Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Interview mit Bernd Ehlers Bremer Lehrerverband: "Zeiterfassung ist nur der erste Schritt"

Bernd Ehlers, Vorsitzender des Bremer Philologenverbands, fordert, Lehrer von Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts zu befreien. Nur wegen zahlreicher Zusatzpflichten seien viele Lehrkräfte zu stark belastet.
15.02.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremer Lehrerverband:
Von Timo Thalmann

Das Land Bremen will als erstes Bundesland die Arbeitszeiterfassung von Lehrern angehen. Was erwarten Sie davon?

Bislang war unser Eindruck, dass die Bildungsbehörde bei diesem Thema eher bremst. Und nach meiner Kenntnis geht es bei dem jetzt angekündigten Pilotprojekt vor allem um die Suche nach neuen Arbeitszeitmodellen. Die Erfassung der Arbeitszeit ist dafür natürlich eine unerlässliche Voraussetzung..

Aber Ihre Forderung nach Arbeitszeiterfassung der Lehrer wird damit doch nachgekommen. Dafür hatten Sie im vorigen Jahr sogar eine Klage ins Spiel gebracht.

Die Erfassung der Arbeitszeit kann aber nur der erste Schritt sein. Wir wissen aus zahlreichen Studien, in denen die Zeiten bereits beispielhaft dokumentiert wurden, was dabei herauskommt, nämlich dass Lehrer weitaus länger arbeiten, als es die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes zulassen. In Spitzenzeiten mit mehrstündigen Abschlussklausuren, wie ich sie regelmäßig in der berufsbildenden Schule habe, geht das immer wieder über die Obergrenze von zehn Stunden am Tag hinaus. Denn die Korrekturen der Abschlussprüfungen müssen parallel und zusätzlich zum regulären Unterricht erledigt werden. Die Zahl der Aufgaben zusätzlich zum Unterricht ist ohnehin stark gewachsen. In großen Schulen sind heute nach Corona zum Beispiel Hunderte von iPads zu verwalten, aktuell zu halten und zu pflegen. In jeder Firma gibt es dafür IT-Abteilungen oder Dienstleister, in den Schulen machen das häufig die Lehrkräfte. Auch bei einer längerfristigen Betrachtung über das ganze Schuljahr mit allen Ferienzeiten arbeiten Lehrer unterm Strich darum mehr als eigentlich vorgesehen.

Lesen Sie auch

Dann ist es doch gut, dass eine Arbeitszeiterfassung diese Belastungen transparent macht.

Das ist richtig, aber das wissen wir doch schon längst. Dagegen helfen übrigens auch keine neuen Arbeitszeitmodelle, wenn die Lehrkräfte nicht gleichzeitig von Aufgaben außerhalb des Unterrichts befreit werden. Das ist der Kern des Problems. Nur eine angemessene Ausstattung der Schulen mit Verwaltungs- und weiterem nicht-pädagogischen Personal verschafft Lehrern ausreichend Arbeitszeit für ihre eigentliche Aufgabe. Es geht am Ende schließlich um den bitter notwendigen, qualitativ guten Unterricht und nicht nur um die Versorgung von Schulklassen mit Arbeitsblättern.

Wie kann Arbeitszeiterfassung bei Lehrern praktisch umgesetzt werden? Da sie nicht nur in der Schule arbeiten, scheiden Stechuhren vor dem Lehrerzimmer wohl aus.

In der Tat. Lehrer arbeiten zu Hause, manchmal im Café und gelegentlich nach längeren Pausen auch ganze Abende. Ich habe zum Beispiel gestern von 21 bis 23 Uhr wichtige Anträge für eine Gesamtkonferenz vorbereitet. Daher kann es nur um Vertrauensarbeitszeit gehen. Ich kann mir zum Beispiel gut eine App vorstellen, mit der ich Start und Ende meiner jeweiligen Tätigkeiten einfach erfassen kann. Das dauert dann jeweils nur Sekunden und wäre nicht noch eine zusätzliche Belastung. Ich fürchte nur, bis es so praktikabel umgesetzt ist, wird wieder geraume Zeit ins Land gehen. Und so lange wird sich dann an den zuvor beschriebenen Rahmenbedingungen nichts ändern.

Das Gespräch führte Timo Thalmann

Zur Person

Bernd Ehlers

ist Lehrer an einer Berufsschule, Vorsitzender des Bremer Philologenverbandes und Mitglied des Personalrates Schulen Bremen.

Zur Sache

Gerichte sehen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung 

Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts haben eine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung festgestellt. Grundlage dafür ist das  Arbeitsschutzgesetz. Dass gilt für Arbeitnehmer und Beamte gleichermaßen, dennoch wollten die Kultusminister der Länder Lehrkräfte davon ausnehmen. Begründung unter anderem: Arbeitszeit außerhalb der Schulstunden lasse sich nicht im Voraus festlegen. Doch das Bundesarbeitsministerium lässt diese Begründung nicht gelten. "Dieser Umstand steht einer nachträglichen Dokumentation am Ende des Arbeitstages nicht entgegen", heißt es dort.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)