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Modell aus den Niederlanden St. Joseph-Stift Bremen: Arbeitszeitmodelle gegen den Fachkräftemangel

Im St. Joseph-Stift sorgt das Projekt Moinflex für eine neue Form der Arbeitsorganisation in der Pflege. Katrin Schlechter ist eine der Pionierinnen und fühlt sich in dieser Rolle ziemlich wohl.
09.07.2024, 05:00 Uhr
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St. Joseph-Stift Bremen: Arbeitszeitmodelle gegen den Fachkräftemangel
Von Timo Thalmann

Katrin Schlechter kommt rum im St. Joseph-Stift. Seit Anfang Mai war die examinierte Pflegekraft bereits in der Gynäkologie, auf der Station für Inneres, im Bauchzentrum und in der Geriatrie. „Ich find das ganz spannend“, sagt Schlechter, die als eine von aktuell 18 Mitarbeitenden im Springerpool des Krankenhauses beschäftigt ist. Das heißt, die 39-Jährige kommt immer dort zum Einsatz, wo aufgrund von Ausfällen oder temporär offenen Stellen Bedarf besteht. Das kann sich bei Krankheit kurzfristig entscheiden, im Fall von Urlaubsvertretungen oder geplanter Abwesenheit von Kollegen, etwa für Fortbildungen, ist es aber auch gut planbar.

Schlechter ist das alles recht, sie hat nur klare Vorgaben an ihre Arbeitszeit: Ausschließlich an Wochenenden sowie montags kann sie im Einsatz sein. Familiäre Gründe und ein chronisch erkranktes kleines Kind machen sie unter der Woche zu Hause nur schwer abkömmlich. Die Arbeitszeiten kann das St. Joseph-Stift ihr nun garantieren, wenn sie im Gegenzug keine Scheu vor beständigen Stationswechsel hat – das ist der Deal.

Springerpool ist jetzt eigene Abteilung

Springkräfte gab es – so wie in den meisten Kliniken – auch im St. Joseph-Stift schon länger, doch ab Mai 2024 wurde ihr Einsatz unter dem Namen Moinflex auf eine ganz neue Basis gestellt. Als interne Feuerwehr liefen sie zuvor als Anhängsel einer der Bereichsleitungen irgendwie mit, aber so richtig zuständig fühlte sich niemand. Moinflex ist dagegen eine neue und eigenständige Abteilung der Klinik, eine weitere Station, wenn man so will – inklusive Stationsleitung, eigenem Dienstplan und klar geregelten beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten.

Was selbstverständlich klingt, ist tatsächlich eine mittlere Revolution, weshalb es in Bremen Unterstützung und Beratung aus den Niederlanden brauchte. Dort sind über 80 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen systemisch flexibilisiert, um den Bedarf in der Pflege einerseits und die Ansprüche der Mitarbeiter andererseits bestmöglich unter einen Hut zu bringen. Das heißt, es gibt dort relativ große sogenannte Flexteams, die sich zwar Einsatzzeiten, aber nicht Einsatzorte aussuchen können. Damit entfällt vor allem die feste Anbindung an eine bestimmte Station – und das gilt nach wie vor als entscheidendes Hindernis.

Viele Vorbehalte gegen Springkräfte

„Die Berufsauffassung der Pflege ist in Deutschland von vielen Traditionen geprägt, was sie manchmal sehr resistent gegenüber Veränderungen macht“, sagt Nadia Emme, die als Disponentin von Moinflex für die Dienstpläne verantwortlich ist. Als langjährige Pflegekraft kennt sie alle denkbaren Vorbehalte. So gehörte im Vorfeld aber auch jetzt noch vor allem die interne Kommunikation zu ihrem Job. Springerkräfte träfen auf viele Vorbehalte und Ängste auf den Stationen, meint sie. „Das ist etwa die Vorstellung, die Springer fühlten sich nicht verantwortlich für ihre jeweilige Station, weil sie eben nicht fest dortbleiben.“ Auch dass die Qualität der Pflege leidet, weil man nicht Teil eines eingespielten Teams ist, sei ein häufiger Vorbehalt.

Emme hofft dagegen, dass die Qualität der Pflege sogar steigt. „Die Springkräfte kennen viele Arbeitsweisen und brauchen zugleich ein hohes Fachwissen, um auf mehreren Stationen arbeiten zu können.“ Das mache sie zu wandelnden Know-how-Trägern, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen zugleich breit verteilen könnten. Katrin Schlechter hat beispielsweise schon langjährige Erfahrung aus der zentralen Notaufnahme einer Klinik und kennt sich mit Intensivpflege aus. Und ohne das Flexteam wäre sie als Fachkraft für den Beruf wohl verloren. „Meine letzte Stelle vor dem St. Joseph-Stift war in der Altenpflege, aber da wurden meine Einschränkungen in der Arbeitszeit zunehmend zum Problem“, berichtet sie. Da half auch die unmittelbare Nähe des Arbeitgebers zu ihrem Wohnort nichts.

Verlässliche Dienstpläne als großes Ziel

Das ist denn auch der tiefere Grund für Moinflex: Fachkräfte gewinnen und behalten, übrigens auch auf den Stationen. „Wenn wir Ausfälle durch unser Flexteam kompensieren können, bleibt der Dienstplan verbindlich, wir müssen niemanden anrufen, ob er nicht doch arbeiten kann“, beschreibt es Sarina Meinken, die als Recruiterin für Moinflex die neuen Fachkräfte finden soll. Verlässliche Dienstpläne seien dabei ein starkes Argument.

Bis auf 57 Vollzeit- oder entsprechend mehr Teilzeitkräfte soll der Flexpool in den kommenden drei Jahren anwachsen, was bei etwa 360 Pflege-Vollzeitstellen – aktuell verteilt auf 486 Köpfe – insgesamt einen wachsenden und dauerhaften Anteil von Mitarbeitern in der Pflege bedeutet, der nicht mehr einer festen Station zugeordnet sind. Damit sollten nach interner Analyse alle Ausfälle und Vakanzen ausgeglichen werden können, und auch absehbare altersbedingte Abgänge sind darin berücksichtigt. Die Stellen kommen also nicht zusätzlich, sondern bedeuten eine gewaltige Umorganisation des Pflegebetriebs in den nächsten Jahren.

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