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Sparmaßnahme Bremer Bildungsbehörde streicht Lehrern das kostenlose Mittagessen

Bislang konnten Lehrkräfte und andere Beschäftigte an Bremer Ganztagsschulen kostenlos zu Mittag essen. Dieses Angebot hat die Bildungsbehörde nun gestrichen – das sorgt für Unmut.
25.11.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Bildungsbehörde streicht Lehrern das kostenlose Mittagessen
Von Felix Wendler

Eine halbe Portion sorgt bei Bremer Lehrern für Ärger. Genau genommen ist es ein Happen, der die Gemüter erregt – der sogenannte pädagogische Happen. Bislang konnten Lehrkräfte und Betreuungskräfte in den Mensen der Bremer Ganztagsschulen eine Kleinigkeit mitessen, ohne dafür bezahlen zu müssen. An einigen Schulen sollen auch mal regulär große Portionen auf dem Teller gelandet sein. Ob zwei, drei oder vier Kartoffeln: Gratis ist der Happen seit einigen Wochen nicht mehr. Die Bildungsbehörde hat das kostenlose Mittagessen vom Speiseplan gestrichen.

"Angesichts der knappen Kassen in Bremen ist diese Maßnahme finanziell einfach nicht darstellbar", erklärt Behördensprecherin Patricia Brandt auf Nachfrage des WESER-KURIER. Ende August habe man die Schulen in der Stadt Bremen darüber informiert, dass das Angebot nach den Herbstferien nicht mehr zur Verfügung steht. Im September, als sich die Nachricht nach und nach an den Schulen verbreitete, erreichten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) immer mehr Beschwerden. Im Zuge der GEW-Personalversammlung am 25. September marschierten rund 30 Teilnehmer zur Bildungsbehörde, um dort in einem symbolischen Akt leere Pappteller ans Gebäude zu heften.

GEW sieht mangelnde Wertschätzung

Ramona Seeger, Landesvorstandssprecherin der GEW, ärgert sich über die Entscheidung der Behörde. Für sie ist es Ausdruck mangelnder Wertschätzung, den Lehr- und Betreuungskräften das kostenlose Mittagessen zu streichen. Den pädagogischen Happen sieht Seeger nicht als reines Geschenk, sondern – dem Namen entsprechend – auch als Teil der pädagogischen Begleitung. Viele Kinder könnten zum Beispiel nicht mit Besteck umgehen, sagt Seeger. Dementsprechend wichtig sei es, auch am Mittagstisch eine Bezugsperson dabeizuhaben, die als Vorbild dient. Generell sei vielen Kindern das gemeinsame Essen unbekannt. Laut Seeger ist die Veränderung in den Schulen spürbar, weil Erwachsene teilweise nicht mehr mitessen. "Die Kinder finden das komisch und fragen nach", sagt sie.

Die Bildungsbehörde findet den pädagogischen Happen "gut gemeint", aber in doppelter Hinsicht problematisch. Zum einen wirft die kostenlose Bereitstellung eines Mittagessens laut Brandt "Fragen der Bevorzugung gegenüber anderen Personalgruppen, Trägern und Eltern" auf. Tatsächlich dürfte es vielen Eltern schwierig zu erklären sein, warum sie für das Schulessen ihrer Kinder bezahlen sollen, während Lehrkräfte kostenlos essen.

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Auch Seeger räumt ein, dass es für die meisten Lehrkräfte wohl kein Problem sei, ihr Mittagessen selbst zu bezahlen. Für einige Assistenzkräfte sei die Abschaffung des kostenlosen Angebots hingegen ein "finanzieller Einschnitt". Brandt zufolge kostet ein Mittagessen für Schüler und Schülerinnen zwischen vier und fünf Euro. Lehrkräfte und andere Beschäftigten bezahlen den Angaben nach einen Aufpreis von etwa einem Euro. Brandt betont, dass das Essen an Bremer Schulen deutlich günstiger als im bundesweiten Durchschnitt ("circa 5,50 bis 7,50 Euro") sei.

Das zweite Problem der Behörde ist ebenfalls nicht rein finanzieller Art, sondern hat auch einen bürokratischen Hintergrund. Bei den kostenlosen Mittagessen handelt es sich laut Brandt "um geldwerte Leistungen, die individuell und im Einzelfall zu versteuern wären". Abgeschafft wurde das Angebot demnach, weil "eine regelhafte Auswertung, Meldung und Berechnung der kostenlos gewährten Mittagessen mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre". Offen bleibt, warum dieses Problem offenbar erst nach Jahren als solches erkannt wurde.

Streitthema in vielen Bundesländern

Exklusiv hat Bremen übrigens weder den pädagogischen Happen noch den Streit darum. Entsprechende Angebote gibt es in vielen Bundesländern – sowohl in Schulen als auch in Kindergärten. Letztere waren bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren, in denen es um eben jene Frage ging, ob Erzieherinnen ein kostenloses Essen versteuern müssen. Das Finanzgericht Hannover urteilte 2019 in einem Fall, dass kein geldwerter Vorteil entstehe.

In München wird laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ebenfalls über das Mittagsangebot in Schulen gestritten. Das Problem dort: Die Grundschulen sind staatlich organisiert, die Nachmittagsbetreuung jedoch zum Teil städtisch. Die staatlichen Lehrkräfte dürfen seit November in den städtisch betreuten Ganztagsschulen nicht mehr vergünstigt zu Mittag essen. Weil sich laut Bericht derzeit aber nur vergünstigte Essen im System abrechnen lassen, können Lehrer aktuell in jeder vierten Grundschule die Mensa überhaupt nicht mehr nutzen.

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