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Polizei filmt Breminale Datenschützer kritisiert: Deutliche Schieflage bei Videoüberwachung

Bremens Datenschutzbehörde meldet Bedenken gegen die Videoüberwachung der Breminale an. Und regt eine Änderung des Polizeigesetzes an, die in Niedersachsen längst umgesetzt wurde.
02.07.2024, 05:00 Uhr
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Datenschützer kritisiert: Deutliche Schieflage bei Videoüberwachung
Von Ralf Michel

Freimarkt, Weihnachtsmarkt, Osterwiese und jetzt auch die Breminale… - täuscht mein Eindruck oder ist die polizeiliche Videoüberwachung in Bremen inzwischen die Regel statt die begründete Ausnahme?

Simon Schwichtenberg: Dieser Eindruck täuscht nicht. Wir sehen zumindest bei den sogenannten Volksfesten eine Verstetigung der Überwachungsmaßnahmen. Aus dem vormals angekündigten Test „Wir gucken mal, was können wir da machen?“ wurde anscheinend der Regelfall. Was das Bremische Polizeigesetz in seiner jetzigen Fassung aber auch zulässt.

Welche Rolle hat die oder der Landesbeauftragte für Datenschutz in diesem Verfahren?

Ausgangspunkt unserer Beteiligung ist immer die Erstellung einer sogenannten Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA). Die ist von der Polizei oder anderen Stellen immer dann zu erstellen, wenn eine neue Methode zur Verarbeitung personenbezogener Daten ergriffen wird und diese Methode mit besonderen Risiken für die betroffenen Personen einhergeht. Das haben wir naturgemäß bei einer Videoüberwachung. Wenn die verantwortliche Stelle, also hier die Polizei, zu dem Ergebnis kommt, dass sich diese Risiken nicht umfangreich ausschalten lassen, sind wir zu beteiligen. Da wir gegenüber öffentlichen Stellen einen allgemeinen Beratungs- und Sensibilisierungsauftrag haben, nutzen wir diese Gelegenheit dann auch, gegenüber der Innendeputation eine Stellungnahme abzugeben und immer wieder auf unsere Bedenken hinzuweisen.

Sie beraten und geben eine Stellungnahme ab, haben letztlich aber keinen Einfluss? Sie können die Videoüberwachung weder genehmigen noch verbieten?

Genau, wir sind keine Genehmigungsbehörde, unsere Genehmigung ist nicht erforderlich. Bei länger andauernden und klaren Verstößen gegen das Polizeigesetz können wir aber ein Verfahren zur Beanstandung und Abhilfe einleiten.

Ist das als Datenschützer nicht frustrierend? In ihren Stellungnahmen kritisieren sie die Videoüberwachung stets aufs Neue als einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen. Sie sprechen von einem schwerwiegenden Eingriff sowohl in das informelle Selbstbestimmungsrecht als auch das Grundrecht auf Datenschutz. Aber passieren tut nichts. Im Gegenteil, die Videoüberwachung wird immer mehr ausgeweitet.

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Frustrierend ist der falsche Ausdruck. Grundsätzlich ist es ja unsere Aufgabe, diese Bedenken zu äußern und auch ein differenziertes Bild sowohl bei der Öffentlichkeit als auch bei den Entscheidungsträgern zu erzeugen. Und anhand der Diskussionen, die wir haben, glaube ich schon, dass unsere Stellungnahmen Wirkung entfalten. Aber Sie haben recht – das, was wir uns wünschen, ist bislang nicht erzielt.

Was genau meinen Sie damit?

Eine Änderung oder Anpassung des Bremischen Polizeigesetzes. Auch hier ist es unsere Aufgabe, immer wieder darauf hinzuweisen.

Wie sollte das Gesetz geändert werden?

Momentan steht im Polizeigesetz, verkürzt übersetzt: Sobald ein Volksfest stattfindet, darf überwacht werden. Besser wäre eine Lösung, die erfordert, dass von der Polizei eine konkrete Gefahrenprognose zu erstellen ist. Die Polizei müsste vor der Videoüberwachung darlegen, dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass dieses Fest mit dem erhöhten Risiko von Straftaten oder auch Ordnungswidrigkeiten einhergeht. Im Niedersächsischen Polizeigesetz ist dies übrigens schon so geregelt.

Die Polizei in Bremen argumentiert allgemein mit Gefahrenabwehr oder sogar mit möglichen Terroranschlägen. Sie hätten es gerne konkreter?

Ja. Und gerade an der Breminale merkt man, wie notwendig diese Änderung im Polizeigesetz ist. In den Berichten der Polizei aus den vergangenen zwei Jahren hieß es jeweils, dass die Breminale friedlich war. Da mutet es schon sehr merkwürdig an, wenn jetzt auf einmal diese an sich friedliche Veranstaltung eine Videoüberwachung erfordert. Da haben wir eine deutliche Schieflage, die man sehr gut mit einer Anpassung des Bremischen Polizeigesetzes korrigieren könnte.

Gilt das nicht auch für Osterwiese, Freimarkt und Weihnachtsmarkt? Auch da ist zuletzt wenig passiert. Ohnehin wird ja immer nur ein sehr kleiner Bereich der Veranstaltungen videoüberwacht. Und dass sich betrunkene Festbesucher durch die beiden Kameras von Prügeleien abschrecken lassen, glaubt nicht einmal die Polizei.

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Das kommt noch hinzu. Ich würde das mal so zusammenfassen: Wir brauchen hinsichtlich der Quantität der Überwachungsmaßnahmen eine Abnahme, aber eine Zunahme hinsichtlich der Qualität. Also weniger Überwachung – nämlich nur aufgrund einer konkreten Gefahrenprognose. Aber dann, wenn sie tatsächlich erforderlich ist, auch richtig überwachen und eben nicht nur ausschnittsweise.

Sie haben die Innendeputation angesprochen. Was halten Sie denn davon, dass jetzt zur Breminale nicht einmal mehr in diesem Gremium öffentlich über die Videoüberwachung diskutiert werden konnte? Der entsprechende Antrag der Polizei wurde den Deputationsmitgliedern nur schriftlich zur Kenntnis gegeben.

Wie damit umgegangen wird, obliegt allein dem Innensenator. Ich kann dazu nur sagen, dass wir als Datenschutzbehörde rechtzeitig informiert wurden. Bei aller Kritik darf hier jetzt kein falsches Bild entstehen: Wir werden von der Polizei und dem Innensenator schon so beteiligt, wie es vorgesehen ist. Ich glaube auch, dass sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren deutlich verbessert hat.

Das Gespräch führte Ralf Michel.

Zur Person

Simon Schwichtenberg (35) gehört seit 2020 zum Team der Landesbeauftragten für Datenschutz. Seit September 2022 ist er Leiter des Referats "Polizeibehörde und öffentliche Stellen".

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