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Drei Gründer klagen an Bremer Jungunternehmer fordern mehr Unterstützung

Als Gründer hat man es in Bremen nicht leicht, sagen Jungunternehmer. Von der Wirtschaftsförderung fordern sie mehr Unterstützung für Start-ups.
08.08.2016, 00:00 Uhr
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Bremer Jungunternehmer fordern mehr Unterstützung
Von Philipp Jaklin

Als Gründer hat man es in Bremen nicht leicht. Zu diesem Schluss kommen die Jungunternehmer Tobias Kohler, Tom Suberg und Paul Kremendahl. Von der Wirtschaftsförderung fordern sie mehr Unterstützung für Start-ups.

Wie man eine Firma aufbaut, auch unter schwierigen Bedingungen, das wissen Tobias Kohler und Tom Suberg. Sie haben es selber gemacht: Im Frühjahr 2015 gründeten sie Crowdstars, ein Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Crowdfunding. Die beiden Absolventen der Jacobs University Bremen bieten zusammen mit ihrem Kompagnon Paul Kremendahl Dienstleistungen für Gründer oder Unternehmenskunden an, die über diesen Finanzierungsweg Kapital für ihre Geschäftsideen einsammeln wollen.

Crowdfunding ist seit ein paar Jahren in Mode. Inzwischen gibt es hierfür eine Vielzahl von Internet-Plattformen. Dabei ist die Idee eigentlich alt. „Diesen Finanzierungsweg gibt es seit dem Mittelalter“, sagt Su­berg. Die Idee ist das Prinzip der Vorbestellung: wenn etwa der Buchdrucker seine Presse erst anwirft, sobald es genügend Abnehmer für ein Werk gibt, die im Voraus Geld dafür gezahlt haben. Solche „Pränumerationen“ waren noch im 18. Jahrhundert üblich, auch für Instrumente oder Werkzeuge.

Das junge Bremer Unternehmen mit Sitz am schicken Teerhof – dort, wo einst die Beluga-Reederei von Niels Stolberg ihre Zentrale hatte – sammelte erfolgreich Geld ein etwa für Brewie, eine vollautomatische Braumaschine. Aktuell, so erzählen die drei, arbeite man für Auftraggeber aus Dänemark, es gebe auch Kontakte zur Finanzbranche in der Schweiz. Ihr Urteil über Bremen als Standort für Unternehmensgründungen und speziell Start-ups, die sich mit einer innovativen Geschäftsidee versuchen und dabei eine gewisse Größe erreichen wollen, fällt indes ernüchternd aus.

"Förderinstitutionen sind zu zögerlich"

„In Bremen fehlt das Verständnis für die Belange und Probleme von Gründern“, sagt Kohler. „Man wird von der Verwaltung ausgebremst.“ Siebzehnmal habe er beispielsweise seinen Antrag auf einen Gründungszuschuss beim zuständigen Jobcenter einreichen müssen, so berichtet Mitgründer Suberg, bevor dort verstanden worden sei, was Crowdfunding eigentlich sei.

Insgesamt seien die staatlichen Förderinstitutionen viel zu zögerlich und zurückhaltend. So mangele es bei der Wirtschaftsförderung am „Sinn für innovative Geschäftsmodelle“ und an Risikobereitschaft. „Wäre Amazon in Bremen gegründet worden, hätte es dafür keine Fördermittel gegeben, weil es ja nichts mit Schiffen zu tun hat“, so Su­berg. „Der Fokus liegt auf Bestandsförderung.“ Insgesamt habe er das Gefühl gehabt, dass man ihm die Unternehmensgründung eher habe ausreden wollen. Letztlich sei Crowdstars für Bürogeräte ein Mikrokredit von mehreren Tausend Euro bewilligt worden; dafür habe er sich aber auch viermal mit den Zuständigen treffen müssen.

Die Gründer schrieben deswegen auch einen Brief an Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). „Wie viele andere Bremer Jungunternehmer sind auch wir frustriert darüber, wie viele Steine man bei einer Gründung in Bremen in den Weg geworfen bekommt und wie unzureichend die Fördermittellandschaft ausgestattet ist“, heißt es dort. Sogar zu einem Treffen kam es, in dem das Crowdstars-Team von seinen negativen Erfahrungen berichten konnte.

