- Was ist Ausgangspunkt der Kritik?
- Was sagt die Justizbehörde?
- Besteht Aussicht auf mehr Stellen?
- Wie reagieren Richterbund und CDU?
Ist die Bremer Staatsanwaltschaft für ihre Aufgaben ausreichend gerüstet? In den vergangenen Jahren wurde das Personal dort aufgestockt, doch die Zahl der zu bearbeitenden Verfahren hat gleichzeitig rasant zugenommen. Der Deutsche Richterbund, in dem auch die Staatsanwälte organisiert sind, und die CDU-Bürgerschaftsfraktion fordern deshalb vom Senat einen Stellenzuwachs, damit die Behörde ihrer zentralen Rolle bei der Kriminalitätsbekämpfung gerecht werden kann.
Was ist Ausgangspunkt der Kritik?
Wie viel Personal in Justizbehörden vorhanden sein sollte, dafür gibt es einen Schlüssel, der länderübergreifend entwickelt wurde. Der zentrale Begriff lautet Pebbsy – das Kürzel steht für Personalbedarfsberechnungssystem. Es beruht auf durchschnittlichen Bearbeitungszeiten für verschiedene Verfahrensarten, nach denen dann der Personalbedarf für einzelne Justizbehörden errechnet werden kann. Für die Staatsanwaltschaft Bremen lag die Pebbsy-Deckungsquote 2022 deutlich unter 100 Prozent. Bei den Staatsanwälten betrug sie 74,5 Prozent, beim unterstützenden Personal – zum Beispiel Schreibkräfte – etwas mehr. In anderen Bereichen der Bremer Justiz sind die Zahlen deutlich besser, sie überschreiten dort zum Teil die 100er-Marke. Das Landgericht beispielsweise konnte 2022 bei den Richterstellen eine Pebbsy-Quote von 120 Prozent vorweisen.
Was sagt die Justizbehörde?
„Die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft ist weiterhin hoch“, räumt Sprecherin Stephanie Dehne ein. Bremen nehme da allerdings keine Sonderstellung ein. Alle Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet stünden vor dem Problem extrem hoher Fallzahlen. Der Senat habe darauf allerdings auch reagiert. Die Zahl der Vollzeitstellen bei der Bremer Staatsanwaltschaft sei in den vergangenen acht Jahren von 156 auf 212 gestiegen. Etwa ein Drittel davon sind Staatsanwälte. Die aktuelle Zahl beinhaltet allerdings auch befristete Stellen. So sind allein zwölf Strafverfolger mit Verfahren gegen Schwerkriminelle betraut, die über geknackte Handy-Kommunikation („Encrochat“) ins Visier der Ermittler gerieten. Diese Stellen sind nur bis Ende 2025 gesichert. Noch früher laufen die befristeten Stellen zur Aufklärung zweier komplexer Wirtschaftsstraftaten aus. Dort geht es um die Pleiten der Greensill-Bank und des Heimbetreibers Convivo.
Besteht Aussicht auf mehr Stellen?
Derzeit nicht, und das hat mit den massiven Sparzwängen zu tun. Dem Finanzsenator fehlen bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2024/25 dreistellige Millionenbeträge. Außer im Bildungs- und Sozialbereich werden überall finanzielle Opfer zu bringen sein – im günstigsten Fall gibt es leichte nominelle Ausgabensteigerungen, die aber durch Inflation und Gehaltssteigerungen der Beschäftigten mehr als aufgezehrt werden. Für ihr Ressort hat Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) im Zuge der senatsinternen Haushaltsverhandlungen zusätzliche Stellen für Unterstützungskräfte bei der Staatsanwaltschaft angemeldet, aber nicht bewilligt bekommen. Schilling stehe „zu den im Senat getroffenen Abwägungsentscheidungen zur Priorität anderer gesellschaftlicher Bedarfe“, schreibt Ressortsprecherin Dehne. Ziel bleibe es jedoch, bis Ende der Legislaturperiode im Jahr 2027 eine Pebbsy-Quote von 100 Prozent für die Staatsanwaltschaft zu erreichen.
Wie reagieren Richterbund und CDU?
Wenn das Arbeitsvolumen nur zu 74,5 Prozent durch entsprechendes Personal abgedeckt ist, dann sei das „besorgniserregend und absolut nicht akzeptabel“, urteilt Cosima Freter, die stellvertretende Vorsitzende des Bremischen Richterbundes. Die Folgen seien absehbar: „Wenn jede vierte Stelle unbesetzt ist, dann führt das automatisch dazu, dass die Verfahrensbearbeitung deutlich länger dauert, die Aktenbestände immer weiter ansteigen und sich diese Situation unweigerlich immer weiter zuspitzen wird.“ Der Richterbund fordere deshalb 20 zusätzliche Planstellen für Staatsanwälte. Auch die CDU-Innenpolitikerin Wiebke Winter hält den Engpass in der Strafverfolgungsbehörde für problematisch. Der Verfahrensstau verzögere die rechtliche Aufarbeitung von Straftaten, und das habe ganz handfeste Folgen: „Zeugen vergessen Vorgänge, und Straftäter werden verspätet oder gar nicht mehr zur Rechenschaft gezogen“, warnt Winter.