Bremen muss den Gürtel noch enger schnallen. Denn die vom Land bereits ergriffenen und angekündigten Maßnahmen reichen dem Stabilitätsrat von Bund und Ländern noch längst nicht aus.
Bremen läuft Gefahr, im kommenden Jahr die vom Bund und den übrigen Ländern gezahlten Hilfen zur Sanierung des Haushaltes von jährlich 300 Millionen Euro zu verlieren. Der Stabilitätsrat von Bund und Ländern hat am Mittwoch in Berlin das Vorgehen der rot-grünen Landesregierung zurückgewiesen, die Flüchtlingskosten aus der normalen Haushaltsplanung herauszurechnen, um so die Vorgaben zur Haushaltssanierung doch noch zu erfüllen.
Stattdessen forderten die Stabilitätswächter das Land auf, den zuvor vereinbarten Einsparpfad strikt einzuhalten. „Der Stabilitätsrat erwartet, dass das Land vereinbarungsgemäß dazu bis Ende Juli 2016 zusätzliche Maßnahmen ergreift“, heißt es im Beschluss des Gremiums. Nach Darstellung des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer (CDU) wurde erstmals ein Bundesland mit einem derartigen „Blauen Brief“ abgemahnt.
Nach der Sanierungsvereinbarung mit dem Stabilitätsrat darf Bremen im laufenden Jahr Schulden von 245 Millionen Euro machen. Tatsächlich sieht die aktuelle Haushaltsplanung der Landesregierung aber mehr als doppelt so hohe Kredite vor – jedenfalls dann, wenn man die flüchtlingsbedingten Belastungen einrechnet. Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) begründet ihre Vorgehensweise mit den hohen Ausgaben für die Versorgung der Zuwanderer aus Krisenländern. Nur wenn man diese Etatposition von rund 360 Millionen Euro nicht berücksichtigt, bliebe Bremen innerhalb der vom Stabilitätsrat gezogenen Grenzen.
Stabilitätsrat stellt Forderungen
Die Hilfen von 300 Millionen Euro jährlich, die neben Bremen auch Berlin, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein bekommen, sind jedoch an die Einhaltung der Etatvorgaben geknüpft. Für das abgelaufene Jahr 2015 wurden die Sanierungshilfen an die fünf Länder vom Stabilitätsrat ohne Einschränkungen genehmigt, weil die Vorgaben erfüllt wurden.
Karoline Linnert stellte diese positive Nachricht denn auch in den Vordergrund. „Erstmal komme ich mit 300 Millionen nach Hause“, sagte die Senatorin im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Sie wertete es als Erfolg, dass in den Beschluss des Stabiltätsrates überhaupt ein Hinweis auf die Gründe für die Bremer Haushaltsüberschreitung aufgenommen wurde. „Das zeigt, dass wir mit dem Geld nicht Party gemacht haben“, so Linnert. Sie kündigte an, gemeinsam mit Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) darüber zu beraten, wie Bremen auf die Forderungen des Stabilitätsrates reagieren soll.
Zugleich attackierte Linnert die Bremer Christdemokraten, die am Dienstag einen Haushaltskonsens von Landesregierung und Opposition angeboten hatten. Die CDU sage nicht präzise, was sie am Haushaltsentwurf von Rot-Grün für 2016/17 geändert haben möchte. Das müsse sie aber, wenn sie sich die Forderung des Stabilitätsrates nach zusätzlichen Einsparungen zueigen mache.
Konsolidierungshilfen vom Bund
Der Haushaltsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), begrüßte den Beschluss des Stabilitätsrates. Es sei richtig, an Bremen einen „Blauen Brief“ zu versenden. Andernfalls wäre aus dem Stabilitätsrat ein „zahnloser Tiger“ geworden, betonte Rehberg. Es dürfe nicht sein, dass das Land 2016 mehr als doppelt so viele Schulden aufnimmt, wie in der vereinbarten Obergrenze vorgesehen sei. „Dass Bremen sich unter Hinweis auf seine Flüchtlingskosten auf Ausnahmen der Schuldenbremse beruft, ist ein Trauerspiel“, so der CDU-Politiker.

Die Forderungen des Stabilitätsrates stellen Senatorin Karoline Linnert vor eine schwierige Aufgabe.
Zum einen seien die Bremer Flüchtlingsausgaben je Einwohner ungefähr 3,5mal so hoch wie im Durchschnitt der Länder und damit „völlig unrealistisch“. Zum anderen weichten die anderen Bundesländer, die Konsolidierungshilfen des Bundes erhalten, nicht von den Sanierungsvereinbarungen ab. „Die Schuldenbremse darf durch die SPD-Linken um den Bremer Bürgermeister Sieling nicht beschädigt werden“, warnte der Unions-Politiker.
Bremen steht unter strenger Aufsicht
In Sachen Flüchtlingskosten erhielt Bremen im Stabilitätsrat allerdings auch Unterstützung durch die anderen Länder. Sie forderten den Bund erneut auf, sich zur Hälfte an den flüchtlingsbedingten Ausgaben in Ländern und Gemeinden zu beteiligen. Andernfalls entstünden neue Defizite in ihren Haushalten. Die Länder beziffern die Flüchtlingskosten für das laufende Jahr auf 21 Milliarden Euro.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt die Forderung der Länder bisher ab. Zuletzt war der Bund bereit, bei der Integration anerkannter Asylbewerber die Kosten der Unterkunft komplett zu übernehmen. Der Bund beziffert diese Kosten aktuell auf 700 Millionen Euro und perspektivisch 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Stabilitätsrat, der zweimal im Jahr tagt und gegenwärtig vom nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) geleitet wird, überwacht die Haushalte von Bund und Ländern. Bremen, das Saarland sowie Berlin und Schleswig-Holstein stehen seit vier Jahren unter strenger Aufsicht. Diese hoch verschuldeten Länder mussten ein Fünf-Jahres-Programm zur Sanierung ihrer Haushalte vorlegen. Ab 2020 dürfen die 16 Bundesländer – anders als der Bund – keine neuen Schulden mehr aufnehmen.