislang nicht oder nur schwach vertreten ist, für sich zu gewinnen und das Konzernergebnis so zu verbessern. Damit die Kartellbehörden dem Geschäft zustimmen, haben AB Inbev und SAB Miller einen Teil ihrer Marken zum Verkauf gestellt. Millers ging bereits an Molson Coors, und wie zuletzt berichtet wurde, hat der japanische Bierbrauer Asahi Interesse an den Marken Peroni und Grolsch angemeldet. Mit solchen Verkäufe solle den Bedenken wegen einer zu großen Marktkonzentration in einigen Regionen entgegengetreten werden.