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Bremer Sozialdeputation Geldtopf für die offene Jugendarbeit gefunden – in der Sitzungspause

Die Proteste und Reden der anwesenden Jugendlichen haben wohl Eindruck hinterlassen: Noch während die Deputation tagte, änderten SPD, Grüne und Linke den eigenen Beschlussvorschlag zum Budget der Jugendarbeit.
30.11.2023, 05:00 Uhr
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Geldtopf für die offene Jugendarbeit gefunden – in der Sitzungspause
Von Timo Thalmann

Es kommt eher selten vor, dass die Vertreter der Regierungskoalition eine Deputationssitzung unterbrechen, um gemeinsam mit der zuständigen Senatorin im Hinterzimmer kurzfristige Änderungen ihrer eigenen Beschlussvorlage zu beraten. Doch nach einer turbulenten Diskussion, in der auch zahlreiche protestierende Besucher zu Worte kamen, passierte genau das auf der Sitzung der Sozialdeputation an diesem Mittwoch. Thema war das Budget für die offene Jugendarbeit in den Stadtteilen, also die Finanzierung vor allem der Jugend-Freizeitzentren und der Stadtteilfarmen ab Januar 2024. Knapp 100 Jugendliche sowie Vertreter der freien Träger forderten mit Plakaten und Transparenten vor und auch in der Sitzung deutlich mehr Mittel für diese Einrichtungen. 

Wie hoch ist bislang das Budget für die offene Jugendarbeit?

In diesem Jahr standen insgesamt gut 8,9 Millionen Euro dafür bereit. Für 2024 sind nun etwas mehr als neun Millionen Euro vorgesehen, ein Zuschlag von nur rund 150.000 Euro. Von dem Geld müssen alle laufenden  Ausgaben bestritten werden. Das sind in erster Linie die Gehälter der hauptamtlich beschäftigten Erzieher  und Pädagogen sowie die Honorare freier Mitarbeiter. Aber auch Strom und Heizkosten der Jugendhäuser sind Teil des Budgets. Vor dem Hintergrund stark gestiegener Kosten fordern die Träger demgegenüber grundsätzlich ein Plus von bis zu 30 Prozent. Nahezu gleichbleibende Mittel bezeichnen sie als "kalte Kürzung". Schon jetzt hätten die Jugendfreizeiteinrichtungen Projekte eingestellt und tageweise geschlossen, weil ihnen das Geld fehlt.

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Der Bremer Haushalt 2024 ist noch gar nicht beschlossen, wie kann die Deputation jetzt über die Budgets entscheiden?

Das ist ein besonders Problem der sogenannten haushaltslosen Zeit. Das leicht gestiegene Gesamtbudget gilt als Zwischenlösung, die den jetzigen Zustand fortschreibt, bis der Doppel-Haushalt 2024/2025 endgültig steht. Dann muss die Sozialdeputation neu entscheiden. Aus Sicht der Träger ein schwieriger Schwebezustand, in dem vorhandene Strukturen und Mitarbeiterstämme verloren zu gehen drohen. Das gilt besonders deshalb, weil ohne Haushalt die Summe zum Beispiel nur anteilig monatlich freigegeben wird, immer jeweils 1/14. Langfristige Planung und verbindliche Honorarverträge sind den Einrichtungen damit kaum möglich.

Welche Zwischenlösung haben die Träger vorgeschlagen?

Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (LAG) hat die Idee formuliert, einen zweiten bereits existierenden Budgettopf mit sogenannten Herrichtungsmitteln umzuwidmen. Darin stehen jährlich rund 500.000 Euro für Investitionen in die Häuser und Einrichtungen bereit. Doch laut Larissa Krümpfer, Fachbereichsleitung Jugend bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo), werden diese Mittel selten ausgeschöpft. Der Grund: Die Träger müssen stets 20 Prozent Eigenanteil zuschießen, was sie angesichts der gestiegenen Kosten im laufenden Betrieb schon lange nicht mehr könnten. Dem Vernehmen nach sind vom Budget 2023 daher noch rund 200.000 Euro übrig. Der Vorschlag: Dieses Geld für laufende Kosten umwidmen und ins kommenden Jahr verschieben. Zusammen mit dem neuen Investitionstopf 2024 ständen so zusätzlich 700.000 Euro bereit, eine Erhöhung des Budgets um wenigstens rund acht Prozent.

Wie wurde mit dieser Lösung verfahren?

Die CDU hat den Vorschlag der LAG aufgegriffen und einen entsprechenden Antrag in der Sozialdeputation gestellt. Schon zuvor hatte sich der Jugendhilfeausschuss dem einstimmig angeschlossen. Doch die Beschlussvorlage der senatorischen Behörde verwarf die Idee als nicht umsetzbar. Die Deputationsvorsitzende Hetav Tek (CDU) ließ aber zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene aus den Reihen der protestierenden Besucher in der Sitzung zu Wort kommen, die unisono vortrugen, welch hohen, zuweilen existenziellen Stellenwert die Freizeiteinrichtungen für ihren Lebensweg haben. Und die Vertreter der Träger konnten ihre Schwierigkeiten erläutern, diese Strukturen mit den vorgesehenen Mitteln langfristig zu erhalten. Danach wurden die Vertreter von SPD, Grünen und vor allem der Linken zusehends unruhiger. Dariush Hassanpour (Linke) war es schließlich, der eine Sitzungsunterbrechung anregte, damit sich SPD, Grüne, Linke und Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) nochmal neu sortieren. Schilling hatte zuvor deutlich gemacht, dass sie sich in den Haushaltsberatungen für einen weiteren Zuwachs des Budgets stark machen werde, aktuell aber wenig Spielraum für weitergehende Beschlüsse sehe.

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Was hat die Sozialdeputation am Ende beschlossen?

Vollständig kippen oder zurückziehen mochten die Koalitionäre den Beschlussvorschlag ihrer Senatorin nicht. Das prinzipiell nur geringfügig erhöhte vorläufige Budget fand erstmal ihre Zustimmung. Aber sie haben Ergänzungen eingefügt, so soll genau geprüft werden, ob die Umwidmung der verbliebenen und künftigen Herrichtungsmittel nicht doch möglich ist. Und auch beim Auszahlungsmodus in der haushaltslosen Zeit will man Änderungen. Dass jeweils nur ein 1/14 monatlich an die Träger überwiesen wird, sei nach übereinstimmendem Eindruck eine schlichte Gewohnheitsübung, heißt es. Es sollen jetzt 1/12 werden. Allerdings ist auch das vorsichtshalber als Prüfauftrag beschlossen, wobei der politische Wille der Koalitionspartner klar wurde: Falls es rechtlich möglich ist, soll es auch umgesetzt werden - ohne weiteren Beschluss.

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