Wer sich für Kriegsfilme begeistern kann, kennt die berühmte Szene aus dem amerikanischen D-Day-Epos "Der längste Tag". Zwei einsame deutsche Flugzeuge feuern am 6. Juni 1944 im Tiefflug auf britische Truppen am Strand der Normandie. Der Vorgang ist verbürgt, ein weiteres Mal ließ sich die deutsche Luftwaffe am Invasionstag nicht blicken. Weniger bekannt dürfte sein, dass es sich bei den beiden Jagdflugzeugen um Focke-Wulf 190 handelte, mithin um Maschinen aus Bremer Produktion. Die Gruppe des "Schlageter"-Geschwaders von Josef Priller war im Sommer 1942 mit den Fw 190 ausgestattet worden. Im Film wurde der Jagdflieger vom deutschen Schauspieler Heinz Reincke dargestellt. Sein höhnischer Filmkommentar nach dem Kurzeinsatz: "Das war der große Augenblick der deutschen Luftwaffe."
So viele Impulse von Bremen seit 1924 auch für den Flugzeugbau ausgegangen sein mögen – ihren Durchbruch als einer der wichtigsten Standorte der deutschen Flugzeugproduktion erlebte die Stadt erst nach 1933. Zur forcierten Aufrüstung des "Dritten Reichs" gehörte auch der Aufbau einer schlagkräftigen Luftwaffe. Davon profitierten die beiden Bremer Flugzeughersteller Focke-Wulf und Weserflug in beträchtlichem Umfang: Focke-Wulf mit eigenen Modellen, während Weserflug als Lizenzunternehmen die Junkers 87 baute, den berüchtigten Sturzkampfbomber ("Stuka") mit seinem heulenden Sirenenton. Mit 37.000 Beschäftigten war Focke-Wulf der zweitgrößte deutsche Flugzeughersteller, Weserflug stand mit 30.000 Mitarbeiter an vierter Stelle.
Zu verdanken hatte Focke-Wulf seine Spitzenstellung nicht zuletzt der Fw 190. Der erste Prototyp des einsitzigen Jagdflugzeugs wurde kurz vor Kriegsbeginn im Sommer 1939 getestet. Zum ersten Luftkampf mit einem britischen Spitfire-Verband kam es im September 1941 über Dünkirchen. Mit ihren glänzenden Flugeigenschaften sei die Fw 190 den feindlichen Jägern "in fast allen Bereichen überlegen" gewesen, schreibt Experte Dietmar Hermann. Als Pluspunkte nennt Horst Becker vom Luftfahrtverein Bremer Airbe beschusssichere Tanks und die "fantastische Rollfähigkeit" im Kampfeinsatz. Zum zweiten Standardjäger der Luftwaffe neben der älteren Messerschmitt 109 entwickelte sich die Fw 190 aber erst 1942 mit der verbesserten dritten Baureihe. Bis Kriegsende wurden in Bremen und den Zweigwerken knapp 21.000 Exemplare gebaut. Mit dem Beinamen "Würger" folgte Focke-Wulf der Firmentradition, seine Flugzeugtypen mit Vogelnamen zu versehen.
Mit viel Elan und Ehrgeiz arbeitete die deutsche Flugzeugindustrie daran, die militärischen Anforderungen des neu geschaffenen Reichsluftfahrtministeriums (RLM) zu erfüllen. Als innovative Schrittmacher sieht Airbe-Vorsitzender Peter Wetjen vor allem die Flugzeugbauer Heinkel und Messerschmitt. Doch auch Focke-Wulf mischte von Anfang an mit beim Wettbewerb um lukrative Aufträge für Ausbildungs- , Aufklärungs- und Kampfflugzeuge. Allerdings nicht immer erfolgreich. Bei der Ausschreibung für ein einmotoriges Jagdflugzeug ging Focke-Wulf 1935 mit der Fw 159 ins Rennen – und scheiterte kläglich im Vergleich mit dem Konkurrenzmodell, der Me 109. Eine Scharte, die Focke-Wulf dann wenige Jahre später mit der Fw 190 auswetzte.

In Bremen von der Firma Weserflug als Lizenzprodukt gebaut: der Sturzkampfbomber Ju 87.
Die Stärke von Focke-Wulf lag zunächst in der Reihenherstellung von Schul- und Übungsflugzeugen für die Luftwaffe. "In diesem Sektor sollte die Firma in kurzer Zeit eine führende Stellung einnehmen", so die Luftfahrtexperten Peter Kuckuk und Hartmut Pophanken. Als wahrer Exportschlager entpuppte sich der zweisitzige Doppeldecker Fw 44 "Stieglitz". Das Muster wurde zwar schon 1932 erprobt, die Serienproduktion begann aber erst 1935, teils unter Beteiligung ausländischer Lizenzunternehmen. Insgesamt wurden mehr als 2100 Maschinen hergestellt. Durchaus beachtlich auch die Verkaufszahlen eines weiteren Schulflugzeugs, der Fw 56 "Stößer". Die deutsche Luftwaffe legte sich 1935/36 insgesamt 445 Exemplare des Hochdeckers zu.
