Miriam Strunge hat böse Befürchtungen: "Ich rechne fest damit, dass am Konzertabend massenhaft Menschen aus der rechten Szene in die Stadt kommen." Die kulturpolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft sorgt sich wegen des Auftritts der Band Böhse Onkelz am Sonnabend auf der Bürgerweide. Der ist seit Monaten ausverkauft und ähnlich lange schon Grund für politischen Wirbel.
Den Aufschlag machte am 7. Februar die SPD-Fraktion mit einer Anfrage in der Stadtbürgerschaft, denn die Band war in den 1980er-Jahren durch ausländerfeindliche Texte aufgefallen. Ihr erstes Album "Der nette Mann" wurde indiziert: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hatte einige der Songs unter anderem als „tendenziell nationalsozialistisch“ eingeschätzt. Deshalb wollten die Sozialdemokraten wissen, unter welchen Voraussetzungen die Bürgerweide für Konzerte angemietet werden kann und warum die Anfrage der Band nicht abgelehnt wurde.
Böhse Onkelz traten auf Konzert gegen Rechtsextremismus auf
Am 12. März antwortete der Senat, dass "einer Versagung sehr enge Grenzen gesetzt" seien. Als öffentliche Einrichtung gelte für die Bürgerweide der Gleichbehandlungsgrundsatz aus dem Grundgesetz, nach dem "interessierten Nutzer:innen Zugang zu gewähren ist". Zudem distanziere sich die Band bereits seit den 1990er-Jahren von den beanstandeten Inhalten. Verwiesen wird auf ein "vom Bremer Senat organisiertes Konzert gegen Rassismus und Rechtsextremismus" im Jahr 1993, bei dem die Böhsen Onkelz aufgetreten sind.
Was nicht in der Senatsantwort steht: Auch 2001 spielte die Band in der ausverkauften Stadthalle, der Reinerlös von 75.000 Euro ging an Opfer rechter Gewalt oder deren Hinterbliebene. Vor einem Konzert 2016 am selben Ort betonte Dennis Diel, damals für die Öffentlichkeitsarbeit der Onkelz zuständig: "Jeder ist willkommen, der der Band etwas abgewinnen kann. Mit dieser Ausnahme: rechte Skinheads, Faschos jedweder Couleur und andere, die eine rechte Gesinnung mit sich herumschleppen, müssen draußen bleiben, sobald man sie erkennen kann."
Dieser detaillierte Zusatz fehlte offenbar auf einem Konzert im September 2022 in der Hamburger Barclay-Arena, als Bassist und Sänger Stephan Weidner die Fans begrüßte und angeblich sagte: "Wir akzeptieren und respektieren jede dieser Meinungen und hier wird keiner rausgeschmissen." Quelle ist letztlich der Facebook-Eintrag eines anonymen Zuschauers. Für Strunge aber Beweis, dass die Band "immer noch extrem rechte Menschen um sich schart". Es sei "kein Zufall, das Rechte und Rassisten die Musik der Band gerne hören".
Experte hält Onkelz-Distanzierung für "absolut glaubwürdig"
Das wiederum bestreitet einer, der die rechtsextreme Szene 15 Jahre lang von innen kennengelernt hat, bevor er 2012 ausstieg. Axel Reitz referiert seitdem mit dem Verein Extremislos über Radikalisierung – drei Tage vor dem Onkelz-Konzert auf der Bürgerweide auch bei der Bremer Konrad-Adenauer-Stiftung. "Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man schon in den 1990er-Jahren sofort von den Konzerten entfernt wurde, wenn man versucht hat, dort rechtsradikales Propagandamaterial zu verteilen", berichtet er. "Die Distanzierung ist für mich also absolut glaubwürdig."
Für viele Kritiker der Band ist inzwischen weniger deren Liedgut als deren Publikum das Problem. "Ein überzeugter Neonazi würde gar nicht zu einem Böhse-Onkelz-Konzert gehen, weil die als Verräter gelten", erklärt Reitz. "Neonazis hören ganz andere Bands." Trotzdem könne es im Publikum "Leute geben, die rechts oder rechtsextrem sind – das ist aber auch bei einem Konzert von Heino oder Andreas Gabalier möglich".
Auf der Bürgerweide kommen am Sonnabend weit mehr als 30.000 Fans zusammen, am Ende der Tournee werden Hunderttausende die Band gesehen und gehört haben – überwiegend Rechtsradikale? Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) appelliert an die Vorbildfunktion, die eine Band mit derart großer und auch treuer Anhängerschaft habe: "Deshalb wäre es ungemein wichtig, wenn die Band ihre Haltung zu dem Thema jetzt unmissverständlich klarstellt. Ein solches Bekenntnis ist gerade in einer Zeit wichtig, in der die rechtsradikale und extreme Szene versucht, in die Gesellschaft vorzudringen."
Ungeachtet der Senatsantwort vom März bleibt bei Emigholz ein Rest von Misstrauen. "Generell sollte man akzeptieren, wenn eine Band wie die Böhsen Onkelz ihre Haltung offenbar überdacht hat", sagt sie. Doch gerade vor diesem Hintergrund sei es verstörend, "wenn es immer noch Berichte über vereinzelte Bandmitglieder gibt, die privat in rechten Milieus unterwegs sind, was unter anderem in Postings in den sozialen Medien zu sehen ist."
Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD, befürchtete bereits im Februar wegen dieser Ambivalenz Auseinandersetzungen rund um die Großveranstaltung. Zu Protestaktionen hat die Polizei allerdings bislang keine Erkenntnisse. "In enger Abstimmung mit dem Veranstalter" bereite man sich auf das Konzert vor, sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Das Hausrecht auf der Bürgerweide liege zunächst beim Veranstalter und dem von ihm eingesetzten Sicherheitsdienst. Damit ist der Staat aber nicht außen vor: "Im Falle von erkannten Straftaten, etwa bei der Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen, wird die Polizei einschreiten", versichert Matthiesen. Beim Konzert 2016 sei es "zu keinen auffälligen Störungen" gekommen.