Die Messe ist noch keine Stunde alt, da ist sie bereits pickepackevoll. Riesenandrang bei der "Bremen Classic Motorshow", so viele Besucher wie noch nie am ersten Tag. "Die Leute haben offenbar schon mit den Füßen gescharrt", vermutet Messemacher Frank Ruge. Drei Jahre Pause wegen Corona – da wird es offenbar dringend Zeit, mal wieder tief einzutauchen in die Welt der Klassiker auf Rädern. Dort zum Beispiel, wo ein Schild aufgestellt ist: Achtung! Artenschutzgebiet!
Autos unter Artenschutz
Wie ist das gemeint? Welche Arten? Welcher Schutz? Die Antwort sind Allerweltautos, die auf einer Sonderfläche in Halle 4 präsentiert werden: Ford Granada, Alfasud, Fiat 1500, Renault 16TS, Audi 100, Simca 1501 – lauter Karren, die vor Jahrzehnten mal in Massen produziert wurden, mittlerweile aber selten geworden sind.
Ruge und seine Mannschaft haben sie auf eine Rote Liste gesetzt und unter dieser Überschrift zu einer Sonderschau vereint. Eine clevere Idee, denn bei dem Publikum – in der übergroßen Mehrzahl ältere Männer – löst das einen Wiedererkennungseffekt aus: Mensch, den hatte ich auch mal!
Bei Erwin Claussen ist es der Alfasud. "Das war Anfang der 1980er", sagt der Mann aus Bad Bederkesa, er schwor damals drauf: "Super Straßenlage." Vier Jahre Vergnügen, "dann ist er mir weggerostet." Ein Phänomen, das in der Roten Liste seine Würdigung findet: "Gründe für das Aussterben waren die schlechte Blechqualität und die noch schlechtere Verarbeitung", heißt es dort. Claussen lässt sich davon nicht beirren, er hat sich in Litauen einen neuen alten Alfasud gekauft: "Noch steht er nicht auf dem Hof, dauert aber nicht mehr lange."
Für Autoliebhaber wie Claussen ist die Messe ein Muss: "Ich bin extra wieder am Freitag gekommen, da war es früher immer noch relativ ruhig. Heute nicht. Die Leute sind wie ausgehungert." Slalomlauf für alle, die vorankommen wollen, ein Ziel haben, doch das sind die Wenigsten. Warum die Eile, wenn es überall etwas zu schauen und zu bestaunen gibt: Superteures wie eine Corvette für 130.000 Euro, einen Ferrari für 92.500 Euro oder einen Mercedes von 1960, elfenbeinfarben und mit roter Innenausstattung, für 120.000 Euro. Superschnelles ist auch da – der VW W12 Nardo bringt es mit seinen zwölf Zylindern auf mehr als 350 km/h.

Freude über den großen Andrang gleich zu Beginn: Messemacher Frank Ruge hat beobachtet, dass "die Leute offenbar schon mit den Füßen gescharrt haben".
Kontrastprogramm auch ein paar Hallen weiter: nicht schnell, nicht teuer, sondern ausgesprochen gemütlich. Im "Suleica", kann man sagen, lässt es sich leben. Genug Platz für eine vierköpfige Familie, die mit dem superleichten Caravan auf Reisen geht. Hajo Giesecke hat das im Sommer wieder getan, eine Tour hoch nach Schweden. "2500 Kilometer. Kein Problem", sagt der 60-Jährige. Der Caravan mit Originalausstattung ist 50 Jahre alt, eine echte Rarität und voll funktionstüchtig. "In den 1980er-Jahren sind viele davon einfach weggeschmissen worden", erzählt der Mann aus Bassum. Retten, was zu retten ist, hat er sich damals gedacht und macht seitdem beim Camping Oldie Club mit. Den "Suleica" besitzt er seit 25 Jahren. Die Inszenierung in dem Wohnwagen ist perfekt, alles wie früher, ausnahmslos – ein Zeitreisemobil.
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Mehr als 700 Händler
Die Bremen Classic Motorshow gibt es seit 20 Jahren. Auf gut 50.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche versammeln sich während der drei Tage mehr als 700 Händler. Einer darunter, der das erste Mal gekommen ist: John Firth aus Harrogate, einer Stadt im Norden Englands. Sein Stand auf dem Teilemarkt ist regelrecht umlagert. Bares für Rares: "Zehn", sagt Firth, als jemand am Grabbeltisch mit den alten Schweinwerfern, Glühbirnen, Lenkrädern, Spiegeln und Anzeigern jeder Art ein kleines Schild mit dem Alfa-Romeo-Schriftzug "Berlina" hochhält. Zehn Euro. Abgemacht.

Den Allerweltautos von einst ist eine Sonderschau gewidmet.
Der 78-Jährige ist hochzufrieden mit dem Messestart: "Viel mehr Kunden, als ich dachte", sagt er. Firth kennt sich aus, hat 50 Jahre Erfahrung in dem Geschäft und war vor drei Wochen bei der Classic Car Show in Maastricht. Er kann also vergleichen. Bremen gehört für ihn von nun an zu den ersten Adressen: "Ich komme sicher wieder."
Es gibt in Deutschland die Klassiker-Messen in Essen und Stuttgart, sie sind größer, weshalb sich Frank Ruge mit seiner Bremer Veranstaltung auf dem dritten Rang sieht. "Wir sind das gallische Dorf", sagt er. Doch Größe allein ist es nicht.

Anschauungsunterricht: Der Käfer-Club Wolfsburg hat einen VW von 1959 auseinandergenommen und präsentiert in quasi in Einzelteilen.
Fragen an einen Experten, er heißt Marcus Keller, eine Zufallsbegegnung. Keller leitet in einem großen Leasing-Unternehmen den Geschäftsbereich Classic Cars. Er reist von Messe zu Messe, um das Angebot zu sondieren. "Bremen liegt für mich nach Essen auf Platz zwei", sagt der Kaufmann und nennt die Gründe: "In Stuttgart quatschen die Leute viel, kaufen aber nicht. Das ist in Bremen anders." Die Classic Motorshow habe ein großes Einzugsgebiet, sei bodenständig und überzeuge mit ihren Sonderschauen – "das kriegt sonst niemand so gut hin." Die Messe habe es außerdem geschafft, das Publikum in den Corona-Jahren mit Online-Präsentationen bei der Stange zu halten.
Doch nun wieder in echt: Ein Käfer, der seine Beine von sich streckt, die Grätsche macht. Er wurde aufgebockt und halb auseinandergenommen. Ungewöhnlich, denn wer soll den Wagen in diesem Zustand kaufen oder ihn auch nur bewundern? Niemand, denn darum geht es nicht. "Wir wollen zeigen, dass es kein Zauberwerk ist, so einen Wagen zu filetieren", sagen Jürgen Düwert und Werner Bröge. Die beiden Männer gehören zum Käfer-Club Wolfsburg. Der VW, den sie in der Mache haben, ist ein sogenannter Scheunenfund, er stammt von 1959 und wird nun restauriert. Anschauungsunterricht bei der Classic Motorshow, dem Paradies der Schrauber.