Sicherheitsdienstmitarbeiter, Polizisten, Awareness-Teams und wachsame Schausteller – bis vergangenen Sonntag haben sie auf der Bürgerweide gemeinsam für einen sicheren Freimarkt gesorgt. Erstmals setzte die Polizei dafür auch Videokameras ein. Das mobile Überwachungssystem stand nahe den Messehallen zwischen dem Autoscooter „Top in“ und der Wildwasserbahn. Die Leitstelle hatte zwei Live-Bilder laufend im Blick, die sie bei Bedarf auch in die Freimarktwache übertragen konnte. Die Polizei bewertet den Einsatz positiv. Die Landesdatenschutzbeauftragte äußert sich hingegen skeptisch.
Wie fällt die Bilanz der Polizei aus?
„Die erstmalige Verwendung der mobilen Videoüberwachung auf diesem großen Volksfest sehen wir grundsätzlich positiv“, sagt Nils Matthiesen, Sprecher der Polizei Bremen. Das Innenressort von Senator Ulrich Mäurer (SPD) hatte den Einsatz vorab unter anderem mit der potenziellen Gefahr von Terroranschlägen gerechtfertigt. Mit den Kameras könnte sich die Polizei im Notfall schneller und besser ein Bild der Lage machen. Gefahrenlagen oder Störungen des Freimarkts gab es allerdings nicht. „Es ist ermutigend zu sehen, dass die Veranstaltung in diesem Jahr ohne größere Vorfälle verlief“, resümiert Matthiesen.

Die Polizei informierte die Besucher mit Hinweisschildern über den Kameraeinsatz.
Die Polizei kann die Technik auch für ihre alltäglichen Aufgaben nutzen, wenn sie etwa Diebstähle oder Körperverletzungen aufklären muss. Dann hätte sie die Aufzeichnungen für 20 Tage speichern dürfen. Auch dazu ist es laut Matthiesen aber nicht gekommen: „Die eingesetzten Kräfte stellten keine Straftaten oder erhebliche Ordnungswidrigkeiten im videoüberwachten Bereich fest, sodass eine Sicherung der Videoaufzeichnung nicht notwendig war.“
Wird die Videoüberwachung jetzt zum Standard?
Ob die Technik beim kommenden Freimarkt wieder zum Einsatz kommt, steht noch nicht fest. „Zunächst erfolgt durch die Polizei Bremen eine umfassende Nachbereitung des diesjährigen Einsatzes“, sagt Matthiesen. Eine mögliche Videoüberwachung von Veranstaltungen bewerte die Polizei vorab jedes Mal neu.
Gab es zuvor vergleichbare Einsätze?
In Bremerhaven setzte die Polizei bei den Maritimen Tagen seit 2021 bereits drei Mal Videokameras ein (wir berichteten). Die Überwachung hat sich aus Sicht der Bremerhavener Polizei auch deshalb bewährt, weil die Kameras das Sicherheitsgefühl der Besucher stärkten. In diesem Jahr besuchten schätzungsweise 400.000 Menschen die Maritimen Tage.
Was sagt die Datenschutzbeauftragte?
Imke Sommer, Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LFDI), begleitete die Videoüberwachung und berät die Polizei zu rechtlichen Fragen. Die Bürgerschaft hat sie als unabhängige Kontrollinstanz für acht Jahre gewählt. Verbieten kann sie die Videoüberwachung nicht. Einer vor dem Freimarkt verfassten Stellungnahme für die Innendeputation ist aber deutliche Kritik zu entnehmen: „Insgesamt ist für die LFDI durchaus fragwürdig, ob die vorliegend geplante Überwachung eine geeignete und damit verhältnismäßige Maßnahme der Gefahrenabwehr ist.“
Die Landesbeauftragte bemängelt unter anderem, dass der Standort der Kameras nicht zu dem erklärten Ziel passe, Terroranschläge zu verhindern oder aufzuklären. Sogenannte Anschlagsfahrten – wie beispielsweise 2016 über den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin – würden nämlich auf Straßen ihren Anfang nehmen, die von den zwei Kameras nicht zu erfassen wären.
Gleichzeitig sind Videoüberwachungen von öffentlichen Plätzen aus Sicht der LFDI immer schwerwiegende Grundrechtseingriffe. „Bereits die Möglichkeit, von einer polizeilichen Überwachung erfasst zu werden, kann einzelne Personen erheblich in ihrer freien Entfaltung beeinträchtigen – quasi in einer Art ‚Selbstzensur‘“, heißt es in der Vorabeinschätzung.
Derzeit arbeitet die LFDI an einer umfassenden Auswertung des 17-tägigen Einsatzes der Videokameras. Sommer erstellt dafür eine sogenannte Überwachungsgesamtrechnung. „Dahinter steckt der Gedanke, dass viele Maßnahmen für sich genommen in Ordnung sein können, sie aber in Summe das Fass zum Überlaufen bringen“, erläutert sie. Mit der Evaluation werde sich die Innendeputation voraussichtlich in ihrer Sitzung am 22. November befassen.