Kleine Start-up-Szene in Bremen

Zwar gebe es positive Beispiele, sagt Suberg, etwa das Bremer Förderprogramm für Unternehmensgründungen (BRUT) – ein Qualifizierungsangebot, das auch die Crowdstars in Anspruch genommen habe. Dieses sei aber einfach „zu klein“. „In Bremen gibt es kein Ökosystem für Gründer“, so der Jungunternehmer.

„Es ist ein Armutszeugnis, dass Oldenburg volumenmäßig mehr Start-up-Szene hat als Bremen.“ Auch die Selbstdarstellung etwa des staatlichen Fördererinstituts Bremer Aufbau-Bank (BAB) sei zweifelhaft. „Wenn die BAB sagt, sie habe schon über 100 Start-ups finanziert, stimmt das einfach nicht“, sagt Tobias Kohler. „Bei dieser Rechnung wird auch das Nagelstudio mitgezählt, das in Bremen aufmacht.“

Das Thema hat inzwischen auch die Bremer Politik erreicht. Die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft hat gerade eine Initiative zur „Förderung einer neuen Gründerkultur“ gestartet. Die Zahl der Existenzgründungen je 10.000 Erwerbstätigen sei in Bremen von 84,3 Prozent im Jahr 2013 auf 65,6 Prozent im Jahr 2015 zurückgegangen, heißt es in einem Antrag der Fraktion. Dies sei „der höchste Rückgang unter allen Bundesländern“. Auch im hochinnovativen Bereich gebe es Raum für Verbesserungen; obwohl Bremen nach Hamburg die zweitgrößte Wirtschaftskraft pro Kopf besitze, lägen Metropolen wie Berlin und München weit vorn.

Liberale fordern zentrale Anlaufstelle

Die Liberalen fordern unter anderem die Einrichtung eines „Start-up-Culture-House“ in Bremen als zentrale Anlaufstelle für Gründungsprojekte. Auch müsse sich der Senat im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür starkmachen, die bürokratischen Hürden für Existenzgründer deutlich zu senken. „Die Regelungswut nimmt in unserem Land überhand, und der rot-grüne Senat unternimmt nichts dagegen“, so Fraktionschefin Lenke Steiner.

Bremens Wirtschaftsförderung weist die Kritik der Crowdstars-Gründer zurück. Angesichts mehrerer gemeinsamer Projekte sei man „mehr als verwundert über den Vorwurf mangelnder Unterstützung“ heißt es bei der WFB. Trotz unbürokratischer Förderzusage habe das Unternehmen aber in der Vergangenheit beispielsweise ein geplantes Event nicht an den Start bringen können.

Zwar treffe es zu, dass es „in Bremen wie überall Optimierungspotenzial im Sinne des Start-up-Ökosystems“ gebe; jedoch habe die WFB mit Veranstaltungen wie dem „Disrupt Space“-Netzwerkkongress für die Raumfahrtbranche in Bremen bereits „internationale Aufmerksamkeit erzielt“.

Kontakte in Bremen

Auch den Vorwurf, private Geldgeber nicht ausreichend einzubinden, will die WFB nicht gelten lassen. Die Wirtschaftsförderung befinde sich „im Austausch mit den Investoren“ und begleite Gespräche zwischen Unternehmen und Start-ups. Die Förderbank BAB sei aktives Mitglied des Netzwerks „Business Angels“ und pflege in Fragen der Unternehmensgründung auch engen Kontakt zu der Handels- und Handwerkskammer.

Die Entscheidung, welche Gründung die WFB unterstütze, fuße „auch auf wirtschaftlichen und risikoadjustierten Aspekten, um auch gegenüber dem Steuerzahler jederzeit Rechenschaft ablegen zu können“. Der Rahmen hierfür sei durch die Verwaltung des Landes Bremen vorgegeben.

Die Gründer von Crowdstars haben schon überlegt, ob sie ihren Firmensitz nicht besser verlegen sollten, etwa nach Berlin, wo die deutsche Start-up-Szene klar am aktivsten ist. Vielleicht, so sagt Kohler, sei es ja auch „typisch bremisch – man ist mit sich zufrieden. Und man ist chronisch zu spät oder am Markt vorbei“. Für ihr Geschäft sei es möglicherweise letztlich egal, ob das Unternehmen „in Bremen, Halle oder in Gütersloh“ sitze. Was sie in Bremen hält? Die Kontakte, die sie in den vergangenen Jahren in der Stadt aufgebaut hätten, das Netzwerk. Und natürlich Werder.

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