Eine Ausnahme von der Regel stellte die legendäre Fw 200 "Condor" dar. Galt doch als Faustregel des RLM: Verkehrsflugzeuge werden nur genehmigt, wenn sie sich auch für eine militärische Verwendung eignen. Doch angesichts amerikanischer Konkurrenz und der veralteten Ju-52-Flotte ("Tante Ju") der Lufthansa fürchtete das RLM einen Prestigeverlust. Bereits vor der offiziellen Ausschreibung machte sich Focke-Wulf ans Werk, die ersten Entwürfe des Teams um Chefkonstrukteur Kurt Tank stammen vom Januar 1936. "Für den Bau der Fw 200 gab es eine Sondergenehmigung", sagt Becker. Danach ging alles ganz schnell, ab Sommer 1938 setzte die Lufthansa die ersten Maschinen im Linienverkehr ein. Der umjubelte Nonstop-Flug von Berlin nach New York am 10. August 1938 stellte den Rekordflug der "Bremen" von 1928 in den Schatten – damals war noch eine Zwischenlandung auf Irland nötig gewesen. Weitere Rekordflüge waren auch Werbeflüge in eigener Sache, sie sollten den Verkauf im Ausland ankurbeln.

Zu Kriegszwecken umgebaut: die legendäre FW 200 ”Condor”.
Doch dazu kam es nicht mehr. Nach Kriegsausbruch begann die militärische Karriere der "Condor" als Transport- und Versorgungsflugzeug, Seeaufklärer und Fernbomber. Zu Anfang des Krieges konnte die Maschine zwar einige Transportschiffe im Atlantik versenken, als schwerer Bomber war die "Condor" aber ungeeignet. Die alliierte Luftrüstung brachte das Flugzeug zusehends in Verlegenheit, trotz etlicher Nachbesserungen ließen sich die Mängel nicht beheben. "Ab 1943 hatte die Fw 200 keine Chance mehr", sagt Becker. Eine Spezialanfertigung der "Condor" diente Hitler ab Sommer 1939 als "Führermaschine". Später wurden noch acht weitere bewaffnete Ausführungen in die "Fliegerstaffel des Führers" aufgenommen – mitsamt Notluke und einem Sesselfallschirm für Hitler.
Zum Hauptabnehmer des RLM entwickelte sich indessen der zweite Bremer Flugzeughersteller, die Firma Weser-Flugzeugbau (kurz: "Weserflug"), eine 1934 gegründete Tochterfirma des Deschimag-Konzerns, dem auch die AG Weser angehörte. Ab 1939 produzierte Weserflug verschiedene Varianten der Ju 87, bis zum Produktionsende im Sommer 1944 wurden mehr als 5700 Maschinen ausgeliefert. Die Ju 87 gilt als das erfolgreichste Sturzkampfflugzeug des Zweiten Weltkriegs, die deutsche Propaganda baute die Maschine zum Symbol des "Blitzkriegs" auf. Der Versuch von Focke-Wulf, mit einem eigenen Sturzkampfbomber zu reüssieren, kam über drei Prototypen nicht hinaus. Nur in geringen Stückzahlen baute Focke-Wulf ab 1943 die Jagdflugzeuge Fw Ta (nach Chefkonstrukteur Tank) 152 und 154. "Das war ein Hobby von Herrn Tank", sagt Becker. Das strahlgetriebene Jagdflugzeug Fw Ta 183 blieb im Planungsstadium stecken.
Um ihren Betrieb trotz Arbeitskräftemangel zu sichern, bedienten sich Focke-Wulf und Weserflug ohne erkennbare Skrupel am schier unerschöpflichen Reservoir von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Man kann davon ausgehen, dass die Firmenleitungen die deutschen Angriffskriege wie auch die NS-Ideologie mehr oder weniger vorbehaltlos unterstützten. Bereits 1932 hatte sich Tank der Partei angeschlossen. Wer bei Focke-Wulf eine Lehre machen wollte, musste der Flieger-Hitlerjugend angehört haben. Die "Gefolgschaften" beider Bremer Flugzeugbauer waren stark durchdrungen von einem ausgeprägten Elitebewusstsein – der Stolz auf die erstellten Maschinen korrespondierte laut Forschung mit einer auffällig hohen Zahl an Parteimitgliedern.
Die deutsche Kapitulation im Mai 1945 entzog der Bremer Flugzeugindustrie die Geschäftsgrundlage. Hinzu kamen die massiven Zerstörungen der Bremer Werke und der Verlust der Zweigstellen im Osten – keine sonderlich guten Aussichten für die Friedensproduktion. Und doch sollte der Flugzeugbau an der Weser noch eine Zukunft haben.
Ein weiterer Artikel zum Thema 100 Jahre Flugzeugbau in Bremen befasst sich mit den Nachkriegsjahren (7. September).