Geschäftig wirkt der Ziegenmarkt am Mittwochmittag: Wochenmarktstände reihen sich aneinander, daneben hat sich der Einsatzwagen der mobilen Polizeiwache postiert, ein Getränkelieferant rangiert auf dem Platz, Passanten kaufen ein oder essen zu Mittag. Wie berichtet, könnte hier an der Ecke im Steintor, in der ehemaligen Apotheke im Viertel, nach den Plänen der Ameos Poliklinik im Juli oder August eine Substitutionspraxis für Drogenabhängige eröffnet werden. Ob es wirklich so kommt, ist noch nicht entschieden. Was halten Geschäftsleute und Anwohner von den Plänen?
Robert Lippels hat eine klare Meinung: "Das wäre auf gut Deutsch gesagt Scheiße, weil es der falsche Ort dafür ist. Wir haben ja eh schon Probleme hier und die würden sich noch verschlimmern", sagt der Betreiber der mobilen Saftbar Orange Boy. "Es gibt zwar die mobile Wache, aber wenn die um 18.30 Uhr wieder vom Hof fahren, sind alle Drogendealer wieder da", berichtet Lippels.
Gewürzhändler Siegbert Hamann lehnt Substitutionstherapien prinzipiell ab: Das Leiden sei selbst verschuldet, aber die Methadon-Spritze gebe es kostenlos. "Ich finde das ungerecht anderen gegenüber, die auf ihre Gesundheit achten", so Hamann. Zudem könne er sich eine sinnvollere Nachnutzung für das Haus Vor dem Steintor 60/62 vorstellen. "Eine Apotheke wäre mir lieber. Oder etwas anderes, was der Gesellschaft nützt: Kinderbetreuung, eine Einrichtung für Drogenprävention oder eine mobile Wache", sagt Hamann.

Siegbert Hamann
Heidi Schleining, Managerin der Zahnarztpraxis Starcke und Kollegen, ist ebenfalls gegen eine Methadonausgabe in der Apotheke. "Wir beobachten das hier täglich. Hier kommt man eher und schneller an Stoff als woanders", sagt sie. "Man müsste dann zumindest die Polizeipräsenz erhöhen." In der Zahnarztpraxis, in der zum Teil auch Drogenabhängige behandelt würden, sei es schon zu Vorfällen gekommen. Nach 18 Uhr habe ein offensichtlich unter Drogeneinfluss stehender Mann den Mitarbeitern Gewalt angedroht, wenn er nicht behandelt würde. "Wir konnten ihn aber nicht betäuben, weil er so zugedröhnt war", sagt Schleining. Aus Sicherheitsgründen werde die Tür nur noch per Summer geöffnet.

Lofti Ben Haj
Fuji Ramen liegt direkt gegenüber der Apotheke. Geschäftsführer Bin Fu berichtet von einem Vorfall mit einem Drogenkranken, der eine Schüssel voller Essen überall im Restaurant verteilt habe. "Das macht Angst, dass es auch zu gefährlicheren Situationen und einer Bedrohung der Gäste kommen könnte. Darum sind wir dagegen", sagt er.
Skeptisch ist auch Lotfi Ben Haj, Inhaber des Restaurants Ziege. "Bisher ist es nicht so schlimm, viele rauchen ja nur Cannabis", sagt er. Aber eine Methadonausgabe vor der Tür und die entsprechende Klientel würden dem Tourismus schaden. "Und es ist für die Jugendlichen, die nach dem Fußball hierher kommen, kein guter Einfluss."

Beruta Adolf
Beruta Adolf, Inhaberin der Georg Büchner-Buchhandlung, findet den Ort ungünstig gewählt für eine Klinik dieser Größenordnung. In der Wielandstraße gebe es schon eine Substitutionspraxis, die freitags Methadon ausgebe. "Ameos ist ein Konzern, der vor allem auf Profit aus ist. Aber das passt hier nicht rein", sagt sie. Wie wolle die Polizei weiterhin für Sicherheit sorgen? Für viele Kinder und Jugendliche befinde sich die Apotheke auf dem Schulweg oder auf dem Weg zum Spielplatz. "Das schafft große Verunsicherung, wenn dort täglich Leute auf ihre Substitutionstherapie warten."
Henrike Rapp ist als Anwohnerin der Wielandstraße nicht grundsätzlich gegen eine Drogensubstitutionspraxis. "Es sind ja nur Leute, die kommen und wieder gehen." Auch ihre Nachbarn würden prinzipiell begrüßen, "dass es überhaupt Hilfen für Drogenkranke von der Stadt Bremen gibt", sagt sie. "Aber vielleicht ist es nicht das geeignete Umfeld für ein Methadon-Programm, weil sie hier schnell wieder rückfällig werden könnten", so Rapp.

Henrike Rapp
"Zwischen Baum und Borke" sieht sich auch Ulrike Müller, die seit vielen Jahren im Viertel arbeitet. "Hilfsangebote sind gut, aber muss das wirklich mittendrin sein?" Die Situation auf dem Ziegenmarkt habe sich durch die mobile Polizeiwache gerade beruhigt. "Ich finde es seitdem deutlich angenehmer, hier abends als Frau unterwegs zu sein", sagt Müller. Auch aus Sicht der Betroffenen sei der Ziegenmarkt suboptimal, weil er zu wenig Intimität biete. Stattdessen würde sie das Eckhaus eher dem Einzelhandel gönnen.